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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Gobineaus Geschichtskonstruktion

Prozeß auf eine einzige Ursache zurückführt, so muß das Geschichtskonstruktion
genannt werden. Der vorliegende Band behandelt die Völker Asiens und des
nordöstlichen Afrikas. Um diese Geschichte der Ethnologie kritisieren zu können,
müßte man nicht allein durchgebildeter Ethnologe, sondern auch Archäologe,
Orientalist und verschiednes andre sein. Was die Männer von Fach zu den
einzelnen Aufstellungen sagen werden, darauf sind wir schon darum neugierig,
weil unsre heutigen Fachleute in dem vor sechsundvierzig Jahren geschriebnen
Werke gar nicht vorkommen, der Verfasser vielmehr sich nur auf die zu seiner
Zeit geltenden Autoritäten wie A. von Humboldt, Lassen, Ewald, Movers,
Prichard stützen konnte. Was an der Theorie wahr ist, das wird natürlich
durch den zu erwartenden Nachweis zahlreicher Irrtümer im einzelnen nicht
umgestoßen, aber da wir diesen Nachweis nicht selbst führen können, so müssen
wir uns auf die objektive Wiedergabe der Grundzüge dieser originellen Ge¬
schichte Asiens beschränken. Wenn wir dann noch eine Kritik einzelner Auf¬
stellungen Gobineans anfügen, so bezieht sich diese auf Punkte, über die auch
der historisch gebildete Laie mitsprechen kann; denn auch ein solcher vermag
hie und da zu erkennen, daß zu Gunsten der Rassentheorie ganz augenfällig
einwirkende Mitursachen vernachlässigt worden sind. Wir berichten also zu¬
nächst nur.

Afrika ist die Urheimat der schwarzen Rasse. Deren Eigentümliches ist
körperliche und seelische Häßlichkeit. Fratzen sind ihre Götter, Menschenfresserei
ist ihre Moral; unfähig, Kultur zu erzeugen, schweifen sie gleich wilden Tieren
ruhelos umher, sich blindlings ihren ungebändigten Trieben überlassend. Aus
Afrika haben sie sich über den ganzen Süden Asiens und über die asiatische
Inselwelt ergossen. Den edlern Stämmen erschienen sie als böse Dämonen
oder als Affen. spätestens fünftausend Jahre vor Christus stiegen von der
kalten Hochebne Mittelasiens die ersten Weißen in die Euphratebne hinab und
verbreiteten sich von da bis ans Mittelmeer. Die Urheimat dieser Arier läßt
sich nach den Angaben chinesischer Urkunden, die von Weißen Stämmen an den
Nordwestgrenzen Chinas berichten, und nach den im südlichen Sibirien ge-
fundnen taurischen Altertümern, die Erzeugnisse arischer Kultur sind, ziemlich
genau bestimmen; sie reichte im Norden bis an den Baikalsee und den Ober¬
lauf des Jenisei, im Osten bis zum Altai, wurde im Süden vom Kner-Lüu,
im Westen vom Ural begrenzt. Sie verstanden die Kunst der Metallförderung
und Bearbeitung; sie waren Hirten und beschäftigten sich wenig mit Ackerbau.
(So Seite 10; damit scheint einigermaßen im Widerspruch zu stehn, was
Seite 296 gesagt wird: "Es ist eine Thatsache, die nicht bewiesen zu werden
braucht, denn sie ist es übergenug, daß die weißen Völker immer seßhaft ge¬
wesen sind und ihre Wohnsitze stets nur zwangsweise verlassen haben"; Hirten¬
völker Pflegen nicht eben sehr seßhaft zu sein.) Nie haben sich die Weißen im
Zustande der Wildheit befunden. Das stimmt mit dem Zeugnisse der Bibel,


Gobineaus Geschichtskonstruktion

Prozeß auf eine einzige Ursache zurückführt, so muß das Geschichtskonstruktion
genannt werden. Der vorliegende Band behandelt die Völker Asiens und des
nordöstlichen Afrikas. Um diese Geschichte der Ethnologie kritisieren zu können,
müßte man nicht allein durchgebildeter Ethnologe, sondern auch Archäologe,
Orientalist und verschiednes andre sein. Was die Männer von Fach zu den
einzelnen Aufstellungen sagen werden, darauf sind wir schon darum neugierig,
weil unsre heutigen Fachleute in dem vor sechsundvierzig Jahren geschriebnen
Werke gar nicht vorkommen, der Verfasser vielmehr sich nur auf die zu seiner
Zeit geltenden Autoritäten wie A. von Humboldt, Lassen, Ewald, Movers,
Prichard stützen konnte. Was an der Theorie wahr ist, das wird natürlich
durch den zu erwartenden Nachweis zahlreicher Irrtümer im einzelnen nicht
umgestoßen, aber da wir diesen Nachweis nicht selbst führen können, so müssen
wir uns auf die objektive Wiedergabe der Grundzüge dieser originellen Ge¬
schichte Asiens beschränken. Wenn wir dann noch eine Kritik einzelner Auf¬
stellungen Gobineans anfügen, so bezieht sich diese auf Punkte, über die auch
der historisch gebildete Laie mitsprechen kann; denn auch ein solcher vermag
hie und da zu erkennen, daß zu Gunsten der Rassentheorie ganz augenfällig
einwirkende Mitursachen vernachlässigt worden sind. Wir berichten also zu¬
nächst nur.

