Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.Zur reichsgesetzlichen Regelung des versichernngsrechts macht, gar keine Schuld. Wird nun der Versicherte vom Blitzschlag betroffen, Die Gerechtigkeit verlangt, daß die Gesellschaft, die den Vorteil der Ge- Zur reichsgesetzlichen Regelung des versichernngsrechts macht, gar keine Schuld. Wird nun der Versicherte vom Blitzschlag betroffen, Die Gerechtigkeit verlangt, daß die Gesellschaft, die den Vorteil der Ge- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0663" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230349"/> <fw type="header" place="top"> Zur reichsgesetzlichen Regelung des versichernngsrechts</fw><lb/> <p xml:id="ID_2787" prev="#ID_2786"> macht, gar keine Schuld. Wird nun der Versicherte vom Blitzschlag betroffen,<lb/> so ist die Gesellschaft berechtigt, die Brandentschüdigung zu verweigern; denn<lb/> weil der Versicherte die Anzeige vom Einzug des Feuerwerkskünstlers oder vom<lb/> Bau der Schmiede unterließ, „ruht" die Versicherung, und dies hat zur Folge,<lb/> daß die Gesellschaft auch von der Tragung der Gefahr befreit ist, die schon<lb/> bei Abschluß des Vertrags bestanden hat! Und diese Folge tritt ein, obwohl<lb/> der Agent der Gesellschaft von jenen Veränderungen, die der Versicherte hatte<lb/> anzeigen sollen, Kenntnis hat!</p><lb/> <p xml:id="ID_2788" next="#ID_2789"> Die Gerechtigkeit verlangt, daß die Gesellschaft, die den Vorteil der Ge-<lb/> sahrvermindernng genießt, auch die Nachteile zufälliger Gefahrerhöhung trägt;<lb/> die Gesellschaft mag sich durch ihre Agenten von den für sie erheblichen Ver¬<lb/> änderungen überzeugen, und es mag für die Fälle nachträglich eingetretner<lb/> Gefahrserhöhung gesetzlich der Gesellschaft das Recht beigelegt werden, die<lb/> Versicherung zu kündigen, dies jedoch nur mit einer Frist von etwa zwei Mo¬<lb/> naten. Das in den „allgemeinen Bedingungen," wie oben erwähnt, der Gesell¬<lb/> schaft beigelegte Kündiguugsrecht mit einer Frist von zwei Wochen hat zur<lb/> Folge, daß sich der Versicherte entweder den von der Gesellschaft nunmehr<lb/> gestellten härtern Bedingungen fügen muß, oder daß er eine Zeit lang unver¬<lb/> hindert bleibt; denn in zwei Wochen kann er eine andre Versicherung nicht be¬<lb/> sorgen. Die oben erwähnte Bestimmung der „allgemeinen Bedingungen" ent¬<lb/> hält also in mehrfacher Beziehung eine ungerechtfertigte Benachteiligung der<lb/> Versicherte!?. Dasselbe gilt vou der Bestimmung in den „allgemeinen Be¬<lb/> dingungen," daß wenn die versicherten Gegenstände (abgesehen vom Erbgang)<lb/> ihren Eigentümer wechseln, die Versicherung gleichfalls ruht, bis die Gesell¬<lb/> schaft den ihr angezeigten Eigentumswechscl schriftlich genehmigt, und daß sie,<lb/> wenn sie dies nicht will, wieder mit zweiwöchiger Frist vom Vertrage zurück¬<lb/> treten kaun. Die Gesellschaft hat doch aber an der Person des Eigentümers<lb/> im allgemeine» gar kein Interesse; der Eigentumswechsel müßte also ein<lb/> ,.Ruhen" der Versicherung keinesfalls herbeiführen, sondern der Gesellschaft<lb/> allenfalls ein gesetzliches Kündigungsrecht geben, und zwar aus den oben an¬<lb/> gegebnen Gründen mit einer Frist von zwei Monaten. — Endlich ist in den<lb/> „allgemeinen Bedingungen" überall bestimmt, daß nach jedem Brande die<lb/> Gesellschaft berechtigt ist, den Vertrag gleichfalls mit zweiwöchiger Frist auf¬<lb/> zuheben. Auch hier müßte aus den angegebnen Gründen mindestens eine weil<lb/> geräumigere Frist gesetzlich festgesetzt werden; richtiger noch wäre es, das<lb/> Kündigungsrecht für diesen Fall überhaupt auszuschließen oder doch wesentlich<lb/> zu beschränken. Denn macht die Gesellschaft von diesem Kündignngsrecht Ge¬<lb/> brauch, so wirft sie hiermit auf den Versicherten den gehässigen Verdacht, daß<lb/> er zu dieser Kündigung durch eine ihm anläßlich des Brandes zur Last fallende<lb/> (aber nicht nachweisbare) Unlauterkeit Anlaß gegeben habe, wodurch sie ihm<lb/> eine andre Versicherung erschwert oder gar unmöglich macht. Die Interessen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0663]
Zur reichsgesetzlichen Regelung des versichernngsrechts
macht, gar keine Schuld. Wird nun der Versicherte vom Blitzschlag betroffen,
so ist die Gesellschaft berechtigt, die Brandentschüdigung zu verweigern; denn
weil der Versicherte die Anzeige vom Einzug des Feuerwerkskünstlers oder vom
Bau der Schmiede unterließ, „ruht" die Versicherung, und dies hat zur Folge,
daß die Gesellschaft auch von der Tragung der Gefahr befreit ist, die schon
bei Abschluß des Vertrags bestanden hat! Und diese Folge tritt ein, obwohl
der Agent der Gesellschaft von jenen Veränderungen, die der Versicherte hatte
anzeigen sollen, Kenntnis hat!
