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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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der Gesellschaft sind zur Genüge gewahrt, wenn ihr gesetzlich das Recht bei¬
gelegt wird, den Vertrag ohne Kündigung aufzuheben, falls der Versicherte
rechtskräftig wegen (auch nur fahrlässiger) Brandstiftung verurteilt ist.

Hiermit ist die Zahl der Wünsche, die man an das bevorstehende Neichs-
gesetz über das Versicherungswesen knüpfen muß, auch uicht annähernd er¬
schöpft; sie wären vielmehr mit Leichtigkeit zu verdoppeln, und zwar immer
auf Grund der unbilligen Ergebnisse, zu deuen die Rechtsprechung bei dein
gegenwärtige" Zustande geführt hat. Das Vorgetragne genügt aber, um den
Wunsch zu begründen, daß das zukünftige Reichsgesetz seine Vorschriften als
zwingend fasse, d. h. jede Abänderung oder Ergänzung der aufgestellten Rechts-
sätze verbiete, sodaß also in Zukunft Versicherungsanträge nur uach Maßgabe
der gesetzlichen Bestimmungen geschlossen werden, deren Ergänzung durch "all¬
gemeine Bedingungen" oder Sonderverträge nur in den Punkten zulässig ist,
für die das Gesetz dies ausdrücklich gestattet. Berechtigte Interessen der
Gesellschaften stehen dem nicht entgegen. Daß gegenwärtig das Versicherungs¬
recht nicht durch die bestehenden Gesetze, sondern durch die oben zur Genüge
gekennzeichneten "allgemeinen Bedingungen" geregelt wird, erklärt sich zum
Teil daraus, daß die Gesetze vielfach ganz veraltet sind, daher den Anforde¬
rungen des heutigen Verkehrs uicht entsprechen. Dieser Grund fällt weg,
wenn das Versicherungsrecht neu geregelt wird; vor der Gesahr, daß das
neue Neichsgesetz "am grünen Tisch" gefertigt wird und daher unpraktisch ist,
sind die Gesellschaften genügend geschützt.

Der Entwurf des neuen Gesetzes wird im Neichsjustizamt gemacht und
zunächst im Reichsanzeiger zur allgemeinen Kenntnisnahme, sowie ferner den
Behörden und andern Körperschaften zur gutachtlichen Äußerung mitgeteilt.
Schon hier haben die Versicherungsgesellschaften Gelegenheit, ihre Einwendungen
gegen die vorgeschlagne Neuregelung an zuständiger Stelle und in der Öffent¬
lichkeit vorzutragen. Der auf Grund der eingegangnen Einwendungen und
Gutachten einer nochmaligen Prüfung und Änderung im Neichsjustizamt unter¬
zogn" Entwurf wird sodann vom Bundesrat, also von den Vertretern sämt¬
licher deutscheu Regierungen geprüft und nötigenfalls auch geändert. Dann
gelangt der Entwurf an den Reichstag und unterliegt hier zunächst einer all¬
gemeinen Prüfung durch mehrere hundert Abgeordnete der allerverschiedensten
Berufsstände und Lebensanschauungen; hierauf wird er in einem Ausschuß von
(gewöhnlich einundzwanzig) zur Prüfung besonders befähigten Abgeordneten
einer sehr eingehenden Besprechung unterzogen. Wenn der Entwurf nach so
eingehenden Beratungen schließlich Gesetz wird, so kann man ruhig sage", daß
die einzelnen Bestimmungen auf einer gerechten Würdigung und Abwägung
der Interessen der Verhinderer wie auch der Versicherten beruhen. Die Gesell¬
schaften haben dann also keinen Anlaß, von den Bestimmungen des Gesetzes
abzuweichen; daher kann der Gesetzgeber sie zu zwingenden, jeder Abänderung


der Gesellschaft sind zur Genüge gewahrt, wenn ihr gesetzlich das Recht bei¬
gelegt wird, den Vertrag ohne Kündigung aufzuheben, falls der Versicherte
rechtskräftig wegen (auch nur fahrlässiger) Brandstiftung verurteilt ist.

Hiermit ist die Zahl der Wünsche, die man an das bevorstehende Neichs-
gesetz über das Versicherungswesen knüpfen muß, auch uicht annähernd er¬
schöpft; sie wären vielmehr mit Leichtigkeit zu verdoppeln, und zwar immer
auf Grund der unbilligen Ergebnisse, zu deuen die Rechtsprechung bei dein
gegenwärtige» Zustande geführt hat. Das Vorgetragne genügt aber, um den
Wunsch zu begründen, daß das zukünftige Reichsgesetz seine Vorschriften als
zwingend fasse, d. h. jede Abänderung oder Ergänzung der aufgestellten Rechts-
sätze verbiete, sodaß also in Zukunft Versicherungsanträge nur uach Maßgabe
der gesetzlichen Bestimmungen geschlossen werden, deren Ergänzung durch „all¬
gemeine Bedingungen" oder Sonderverträge nur in den Punkten zulässig ist,
für die das Gesetz dies ausdrücklich gestattet. Berechtigte Interessen der
Gesellschaften stehen dem nicht entgegen. Daß gegenwärtig das Versicherungs¬
recht nicht durch die bestehenden Gesetze, sondern durch die oben zur Genüge
gekennzeichneten „allgemeinen Bedingungen" geregelt wird, erklärt sich zum
Teil daraus, daß die Gesetze vielfach ganz veraltet sind, daher den Anforde¬
rungen des heutigen Verkehrs uicht entsprechen. Dieser Grund fällt weg,
wenn das Versicherungsrecht neu geregelt wird; vor der Gesahr, daß das
neue Neichsgesetz „am grünen Tisch" gefertigt wird und daher unpraktisch ist,
sind die Gesellschaften genügend geschützt.

