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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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"Vollends ungehörig und komisch aber war seine Meinung, als Hnupt- und
Mittelpunkt einer rheinischen Dichterschule zu leben. Es ist möglich, daß die schrift¬
liche Sammlung des "Maikäfers", die unsre damaligen Produkte enthält, noch vor¬
handen ist, und bei dem absolut rücksichtslose" Drnckcnlnssen der heutigen Zeit noch
einmal hervorgezogen werden soll. Für diesen Fall erkläre ich die von mir
stammenden Beiträge öffentlich für Schund und protestiere auf alle Zeiten gegen
Veröffentlichung derselben, ersuche much die Meinigen in diesem Falle einen Prozeß
anzustrengen.

"Der soll sich melden, dem ich etwas versprochen und nicht gehalten habe.
Professor Kinkel freilich nahm an, daß ich und andre ihm ins Unbestimmte hinein
verpflichtet seien. Schon lauge vor seiner Katastrophe hat sich mehr als einer von
ihm abgewandt. Er behauptet, ich hätte nicht den Mut ihm abzusagen, legt aber
hierbei eine erstaunliche Vergeßlichkeit an den Tag, da ich ihm im Frühjahr 1847
zu Berlin mit den deutlichsten Worten gekündet habe: "Du gehst auf Wegen, dahin
ich dir nicht folge" will."

"Seine politischen Sachen beurteile ich hier nicht. Wer den Manu kannte,
mußte aus seiner sonstigen Richtung ans Anfnhrerschaft und aus der allmählichen
Unmöglichkeit, auf andern Gebieten eine solche z" erreichen, das Schicksal voraus
erraten.

"Deshalb, weil ein Brief in der Gefangenschaft geschrieben ist, hat er noch
keinen besondern Anspruch auf Geltung und thatsächliche Genauigkeit. Die geheime
Erbitterung über mich, womit derselbe abgefaßt ist, hängt, ohne daß Professor
Kinkel vielleicht sich dessen genau bewußt ist, gerade an dem Gefühl, daß ich mich
völlig richtig gegen ihn benommen hatte. Wenn man aber einen solchen Brief
geschrieben hat, der noch in dritter Hand ist, sucht man sich in spätern Zeiten
dem Opfer nicht mehr so angelegentlich zu nähern, wie Professor Kinkel bei seiner
Rückkehr ans England l3K5 oder 13V6 gethan hat. Er besuchte mich und wünschte
auf alle Weise das alte Verhältnis zu erneuern. Ich empfing ihn damals und bei
spätern Besuchen vou Zürich aus freundlich, aber vorsichtig. Da ich ihn nie in
Zürich besuchte, trotz mehrfach geäußerten Wunsche, ließ er mich links stehen.
Dafür mag sich meinetwegen ein neuer Groll über mich gesammelt haben. Wer
über einen andern einen solchen Brief geschrieben hat, soll nicht mehr mit dem¬
selben wieder anknüpfen wollen!"

Auf dies hin wird man hoffentlich wenigstens den Abdruck von Burckhardts
"sechzehn Nummern Lyrik" unterlassen, wenn man einmal auch den "Maikäfer"
der Welt mitteilt, wie man ja nicht anders können wird.


I. Geri




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Mcirquart in Leipzig

„Vollends ungehörig und komisch aber war seine Meinung, als Hnupt- und
Mittelpunkt einer rheinischen Dichterschule zu leben. Es ist möglich, daß die schrift¬
liche Sammlung des »Maikäfers«, die unsre damaligen Produkte enthält, noch vor¬
handen ist, und bei dem absolut rücksichtslose» Drnckcnlnssen der heutigen Zeit noch
einmal hervorgezogen werden soll. Für diesen Fall erkläre ich die von mir
stammenden Beiträge öffentlich für Schund und protestiere auf alle Zeiten gegen
Veröffentlichung derselben, ersuche much die Meinigen in diesem Falle einen Prozeß
anzustrengen.

„Der soll sich melden, dem ich etwas versprochen und nicht gehalten habe.
Professor Kinkel freilich nahm an, daß ich und andre ihm ins Unbestimmte hinein
verpflichtet seien. Schon lauge vor seiner Katastrophe hat sich mehr als einer von
ihm abgewandt. Er behauptet, ich hätte nicht den Mut ihm abzusagen, legt aber
hierbei eine erstaunliche Vergeßlichkeit an den Tag, da ich ihm im Frühjahr 1847
zu Berlin mit den deutlichsten Worten gekündet habe: »Du gehst auf Wegen, dahin
ich dir nicht folge» will.«

„Seine politischen Sachen beurteile ich hier nicht. Wer den Manu kannte,
mußte aus seiner sonstigen Richtung ans Anfnhrerschaft und aus der allmählichen
Unmöglichkeit, auf andern Gebieten eine solche z» erreichen, das Schicksal voraus
erraten.

