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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Bedarf Deutschland einer Vergrößerung seines kolonialen Besitzstandes?
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in Amerika..............S491401 glu 7133152
.Kanada, New-Foundland mit Ostlabrndor, Bermuda-
Jnseln, West-Indien, Britisch-Honduras, Britisch-
Guyana, FaMand-Jnseln, Süd-Georgia.
in Afrika..........., , , , 4512062 " 33380905
Knpkolonic, Natal und Zululand, Brit. Südmestafrika,
Walfischbay, Bctschunnenland, Sambesigebiet, Brit.
Zentrnlafrika, Niger-Gebiet, Sierra-Leone, Gambia,
Goldküste, Lagos, Se. Helena, Ascension, Tristan
da Cunha, AiauritiuS mit Dependciizen, Solola,
Brit. Ostafrika, Uganda, Soinalikiiste, Sansibar mit
Pemba und Lnmu>
in Australien und Ozeanien......."240001 " 5111278
Ausdruk, Kolonien, Brit. Neuguinea mit Dependenzen,

Gegenüber den gewaltigen Zahlen Großbritanniens und Rußlands ver¬
schwindet Deutschlands Kolonialbesitz völlig; aber er verschwindet auch selbst hinter
dem französische" Besitze. Ausschlaggebend ist jedoch, daß unsre Besitzungen
in Afrika und in der Südsee wegen ihrer klimatischen Verhältnisse nicht recht
geeignet sind, unsern Vevölkerungsüberschnß aufzunehmen. Der auswandernde
Engländer findet im Kapland, in Australien oder Kanada, der Franzose in
Algier oder Tunis, der Nüsse in Sibirien oder Kaukasien und Transkaspien
Himmelsstriche, in deuen der Europäer ohne Nachteil für seine Gesundheit
leben kann, er findet aber außerdem auch sein altes Volkstum wieder: die
Sprache und die Gewohnheiten der Volksgenossen seines engern Heimatlandes.
Deutschlands Bevölkcruugsüberschuß muß jedoch nach wie vor größtenteils im
fremden Auslande Unterkunft suchen. Dort geht er nach Generationen für
unser Volkstum verloren. "Deutschland hat seit 1320 in den nordamerika¬
nischen Abgrund sechs Millionen Menschen geschüttet" (Reclus). Es muß aber
das Bestreben einer weitausschaucnden Politik sein, uns diesen Bevölkerungs-
nberschuß auch draußen in der weiten Welt zu erhalten. Treffend sagt
Treitschke: "Jene Kolonisation, die das einheitliche Volkstum erhält, ist für
die Zukunft der Welt ein Faktor von ungeheurer Bedeutung geworden. Von
ihr wird es abhängen, in welchem Maße jedes Volk an der Beherrschung der
Welt durch die Weiße Rasse teilnehmen wird. Es ist sehr gut denkbar, daß
einmal ein Land, das keine Kolonien hat, gar nicht mehr zu den europäischen
Großmächten zählen wird, so mächtig es auch sonst sein mag."

Deutschland ist, wie Dr. Paul Voigt in seiner Schrift "Deutschland und
der Weltmarkt" eingehend dargelegt hat. ein Industriestaat geworden. Von
seiner rund 54 Millionen zählenden Gesamtbevölkerung gehören schon über
20 Millionen Menschen, rund 40 Prozent zur Jndnstriebevölkerung, dagegen
nur uoch etwa 35 Prozent zur agrarischen Bevölkerung. Die deutsche land-
und forstwirtschaftliche Produktion liefert nur uoch drei Viertel des Total-


Bedarf Deutschland einer Vergrößerung seines kolonialen Besitzstandes?
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Knpkolonic, Natal und Zululand, Brit. Südmestafrika,
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Gegenüber den gewaltigen Zahlen Großbritanniens und Rußlands ver¬
schwindet Deutschlands Kolonialbesitz völlig; aber er verschwindet auch selbst hinter
dem französische» Besitze. Ausschlaggebend ist jedoch, daß unsre Besitzungen
in Afrika und in der Südsee wegen ihrer klimatischen Verhältnisse nicht recht
geeignet sind, unsern Vevölkerungsüberschnß aufzunehmen. Der auswandernde
Engländer findet im Kapland, in Australien oder Kanada, der Franzose in
Algier oder Tunis, der Nüsse in Sibirien oder Kaukasien und Transkaspien
Himmelsstriche, in deuen der Europäer ohne Nachteil für seine Gesundheit
leben kann, er findet aber außerdem auch sein altes Volkstum wieder: die
Sprache und die Gewohnheiten der Volksgenossen seines engern Heimatlandes.
Deutschlands Bevölkcruugsüberschuß muß jedoch nach wie vor größtenteils im
fremden Auslande Unterkunft suchen. Dort geht er nach Generationen für
unser Volkstum verloren. „Deutschland hat seit 1320 in den nordamerika¬
nischen Abgrund sechs Millionen Menschen geschüttet" (Reclus). Es muß aber
das Bestreben einer weitausschaucnden Politik sein, uns diesen Bevölkerungs-
nberschuß auch draußen in der weiten Welt zu erhalten. Treffend sagt
Treitschke: „Jene Kolonisation, die das einheitliche Volkstum erhält, ist für
die Zukunft der Welt ein Faktor von ungeheurer Bedeutung geworden. Von
ihr wird es abhängen, in welchem Maße jedes Volk an der Beherrschung der
Welt durch die Weiße Rasse teilnehmen wird. Es ist sehr gut denkbar, daß
einmal ein Land, das keine Kolonien hat, gar nicht mehr zu den europäischen
Großmächten zählen wird, so mächtig es auch sonst sein mag."

