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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Aur Reform des Personentarifs der preußischen Eisenbahnen

die zeitliche Beschränkung der Giltigkeit? -- Der Vollständigkeit wegen sei
übrigens noch erwähnt, daß es für gewisse Reisegebiete, z. B. den Harz, auch
Sommerkarten mit kürzerer Giltigkeit giebt, teils mit, teils ohne Frcigepück-
gewährung. Und wenn man in dem großen Kursbuche aus dem Verzeichnis
der Rundreisehefte und Sommerkarten eine passende Reisekombination heraus¬
suchen will, so hat man mit der Wahl eine unsägliche Qual, und man fragt
sich immer wieder: Warum denn alle diese Umstände? Wenn man von der
Regel der Normalfahrpreise so viele Ausnahmen macht, warum ändert man
da nicht lieber gleich die ganze Regel?

Ja, warum? Immer wieder drängt sich diese Frage auf. Warum giebt
es Fahrpreisermäßigungen nur bei Rückfahrten und Rundreisen? Warum
haben die Rückfahrkarten eine beschränkte Giltigkeitsdauer? Warum ist die
Giltigkeitsdauer verschieden? Warum giebt es bei zusammengestellten Fahr¬
scheinheften kein Freigepäck? Warum kann nicht jede beliebige Eisenbahnstrecke
als Teilstrecke in ein solches Heft aufgenommen werden? Warum dürfen die
Fahrscheine in zusammengestellten und in festen Rundreiseheften nur in der
gegebnen Reihenfolge vor- oder rückwärts abgefahren werde"? Warum giebt
es Sommerkarten mit verschiedner Giltigkeitsdauer, mit und ohne Freigepäck?
Warum werden Sommerkarten nur von bestimmten Stationen, nicht von jeder
Station aus ausgegeben? Warum sind Unterbrechungen der Fahrt bei Be¬
nutzung von Fahrscheinheften jeder Art auf jeder Station, bei andern Fahrt¬
ausweisen nur je einmal auf der Hin- und auf der Rückreise zulässig? Warum?
Warum? Warum? Ja, wer darauf zu antworte" wüßte! Ich meine, weil
bei der allmählichen Entwicklung der Bestimmungen über die Personenbeför¬
derung der weite Gesichtskreis gefehlt hat. Ein Eisenbahnsachverständiger
würde vielleicht betriebstechnische Gründe anführen, und sie mögen für viele
der angefochtnen Bestimmungen maßgebend sein; für alle sind sie es gewiß
nicht, und für das Prinzip, das all den zahlreichen Ausnahmebestimmungen
zu Grunde liegt, wenn ein Prinzip überhaupt vorhanden ist, am allerwenigste".
Ich sage, wenn ein solches überhaupt vorhanden ist, den" ich vermag in der
That trotz jahrelangen Nachdenkens kein Prinzip zu erkennen, wenigstens keins,
das auf einem vernünftigen Grunde ruhte.

Es scheint ja allerdings, daß Fahrpreisermäßigungen grundsätzlich ge¬
wahrt werden, wenn der Reisende innerhalb einer gewissen Frist an den Aus¬
gangsort der Reise zurückkehrt. Aber warum das? Giebt es dafür einen
betriebstechnischen Grund? Der Unistand, daß die Rückfahrkarte den Beamten
der Kartenausgabe nur einmal in Anspruch nimmt, während sonst mindestens
zwei, vielleicht auch mehr Fahrkarten gekauft werden müßten, kann doch un¬
möglich so schwer wiegen, daß man daraufhin 25 Prozent Rabatt gewährt.
Und Macht die Zusammenstellung der Fahrscheinhefte, das Herstellen und
Bereithalteu der verschiednen Rückfahrkarten, der Sommerkarten, die Kontrolle


Aur Reform des Personentarifs der preußischen Eisenbahnen

die zeitliche Beschränkung der Giltigkeit? — Der Vollständigkeit wegen sei
übrigens noch erwähnt, daß es für gewisse Reisegebiete, z. B. den Harz, auch
Sommerkarten mit kürzerer Giltigkeit giebt, teils mit, teils ohne Frcigepück-
gewährung. Und wenn man in dem großen Kursbuche aus dem Verzeichnis
der Rundreisehefte und Sommerkarten eine passende Reisekombination heraus¬
suchen will, so hat man mit der Wahl eine unsägliche Qual, und man fragt
sich immer wieder: Warum denn alle diese Umstände? Wenn man von der
Regel der Normalfahrpreise so viele Ausnahmen macht, warum ändert man
da nicht lieber gleich die ganze Regel?