„Deshalb, weil ein Brief in der Gefangenschaft geschrieben ist, hat er noch
keinen besondern Anspruch auf Geltung und thatsächliche Genauigkeit. Die geheime
Erbitterung über mich, womit derselbe abgefaßt ist, hängt, ohne daß Professor
Kinkel vielleicht sich dessen genau bewußt ist, gerade an dem Gefühl, daß ich mich
völlig richtig gegen ihn benommen hatte. Wenn man aber einen solchen Brief
geschrieben hat, der noch in dritter Hand ist, sucht man sich in spätern Zeiten
dem Opfer nicht mehr so angelegentlich zu nähern, wie Professor Kinkel bei seiner
Rückkehr ans England l3K5 oder 13V6 gethan hat. Er besuchte mich und wünschte
auf alle Weise das alte Verhältnis zu erneuern. Ich empfing ihn damals und bei
spätern Besuchen vou Zürich aus freundlich, aber vorsichtig. Da ich ihn nie in
Zürich besuchte, trotz mehrfach geäußerten Wunsche, ließ er mich links stehen.
Dafür mag sich meinetwegen ein neuer Groll über mich gesammelt haben. Wer
über einen andern einen solchen Brief geschrieben hat, soll nicht mehr mit dem¬
selben wieder anknüpfen wollen!"

Auf dies hin wird man hoffentlich wenigstens den Abdruck von Burckhardts
„sechzehn Nummern Lyrik" unterlassen, wenn man einmal auch den „Maikäfer"
der Welt mitteilt, wie man ja nicht anders können wird.


I. Geri




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Mcirquart in Leipzig
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[0740] „Vollends ungehörig und komisch aber war seine Meinung, als Hnupt- und Mittelpunkt einer rheinischen Dichterschule zu leben. Es ist möglich, daß die schrift¬ liche Sammlung des »Maikäfers«, die unsre damaligen Produkte enthält, noch vor¬ handen ist, und bei dem absolut rücksichtslose» Drnckcnlnssen der heutigen Zeit noch einmal hervorgezogen werden soll. Für diesen Fall erkläre ich die von mir stammenden Beiträge öffentlich für Schund und protestiere auf alle Zeiten gegen Veröffentlichung derselben, ersuche much die Meinigen in diesem Falle einen Prozeß anzustrengen. „Der soll sich melden, dem ich etwas versprochen und nicht gehalten habe. Professor Kinkel freilich nahm an, daß ich und andre ihm ins Unbestimmte hinein verpflichtet seien. Schon lauge vor seiner Katastrophe hat sich mehr als einer von ihm abgewandt. Er behauptet, ich hätte nicht den Mut ihm abzusagen, legt aber hierbei eine erstaunliche Vergeßlichkeit an den Tag, da ich ihm im Frühjahr 1847 zu Berlin mit den deutlichsten Worten gekündet habe: »Du gehst auf Wegen, dahin ich dir nicht folge» will.« „Seine politischen Sachen beurteile ich hier nicht. Wer den Manu kannte, mußte aus seiner sonstigen Richtung ans Anfnhrerschaft und aus der allmählichen Unmöglichkeit, auf andern Gebieten eine solche z» erreichen, das Schicksal voraus erraten. „Deshalb, weil ein Brief in der Gefangenschaft geschrieben ist, hat er noch keinen besondern Anspruch auf Geltung und thatsächliche Genauigkeit. Die geheime Erbitterung über mich, womit derselbe abgefaßt ist, hängt, ohne daß Professor Kinkel vielleicht sich dessen genau bewußt ist, gerade an dem Gefühl, daß ich mich völlig richtig gegen ihn benommen hatte. Wenn man aber einen solchen Brief geschrieben hat, der noch in dritter Hand ist, sucht man sich in spätern Zeiten dem Opfer nicht mehr so angelegentlich zu nähern, wie Professor Kinkel bei seiner Rückkehr ans England l3K5 oder 13V6 gethan hat. Er besuchte mich und wünschte auf alle Weise das alte Verhältnis zu erneuern. Ich empfing ihn damals und bei spätern Besuchen vou Zürich aus freundlich, aber vorsichtig. Da ich ihn nie in Zürich besuchte, trotz mehrfach geäußerten Wunsche, ließ er mich links stehen. Dafür mag sich meinetwegen ein neuer Groll über mich gesammelt haben. Wer über einen andern einen solchen Brief geschrieben hat, soll nicht mehr mit dem¬ selben wieder anknüpfen wollen!" Auf dies hin wird man hoffentlich wenigstens den Abdruck von Burckhardts „sechzehn Nummern Lyrik" unterlassen, wenn man einmal auch den „Maikäfer" der Welt mitteilt, wie man ja nicht anders können wird. I. Geri Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Mcirquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/740>, abgerufen am 23.07.2024.