Der Entwurf des neuen Gesetzes wird im Neichsjustizamt gemacht und
zunächst im Reichsanzeiger zur allgemeinen Kenntnisnahme, sowie ferner den
Behörden und andern Körperschaften zur gutachtlichen Äußerung mitgeteilt.
Schon hier haben die Versicherungsgesellschaften Gelegenheit, ihre Einwendungen
gegen die vorgeschlagne Neuregelung an zuständiger Stelle und in der Öffent¬
lichkeit vorzutragen. Der auf Grund der eingegangnen Einwendungen und
Gutachten einer nochmaligen Prüfung und Änderung im Neichsjustizamt unter¬
zogn« Entwurf wird sodann vom Bundesrat, also von den Vertretern sämt¬
licher deutscheu Regierungen geprüft und nötigenfalls auch geändert. Dann
gelangt der Entwurf an den Reichstag und unterliegt hier zunächst einer all¬
gemeinen Prüfung durch mehrere hundert Abgeordnete der allerverschiedensten
Berufsstände und Lebensanschauungen; hierauf wird er in einem Ausschuß von
(gewöhnlich einundzwanzig) zur Prüfung besonders befähigten Abgeordneten
einer sehr eingehenden Besprechung unterzogen. Wenn der Entwurf nach so
eingehenden Beratungen schließlich Gesetz wird, so kann man ruhig sage», daß
die einzelnen Bestimmungen auf einer gerechten Würdigung und Abwägung
der Interessen der Verhinderer wie auch der Versicherten beruhen. Die Gesell¬
schaften haben dann also keinen Anlaß, von den Bestimmungen des Gesetzes
abzuweichen; daher kann der Gesetzgeber sie zu zwingenden, jeder Abänderung


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[0664] der Gesellschaft sind zur Genüge gewahrt, wenn ihr gesetzlich das Recht bei¬ gelegt wird, den Vertrag ohne Kündigung aufzuheben, falls der Versicherte rechtskräftig wegen (auch nur fahrlässiger) Brandstiftung verurteilt ist. Hiermit ist die Zahl der Wünsche, die man an das bevorstehende Neichs- gesetz über das Versicherungswesen knüpfen muß, auch uicht annähernd er¬ schöpft; sie wären vielmehr mit Leichtigkeit zu verdoppeln, und zwar immer auf Grund der unbilligen Ergebnisse, zu deuen die Rechtsprechung bei dein gegenwärtige» Zustande geführt hat. Das Vorgetragne genügt aber, um den Wunsch zu begründen, daß das zukünftige Reichsgesetz seine Vorschriften als zwingend fasse, d. h. jede Abänderung oder Ergänzung der aufgestellten Rechts- sätze verbiete, sodaß also in Zukunft Versicherungsanträge nur uach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen geschlossen werden, deren Ergänzung durch „all¬ gemeine Bedingungen" oder Sonderverträge nur in den Punkten zulässig ist, für die das Gesetz dies ausdrücklich gestattet. Berechtigte Interessen der Gesellschaften stehen dem nicht entgegen. Daß gegenwärtig das Versicherungs¬ recht nicht durch die bestehenden Gesetze, sondern durch die oben zur Genüge gekennzeichneten „allgemeinen Bedingungen" geregelt wird, erklärt sich zum Teil daraus, daß die Gesetze vielfach ganz veraltet sind, daher den Anforde¬ rungen des heutigen Verkehrs uicht entsprechen. Dieser Grund fällt weg, wenn das Versicherungsrecht neu geregelt wird; vor der Gesahr, daß das neue Neichsgesetz „am grünen Tisch" gefertigt wird und daher unpraktisch ist, sind die Gesellschaften genügend geschützt. Der Entwurf des neuen Gesetzes wird im Neichsjustizamt gemacht und zunächst im Reichsanzeiger zur allgemeinen Kenntnisnahme, sowie ferner den Behörden und andern Körperschaften zur gutachtlichen Äußerung mitgeteilt. Schon hier haben die Versicherungsgesellschaften Gelegenheit, ihre Einwendungen gegen die vorgeschlagne Neuregelung an zuständiger Stelle und in der Öffent¬ lichkeit vorzutragen. Der auf Grund der eingegangnen Einwendungen und Gutachten einer nochmaligen Prüfung und Änderung im Neichsjustizamt unter¬ zogn« Entwurf wird sodann vom Bundesrat, also von den Vertretern sämt¬ licher deutscheu Regierungen geprüft und nötigenfalls auch geändert. Dann gelangt der Entwurf an den Reichstag und unterliegt hier zunächst einer all¬ gemeinen Prüfung durch mehrere hundert Abgeordnete der allerverschiedensten Berufsstände und Lebensanschauungen; hierauf wird er in einem Ausschuß von (gewöhnlich einundzwanzig) zur Prüfung besonders befähigten Abgeordneten einer sehr eingehenden Besprechung unterzogen. Wenn der Entwurf nach so eingehenden Beratungen schließlich Gesetz wird, so kann man ruhig sage», daß die einzelnen Bestimmungen auf einer gerechten Würdigung und Abwägung der Interessen der Verhinderer wie auch der Versicherten beruhen. Die Gesell¬ schaften haben dann also keinen Anlaß, von den Bestimmungen des Gesetzes abzuweichen; daher kann der Gesetzgeber sie zu zwingenden, jeder Abänderung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/664>, abgerufen am 23.07.2024.