Die Gerechtigkeit verlangt, daß die Gesellschaft, die den Vorteil der Ge-
sahrvermindernng genießt, auch die Nachteile zufälliger Gefahrerhöhung trägt;
die Gesellschaft mag sich durch ihre Agenten von den für sie erheblichen Ver¬
änderungen überzeugen, und es mag für die Fälle nachträglich eingetretner
Gefahrserhöhung gesetzlich der Gesellschaft das Recht beigelegt werden, die
Versicherung zu kündigen, dies jedoch nur mit einer Frist von etwa zwei Mo¬
naten. Das in den „allgemeinen Bedingungen," wie oben erwähnt, der Gesell¬
schaft beigelegte Kündiguugsrecht mit einer Frist von zwei Wochen hat zur
Folge, daß sich der Versicherte entweder den von der Gesellschaft nunmehr
gestellten härtern Bedingungen fügen muß, oder daß er eine Zeit lang unver¬
hindert bleibt; denn in zwei Wochen kann er eine andre Versicherung nicht be¬
sorgen. Die oben erwähnte Bestimmung der „allgemeinen Bedingungen" ent¬
hält also in mehrfacher Beziehung eine ungerechtfertigte Benachteiligung der
Versicherte!?. Dasselbe gilt vou der Bestimmung in den „allgemeinen Be¬
dingungen," daß wenn die versicherten Gegenstände (abgesehen vom Erbgang)
ihren Eigentümer wechseln, die Versicherung gleichfalls ruht, bis die Gesell¬
schaft den ihr angezeigten Eigentumswechscl schriftlich genehmigt, und daß sie,
wenn sie dies nicht will, wieder mit zweiwöchiger Frist vom Vertrage zurück¬
treten kaun. Die Gesellschaft hat doch aber an der Person des Eigentümers
im allgemeine» gar kein Interesse; der Eigentumswechsel müßte also ein
,.Ruhen" der Versicherung keinesfalls herbeiführen, sondern der Gesellschaft
allenfalls ein gesetzliches Kündigungsrecht geben, und zwar aus den oben an¬
gegebnen Gründen mit einer Frist von zwei Monaten. — Endlich ist in den
„allgemeinen Bedingungen" überall bestimmt, daß nach jedem Brande die
Gesellschaft berechtigt ist, den Vertrag gleichfalls mit zweiwöchiger Frist auf¬
zuheben. Auch hier müßte aus den angegebnen Gründen mindestens eine weil
geräumigere Frist gesetzlich festgesetzt werden; richtiger noch wäre es, das
Kündigungsrecht für diesen Fall überhaupt auszuschließen oder doch wesentlich
zu beschränken. Denn macht die Gesellschaft von diesem Kündignngsrecht Ge¬
brauch, so wirft sie hiermit auf den Versicherten den gehässigen Verdacht, daß
er zu dieser Kündigung durch eine ihm anläßlich des Brandes zur Last fallende
(aber nicht nachweisbare) Unlauterkeit Anlaß gegeben habe, wodurch sie ihm
eine andre Versicherung erschwert oder gar unmöglich macht. Die Interessen
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