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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Kaiserliche Finanzen

sind mit der Übernahme der Kaiserwürde die Anforderungen bedeutend gestiegen.
Das Deutsche Reich zahlt keinen Pfennig für seine Repräsentation, die es dem
König von Preußen auferlegt; andrerseits ist aber nicht allein die preußische
Krondotation erhöht worden, sondern es liegen auch andre Verhältnisse für den
König und Kaiser Wilhelm II. sehr viel günstiger als für seine Vorgänger.
Es wird den allermeisten unbekannt sein, daß die preußischen Prinzen keinen
Pfennig aus der Staatskasse beziehen. Soweit sie kein Privatvermögen besitzen,
besteht ihr gesamtes Einkommen aus einem Jahrgeld, das ihnen der König nach
seinem Ermessen aussetzt, und aus dem nicht nur die persönlichen Ausgaben,
sondern auch der gesamte Aufwand für die Hofhaltung vom Hofmarschall und
der Oberhofmeisterin an bis zum geringsten Stallknecht und dem untersten
Kücheumädchen hinab bestritten werden. Was das bedeutet kann jeder Familien¬
vater, auch wenn er nur einen bescheidnen Haushalt führt, berechnen. Nun
mache man sich einmal klar, wie die Verhältnisse früher lagen, beispielsweise
als König Wilhelm I. den Thron bestieg, und wie sie heute liegen. Damals
waren außer dem Königlichen noch folgende Höfe vorhanden: 1. der Hof der ver¬
witweten Königin Elisabeth; 2. der des Kronprinzen, spätern Kaisers Friedrich;
3. der des Prinzen Karl; 4. der seines Sohnes, des Prinzen Friedrich Karl;
5. der des Prinzen Albrecht; 6. der seines Sohnes, des jetzigen Regenten von
Braunschweig; 7. bis 9. die des Prinzen Friedrich und seiner beiden Söhne,
der Prinzen Alexander und Georg; 10. der der Fürstin Liegnitz, vero. Ge¬
mahlin Friedrich Wilhelms III. Die Königin Elisabeth residierte im Winter
in Charlottenburg, im Sommer in Sanssouci, der Krouprinzliche Hof in Berlin
und im Neuen Palais bei Potsdam, die Prinzen Karl und Albrecht (Vater)
in ihren Palais in Berlin und in Guericke und auf der Albrechtsburg bei
Dresden, Prinz Friedrich Karl im Berliner Schloß und im Jagdschloß Guericke.
Damit vergleiche man den heutigen Zustand: 1. die Kaiserin Friedrich führt
ihr stilles Witwenleben meist außerhalb Berlins; 2. dasselbe gilt von der ver¬
witweten Prinzessin Friedrich Karl; 3. Prinz Heinrich, der in Kiel residiert,
hat bedeutende Vermächtnisse, darunter auch Landbesitz, von seinen Großeltern
geerbt; 4. Prinz Friedrich Leopold, der soeben ein Kommando in Kassel er¬
halten hat, lebte bisher verhältnismäßig in Zurückgezogenheit auf dem Jagd¬
schloß Guericke und bewohnte sein Berliner Palais nur selten. Er bezieht
die Einnahmen aus den Fideikommißherrschaften Flatow und Krvjanke; 5. Prinz
Albrecht wird durch seine Regentenpflichten in Vraunschmeig festgehalten und
lebt im übrigen auf seinem schlesischen Schlosse Camenz; 6. Prinz Georg, der
unvermählt ist, bringt den größten Teil des Jahres auf Reisen zu und hält
sich seines hohen Alters und seiner Gesundheit wegen schon seit Jahren von
allen Festlichkeiten fern. Außerdem sind sowohl er wie der Prinz Albrecht im
Besitz eines sehr bedeutenden mütterlichen Vermögens.

Somit haben sich nicht nur die Höfe der Zahl nach vermindert, sondern


Kaiserliche Finanzen

sind mit der Übernahme der Kaiserwürde die Anforderungen bedeutend gestiegen.
Das Deutsche Reich zahlt keinen Pfennig für seine Repräsentation, die es dem
König von Preußen auferlegt; andrerseits ist aber nicht allein die preußische
Krondotation erhöht worden, sondern es liegen auch andre Verhältnisse für den
König und Kaiser Wilhelm II. sehr viel günstiger als für seine Vorgänger.
Es wird den allermeisten unbekannt sein, daß die preußischen Prinzen keinen
Pfennig aus der Staatskasse beziehen. Soweit sie kein Privatvermögen besitzen,
besteht ihr gesamtes Einkommen aus einem Jahrgeld, das ihnen der König nach
seinem Ermessen aussetzt, und aus dem nicht nur die persönlichen Ausgaben,
sondern auch der gesamte Aufwand für die Hofhaltung vom Hofmarschall und
der Oberhofmeisterin an bis zum geringsten Stallknecht und dem untersten
Kücheumädchen hinab bestritten werden. Was das bedeutet kann jeder Familien¬
vater, auch wenn er nur einen bescheidnen Haushalt führt, berechnen. Nun
mache man sich einmal klar, wie die Verhältnisse früher lagen, beispielsweise
als König Wilhelm I. den Thron bestieg, und wie sie heute liegen. Damals
waren außer dem Königlichen noch folgende Höfe vorhanden: 1. der Hof der ver¬
witweten Königin Elisabeth; 2. der des Kronprinzen, spätern Kaisers Friedrich;
3. der des Prinzen Karl; 4. der seines Sohnes, des Prinzen Friedrich Karl;
5. der des Prinzen Albrecht; 6. der seines Sohnes, des jetzigen Regenten von
Braunschweig; 7. bis 9. die des Prinzen Friedrich und seiner beiden Söhne,
der Prinzen Alexander und Georg; 10. der der Fürstin Liegnitz, vero. Ge¬
mahlin Friedrich Wilhelms III. Die Königin Elisabeth residierte im Winter
in Charlottenburg, im Sommer in Sanssouci, der Krouprinzliche Hof in Berlin
und im Neuen Palais bei Potsdam, die Prinzen Karl und Albrecht (Vater)
in ihren Palais in Berlin und in Guericke und auf der Albrechtsburg bei
Dresden, Prinz Friedrich Karl im Berliner Schloß und im Jagdschloß Guericke.
Damit vergleiche man den heutigen Zustand: 1. die Kaiserin Friedrich führt
ihr stilles Witwenleben meist außerhalb Berlins; 2. dasselbe gilt von der ver¬
witweten Prinzessin Friedrich Karl; 3. Prinz Heinrich, der in Kiel residiert,
hat bedeutende Vermächtnisse, darunter auch Landbesitz, von seinen Großeltern
geerbt; 4. Prinz Friedrich Leopold, der soeben ein Kommando in Kassel er¬
halten hat, lebte bisher verhältnismäßig in Zurückgezogenheit auf dem Jagd¬
schloß Guericke und bewohnte sein Berliner Palais nur selten. Er bezieht
die Einnahmen aus den Fideikommißherrschaften Flatow und Krvjanke; 5. Prinz
Albrecht wird durch seine Regentenpflichten in Vraunschmeig festgehalten und
lebt im übrigen auf seinem schlesischen Schlosse Camenz; 6. Prinz Georg, der
unvermählt ist, bringt den größten Teil des Jahres auf Reisen zu und hält
sich seines hohen Alters und seiner Gesundheit wegen schon seit Jahren von
allen Festlichkeiten fern. Außerdem sind sowohl er wie der Prinz Albrecht im
Besitz eines sehr bedeutenden mütterlichen Vermögens.

