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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Schlacht bei Uhartum

dadurch, daß sie die ungleich kostspieligere Ausrüstung einer zweiten oder gar
dritten Expedition unnötig macht. Weiter soll nicht bestritten werden, daß
der Sirdar Kitchener wieöernm unter seinen Landsleuten durch ein ganz be¬
sondres Organisationstalent hervorragt. Die Hauptsache haben aber doch sein
zäher Wille und seine Rücksichtslosigkeit gethan: goldne Eigenschaften in seiner
Lage.

Vorbereitungen zu einem innerafrikanischen Kriegszuge verlangen dreierlei:
Zeit, Geld und Sicherheit gegen durchkreuzende Maßnahmen des Gegners.
An Zeit mangelte es nun den Engländern nicht. Zwischen der Schlacht am
Atbara (am 8. April 1898) und dem beabsichtigte" Vormarsch (Mitte August)
-- so beabsichtigt mit Rücksicht auf die Wasserverhältnisse des Nils -- lagen
volle fünf Monate. Und diese fünf Monate hatten nur zur Krönung des seit
zwei Jahren aufgeführten Gebäudes zu dienen. Mit Geld brauchte der Sirdar
uicht zu knauseru. Der Feind hatte sich nach der Niederlage am Atbara bis
hinter den sechsten Katarakt zurückgezogen. Nun ist in englischen Blättern mit
Stolz hervorgehoben und in deutscheu ist es wiederholt worden: welche Leistung,
eine Operationslinie von 214.0 Kilometern bis Khartum! Ja, wo setzen denn
die so schreibenden Strategen den Zirkel an? Im Mittelmeerhafen bei Alexandria!
Operationslinien aber beginnen doch erst an der dem Feinde zugekehrten Grenze
des eignen Landes, oder allenfalls bei den Magazinen im eignen Lande, die
für die Nachfuhr des in Frage kommenden Heeres hauptsächlich zu sorgen
haben. In den fünf Monaten der Ruhe war von Kitchener beim Atbarafvrt
(dort gelegen, wo der Atbara in den Nil mündet) Verpflegnngsmaterial auf
ein volles Vierteljahr für 25000 Manu und 3500 Pferde -- das Operations¬
korps war nicht ganz so stark -- zusammengebracht worden. Unsers Erachtens
ist daher das Atbarafvrt als die Basis der Unternehmung gegen Khartum an¬
zusehen. Dann aber schrumpft die Operationslinie etwa auf 250 Kilometer
zusammen. Um so eher darf dem Atbarafvrt diese Bedeutung beigemessen
werden, als von dort die Eisenbahn nach Wadi Halfa führte, zwischen Wadi
Halfa und Assuan eine regelmäßige Dampfschiffverbiudung bestand und von
Assuan nordwärts wieder die Eisenbahn für ergänzende Nachhilfe brauchbar
war. Dabei war die ganze Linie unbedingt sicher vor dem Feinde!

Ferner wurden die Operationen Kitcheners ganz besonders dadurch er¬
leichtert, daß der Nil sie begleitete: er lieferte Wasser und diente als Straße.
Auch der Landweg längs des Nils bot keine großen Schwierigkeiten. Wir
wüßten uns keiner innerafrikanischen Expedition zu erinnern, die -- namentlich
in Bezug auf die so wichtige Wasserversorgung -- unter gleichgünstigen Vor¬
bedingungen ausgeführt worden wäre. Aber die entsetzlichen Strapazen des
Vormarsches, von denen die englischen Blätter so Ergreifendes zu berichten
wußten? fragt der ungeduldige Leser. Gemach! Am 15. August 1898 erfolgte
der Aufbruch aus dem Lager an der Atbaramündnng, aber in der Weise, daß


Die Schlacht bei Uhartum

dadurch, daß sie die ungleich kostspieligere Ausrüstung einer zweiten oder gar
dritten Expedition unnötig macht. Weiter soll nicht bestritten werden, daß
der Sirdar Kitchener wieöernm unter seinen Landsleuten durch ein ganz be¬
sondres Organisationstalent hervorragt. Die Hauptsache haben aber doch sein
zäher Wille und seine Rücksichtslosigkeit gethan: goldne Eigenschaften in seiner
Lage.

Vorbereitungen zu einem innerafrikanischen Kriegszuge verlangen dreierlei:
Zeit, Geld und Sicherheit gegen durchkreuzende Maßnahmen des Gegners.
An Zeit mangelte es nun den Engländern nicht. Zwischen der Schlacht am
Atbara (am 8. April 1898) und dem beabsichtigte» Vormarsch (Mitte August)
— so beabsichtigt mit Rücksicht auf die Wasserverhältnisse des Nils — lagen
volle fünf Monate. Und diese fünf Monate hatten nur zur Krönung des seit
zwei Jahren aufgeführten Gebäudes zu dienen. Mit Geld brauchte der Sirdar
uicht zu knauseru. Der Feind hatte sich nach der Niederlage am Atbara bis
hinter den sechsten Katarakt zurückgezogen. Nun ist in englischen Blättern mit
Stolz hervorgehoben und in deutscheu ist es wiederholt worden: welche Leistung,
eine Operationslinie von 214.0 Kilometern bis Khartum! Ja, wo setzen denn
die so schreibenden Strategen den Zirkel an? Im Mittelmeerhafen bei Alexandria!
Operationslinien aber beginnen doch erst an der dem Feinde zugekehrten Grenze
des eignen Landes, oder allenfalls bei den Magazinen im eignen Lande, die
für die Nachfuhr des in Frage kommenden Heeres hauptsächlich zu sorgen
haben. In den fünf Monaten der Ruhe war von Kitchener beim Atbarafvrt
(dort gelegen, wo der Atbara in den Nil mündet) Verpflegnngsmaterial auf
ein volles Vierteljahr für 25000 Manu und 3500 Pferde — das Operations¬
korps war nicht ganz so stark — zusammengebracht worden. Unsers Erachtens
ist daher das Atbarafvrt als die Basis der Unternehmung gegen Khartum an¬
zusehen. Dann aber schrumpft die Operationslinie etwa auf 250 Kilometer
zusammen. Um so eher darf dem Atbarafvrt diese Bedeutung beigemessen
werden, als von dort die Eisenbahn nach Wadi Halfa führte, zwischen Wadi
Halfa und Assuan eine regelmäßige Dampfschiffverbiudung bestand und von
Assuan nordwärts wieder die Eisenbahn für ergänzende Nachhilfe brauchbar
war. Dabei war die ganze Linie unbedingt sicher vor dem Feinde!

Ferner wurden die Operationen Kitcheners ganz besonders dadurch er¬
leichtert, daß der Nil sie begleitete: er lieferte Wasser und diente als Straße.
Auch der Landweg längs des Nils bot keine großen Schwierigkeiten. Wir
wüßten uns keiner innerafrikanischen Expedition zu erinnern, die — namentlich
in Bezug auf die so wichtige Wasserversorgung — unter gleichgünstigen Vor¬
bedingungen ausgeführt worden wäre. Aber die entsetzlichen Strapazen des
Vormarsches, von denen die englischen Blätter so Ergreifendes zu berichten
wußten? fragt der ungeduldige Leser. Gemach! Am 15. August 1898 erfolgte
der Aufbruch aus dem Lager an der Atbaramündnng, aber in der Weise, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/578>, abgerufen am 23.07.2024.