Ja, warum? Immer wieder drängt sich diese Frage auf. Warum giebt
es Fahrpreisermäßigungen nur bei Rückfahrten und Rundreisen? Warum
haben die Rückfahrkarten eine beschränkte Giltigkeitsdauer? Warum ist die
Giltigkeitsdauer verschieden? Warum giebt es bei zusammengestellten Fahr¬
scheinheften kein Freigepäck? Warum kann nicht jede beliebige Eisenbahnstrecke
als Teilstrecke in ein solches Heft aufgenommen werden? Warum dürfen die
Fahrscheine in zusammengestellten und in festen Rundreiseheften nur in der
gegebnen Reihenfolge vor- oder rückwärts abgefahren werde»? Warum giebt
es Sommerkarten mit verschiedner Giltigkeitsdauer, mit und ohne Freigepäck?
Warum werden Sommerkarten nur von bestimmten Stationen, nicht von jeder
Station aus ausgegeben? Warum sind Unterbrechungen der Fahrt bei Be¬
nutzung von Fahrscheinheften jeder Art auf jeder Station, bei andern Fahrt¬
ausweisen nur je einmal auf der Hin- und auf der Rückreise zulässig? Warum?
Warum? Warum? Ja, wer darauf zu antworte» wüßte! Ich meine, weil
bei der allmählichen Entwicklung der Bestimmungen über die Personenbeför¬
derung der weite Gesichtskreis gefehlt hat. Ein Eisenbahnsachverständiger
würde vielleicht betriebstechnische Gründe anführen, und sie mögen für viele
der angefochtnen Bestimmungen maßgebend sein; für alle sind sie es gewiß
nicht, und für das Prinzip, das all den zahlreichen Ausnahmebestimmungen
zu Grunde liegt, wenn ein Prinzip überhaupt vorhanden ist, am allerwenigste».
Ich sage, wenn ein solches überhaupt vorhanden ist, den» ich vermag in der
That trotz jahrelangen Nachdenkens kein Prinzip zu erkennen, wenigstens keins,
das auf einem vernünftigen Grunde ruhte.

Es scheint ja allerdings, daß Fahrpreisermäßigungen grundsätzlich ge¬
wahrt werden, wenn der Reisende innerhalb einer gewissen Frist an den Aus¬
gangsort der Reise zurückkehrt. Aber warum das? Giebt es dafür einen
betriebstechnischen Grund? Der Unistand, daß die Rückfahrkarte den Beamten
der Kartenausgabe nur einmal in Anspruch nimmt, während sonst mindestens
zwei, vielleicht auch mehr Fahrkarten gekauft werden müßten, kann doch un¬
möglich so schwer wiegen, daß man daraufhin 25 Prozent Rabatt gewährt.
Und Macht die Zusammenstellung der Fahrscheinhefte, das Herstellen und
Bereithalteu der verschiednen Rückfahrkarten, der Sommerkarten, die Kontrolle


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[0374] Aur Reform des Personentarifs der preußischen Eisenbahnen die zeitliche Beschränkung der Giltigkeit? — Der Vollständigkeit wegen sei übrigens noch erwähnt, daß es für gewisse Reisegebiete, z. B. den Harz, auch Sommerkarten mit kürzerer Giltigkeit giebt, teils mit, teils ohne Frcigepück- gewährung. Und wenn man in dem großen Kursbuche aus dem Verzeichnis der Rundreisehefte und Sommerkarten eine passende Reisekombination heraus¬ suchen will, so hat man mit der Wahl eine unsägliche Qual, und man fragt sich immer wieder: Warum denn alle diese Umstände? Wenn man von der Regel der Normalfahrpreise so viele Ausnahmen macht, warum ändert man da nicht lieber gleich die ganze Regel? Ja, warum? Immer wieder drängt sich diese Frage auf. Warum giebt es Fahrpreisermäßigungen nur bei Rückfahrten und Rundreisen? Warum haben die Rückfahrkarten eine beschränkte Giltigkeitsdauer? Warum ist die Giltigkeitsdauer verschieden? Warum giebt es bei zusammengestellten Fahr¬ scheinheften kein Freigepäck? Warum kann nicht jede beliebige Eisenbahnstrecke als Teilstrecke in ein solches Heft aufgenommen werden? Warum dürfen die Fahrscheine in zusammengestellten und in festen Rundreiseheften nur in der gegebnen Reihenfolge vor- oder rückwärts abgefahren werde»? Warum giebt es Sommerkarten mit verschiedner Giltigkeitsdauer, mit und ohne Freigepäck? Warum werden Sommerkarten nur von bestimmten Stationen, nicht von jeder Station aus ausgegeben? Warum sind Unterbrechungen der Fahrt bei Be¬ nutzung von Fahrscheinheften jeder Art auf jeder Station, bei andern Fahrt¬ ausweisen nur je einmal auf der Hin- und auf der Rückreise zulässig? Warum? Warum? Warum? Ja, wer darauf zu antworte» wüßte! Ich meine, weil bei der allmählichen Entwicklung der Bestimmungen über die Personenbeför¬ derung der weite Gesichtskreis gefehlt hat. Ein Eisenbahnsachverständiger würde vielleicht betriebstechnische Gründe anführen, und sie mögen für viele der angefochtnen Bestimmungen maßgebend sein; für alle sind sie es gewiß nicht, und für das Prinzip, das all den zahlreichen Ausnahmebestimmungen zu Grunde liegt, wenn ein Prinzip überhaupt vorhanden ist, am allerwenigste». Ich sage, wenn ein solches überhaupt vorhanden ist, den» ich vermag in der That trotz jahrelangen Nachdenkens kein Prinzip zu erkennen, wenigstens keins, das auf einem vernünftigen Grunde ruhte. Es scheint ja allerdings, daß Fahrpreisermäßigungen grundsätzlich ge¬ wahrt werden, wenn der Reisende innerhalb einer gewissen Frist an den Aus¬ gangsort der Reise zurückkehrt. Aber warum das? Giebt es dafür einen betriebstechnischen Grund? Der Unistand, daß die Rückfahrkarte den Beamten der Kartenausgabe nur einmal in Anspruch nimmt, während sonst mindestens zwei, vielleicht auch mehr Fahrkarten gekauft werden müßten, kann doch un¬ möglich so schwer wiegen, daß man daraufhin 25 Prozent Rabatt gewährt. Und Macht die Zusammenstellung der Fahrscheinhefte, das Herstellen und Bereithalteu der verschiednen Rückfahrkarten, der Sommerkarten, die Kontrolle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/374>, abgerufen am 23.07.2024.