Somit haben sich nicht nur die Höfe der Zahl nach vermindert, sondern


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[0074] Kaiserliche Finanzen sind mit der Übernahme der Kaiserwürde die Anforderungen bedeutend gestiegen. Das Deutsche Reich zahlt keinen Pfennig für seine Repräsentation, die es dem König von Preußen auferlegt; andrerseits ist aber nicht allein die preußische Krondotation erhöht worden, sondern es liegen auch andre Verhältnisse für den König und Kaiser Wilhelm II. sehr viel günstiger als für seine Vorgänger. Es wird den allermeisten unbekannt sein, daß die preußischen Prinzen keinen Pfennig aus der Staatskasse beziehen. Soweit sie kein Privatvermögen besitzen, besteht ihr gesamtes Einkommen aus einem Jahrgeld, das ihnen der König nach seinem Ermessen aussetzt, und aus dem nicht nur die persönlichen Ausgaben, sondern auch der gesamte Aufwand für die Hofhaltung vom Hofmarschall und der Oberhofmeisterin an bis zum geringsten Stallknecht und dem untersten Kücheumädchen hinab bestritten werden. Was das bedeutet kann jeder Familien¬ vater, auch wenn er nur einen bescheidnen Haushalt führt, berechnen. Nun mache man sich einmal klar, wie die Verhältnisse früher lagen, beispielsweise als König Wilhelm I. den Thron bestieg, und wie sie heute liegen. Damals waren außer dem Königlichen noch folgende Höfe vorhanden: 1. der Hof der ver¬ witweten Königin Elisabeth; 2. der des Kronprinzen, spätern Kaisers Friedrich; 3. der des Prinzen Karl; 4. der seines Sohnes, des Prinzen Friedrich Karl; 5. der des Prinzen Albrecht; 6. der seines Sohnes, des jetzigen Regenten von Braunschweig; 7. bis 9. die des Prinzen Friedrich und seiner beiden Söhne, der Prinzen Alexander und Georg; 10. der der Fürstin Liegnitz, vero. Ge¬ mahlin Friedrich Wilhelms III. Die Königin Elisabeth residierte im Winter in Charlottenburg, im Sommer in Sanssouci, der Krouprinzliche Hof in Berlin und im Neuen Palais bei Potsdam, die Prinzen Karl und Albrecht (Vater) in ihren Palais in Berlin und in Guericke und auf der Albrechtsburg bei Dresden, Prinz Friedrich Karl im Berliner Schloß und im Jagdschloß Guericke. Damit vergleiche man den heutigen Zustand: 1. die Kaiserin Friedrich führt ihr stilles Witwenleben meist außerhalb Berlins; 2. dasselbe gilt von der ver¬ witweten Prinzessin Friedrich Karl; 3. Prinz Heinrich, der in Kiel residiert, hat bedeutende Vermächtnisse, darunter auch Landbesitz, von seinen Großeltern geerbt; 4. Prinz Friedrich Leopold, der soeben ein Kommando in Kassel er¬ halten hat, lebte bisher verhältnismäßig in Zurückgezogenheit auf dem Jagd¬ schloß Guericke und bewohnte sein Berliner Palais nur selten. Er bezieht die Einnahmen aus den Fideikommißherrschaften Flatow und Krvjanke; 5. Prinz Albrecht wird durch seine Regentenpflichten in Vraunschmeig festgehalten und lebt im übrigen auf seinem schlesischen Schlosse Camenz; 6. Prinz Georg, der unvermählt ist, bringt den größten Teil des Jahres auf Reisen zu und hält sich seines hohen Alters und seiner Gesundheit wegen schon seit Jahren von allen Festlichkeiten fern. Außerdem sind sowohl er wie der Prinz Albrecht im Besitz eines sehr bedeutenden mütterlichen Vermögens. Somit haben sich nicht nur die Höfe der Zahl nach vermindert, sondern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/74>, abgerufen am 23.07.2024.