Deutschland ist, wie Dr. Paul Voigt in seiner Schrift „Deutschland und
der Weltmarkt" eingehend dargelegt hat. ein Industriestaat geworden. Von
seiner rund 54 Millionen zählenden Gesamtbevölkerung gehören schon über
20 Millionen Menschen, rund 40 Prozent zur Jndnstriebevölkerung, dagegen
nur uoch etwa 35 Prozent zur agrarischen Bevölkerung. Die deutsche land-
und forstwirtschaftliche Produktion liefert nur uoch drei Viertel des Total-


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[0413] Bedarf Deutschland einer Vergrößerung seines kolonialen Besitzstandes? Mcheninhalt Vi'völlcrmui in Amerika..............S491401 glu 7133152 .Kanada, New-Foundland mit Ostlabrndor, Bermuda- Jnseln, West-Indien, Britisch-Honduras, Britisch- Guyana, FaMand-Jnseln, Süd-Georgia. in Afrika..........., , , , 4512062 „ 33380905 Knpkolonic, Natal und Zululand, Brit. Südmestafrika, Walfischbay, Bctschunnenland, Sambesigebiet, Brit. Zentrnlafrika, Niger-Gebiet, Sierra-Leone, Gambia, Goldküste, Lagos, Se. Helena, Ascension, Tristan da Cunha, AiauritiuS mit Dependciizen, Solola, Brit. Ostafrika, Uganda, Soinalikiiste, Sansibar mit Pemba und Lnmu> in Australien und Ozeanien.......«240001 „ 5111278 Ausdruk, Kolonien, Brit. Neuguinea mit Dependenzen, Gegenüber den gewaltigen Zahlen Großbritanniens und Rußlands ver¬ schwindet Deutschlands Kolonialbesitz völlig; aber er verschwindet auch selbst hinter dem französische» Besitze. Ausschlaggebend ist jedoch, daß unsre Besitzungen in Afrika und in der Südsee wegen ihrer klimatischen Verhältnisse nicht recht geeignet sind, unsern Vevölkerungsüberschnß aufzunehmen. Der auswandernde Engländer findet im Kapland, in Australien oder Kanada, der Franzose in Algier oder Tunis, der Nüsse in Sibirien oder Kaukasien und Transkaspien Himmelsstriche, in deuen der Europäer ohne Nachteil für seine Gesundheit leben kann, er findet aber außerdem auch sein altes Volkstum wieder: die Sprache und die Gewohnheiten der Volksgenossen seines engern Heimatlandes. Deutschlands Bevölkcruugsüberschuß muß jedoch nach wie vor größtenteils im fremden Auslande Unterkunft suchen. Dort geht er nach Generationen für unser Volkstum verloren. „Deutschland hat seit 1320 in den nordamerika¬ nischen Abgrund sechs Millionen Menschen geschüttet" (Reclus). Es muß aber das Bestreben einer weitausschaucnden Politik sein, uns diesen Bevölkerungs- nberschuß auch draußen in der weiten Welt zu erhalten. Treffend sagt Treitschke: „Jene Kolonisation, die das einheitliche Volkstum erhält, ist für die Zukunft der Welt ein Faktor von ungeheurer Bedeutung geworden. Von ihr wird es abhängen, in welchem Maße jedes Volk an der Beherrschung der Welt durch die Weiße Rasse teilnehmen wird. Es ist sehr gut denkbar, daß einmal ein Land, das keine Kolonien hat, gar nicht mehr zu den europäischen Großmächten zählen wird, so mächtig es auch sonst sein mag." Deutschland ist, wie Dr. Paul Voigt in seiner Schrift „Deutschland und der Weltmarkt" eingehend dargelegt hat. ein Industriestaat geworden. Von seiner rund 54 Millionen zählenden Gesamtbevölkerung gehören schon über 20 Millionen Menschen, rund 40 Prozent zur Jndnstriebevölkerung, dagegen nur uoch etwa 35 Prozent zur agrarischen Bevölkerung. Die deutsche land- und forstwirtschaftliche Produktion liefert nur uoch drei Viertel des Total-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/413>, abgerufen am 23.07.2024.