Afrika ist die Urheimat der schwarzen Rasse. Deren Eigentümliches ist
körperliche und seelische Häßlichkeit. Fratzen sind ihre Götter, Menschenfresserei
ist ihre Moral; unfähig, Kultur zu erzeugen, schweifen sie gleich wilden Tieren
ruhelos umher, sich blindlings ihren ungebändigten Trieben überlassend. Aus
Afrika haben sie sich über den ganzen Süden Asiens und über die asiatische
Inselwelt ergossen. Den edlern Stämmen erschienen sie als böse Dämonen
oder als Affen. spätestens fünftausend Jahre vor Christus stiegen von der
kalten Hochebne Mittelasiens die ersten Weißen in die Euphratebne hinab und
verbreiteten sich von da bis ans Mittelmeer. Die Urheimat dieser Arier läßt
sich nach den Angaben chinesischer Urkunden, die von Weißen Stämmen an den
Nordwestgrenzen Chinas berichten, und nach den im südlichen Sibirien ge-
fundnen taurischen Altertümern, die Erzeugnisse arischer Kultur sind, ziemlich
genau bestimmen; sie reichte im Norden bis an den Baikalsee und den Ober¬
lauf des Jenisei, im Osten bis zum Altai, wurde im Süden vom Kner-Lüu,
im Westen vom Ural begrenzt. Sie verstanden die Kunst der Metallförderung
und Bearbeitung; sie waren Hirten und beschäftigten sich wenig mit Ackerbau.
(So Seite 10; damit scheint einigermaßen im Widerspruch zu stehn, was
Seite 296 gesagt wird: „Es ist eine Thatsache, die nicht bewiesen zu werden
braucht, denn sie ist es übergenug, daß die weißen Völker immer seßhaft ge¬
wesen sind und ihre Wohnsitze stets nur zwangsweise verlassen haben"; Hirten¬
völker Pflegen nicht eben sehr seßhaft zu sein.) Nie haben sich die Weißen im
Zustande der Wildheit befunden. Das stimmt mit dem Zeugnisse der Bibel,


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[0532] Gobineaus Geschichtskonstruktion Prozeß auf eine einzige Ursache zurückführt, so muß das Geschichtskonstruktion genannt werden. Der vorliegende Band behandelt die Völker Asiens und des nordöstlichen Afrikas. Um diese Geschichte der Ethnologie kritisieren zu können, müßte man nicht allein durchgebildeter Ethnologe, sondern auch Archäologe, Orientalist und verschiednes andre sein. Was die Männer von Fach zu den einzelnen Aufstellungen sagen werden, darauf sind wir schon darum neugierig, weil unsre heutigen Fachleute in dem vor sechsundvierzig Jahren geschriebnen Werke gar nicht vorkommen, der Verfasser vielmehr sich nur auf die zu seiner Zeit geltenden Autoritäten wie A. von Humboldt, Lassen, Ewald, Movers, Prichard stützen konnte. Was an der Theorie wahr ist, das wird natürlich durch den zu erwartenden Nachweis zahlreicher Irrtümer im einzelnen nicht umgestoßen, aber da wir diesen Nachweis nicht selbst führen können, so müssen wir uns auf die objektive Wiedergabe der Grundzüge dieser originellen Ge¬ schichte Asiens beschränken. Wenn wir dann noch eine Kritik einzelner Auf¬ stellungen Gobineans anfügen, so bezieht sich diese auf Punkte, über die auch der historisch gebildete Laie mitsprechen kann; denn auch ein solcher vermag hie und da zu erkennen, daß zu Gunsten der Rassentheorie ganz augenfällig einwirkende Mitursachen vernachlässigt worden sind. Wir berichten also zu¬ nächst nur. Afrika ist die Urheimat der schwarzen Rasse. Deren Eigentümliches ist körperliche und seelische Häßlichkeit. Fratzen sind ihre Götter, Menschenfresserei ist ihre Moral; unfähig, Kultur zu erzeugen, schweifen sie gleich wilden Tieren ruhelos umher, sich blindlings ihren ungebändigten Trieben überlassend. Aus Afrika haben sie sich über den ganzen Süden Asiens und über die asiatische Inselwelt ergossen. Den edlern Stämmen erschienen sie als böse Dämonen oder als Affen. spätestens fünftausend Jahre vor Christus stiegen von der kalten Hochebne Mittelasiens die ersten Weißen in die Euphratebne hinab und verbreiteten sich von da bis ans Mittelmeer. Die Urheimat dieser Arier läßt sich nach den Angaben chinesischer Urkunden, die von Weißen Stämmen an den Nordwestgrenzen Chinas berichten, und nach den im südlichen Sibirien ge- fundnen taurischen Altertümern, die Erzeugnisse arischer Kultur sind, ziemlich genau bestimmen; sie reichte im Norden bis an den Baikalsee und den Ober¬ lauf des Jenisei, im Osten bis zum Altai, wurde im Süden vom Kner-Lüu, im Westen vom Ural begrenzt. Sie verstanden die Kunst der Metallförderung und Bearbeitung; sie waren Hirten und beschäftigten sich wenig mit Ackerbau. (So Seite 10; damit scheint einigermaßen im Widerspruch zu stehn, was Seite 296 gesagt wird: „Es ist eine Thatsache, die nicht bewiesen zu werden braucht, denn sie ist es übergenug, daß die weißen Völker immer seßhaft ge¬ wesen sind und ihre Wohnsitze stets nur zwangsweise verlassen haben"; Hirten¬ völker Pflegen nicht eben sehr seßhaft zu sein.) Nie haben sich die Weißen im Zustande der Wildheit befunden. Das stimmt mit dem Zeugnisse der Bibel,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/532>, abgerufen am 03.07.2024.