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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Zur Reform des Personentarifs der preußischen Eisenbahnen

Station aus einen Abstecher zu Fuß unternehmen oder einen Freund besuchen
und zu diesem Zwecke eine" Zug überspringen, so muß er die Handgepnckstücke
in Verwahrung geben, was wieder kleine Beträge kostet, die im Laufe der
Reise zu ganz erklecklichen Summen anwachsen, wahrend er aufgegebucs Frei-
gepäck ruhig bis an die Station voraus gehen lassen könnte, wo er Aufenthalt
nehmen will. Auch auf diese Ausgaben muß bei der Prüfung der Frage, ob
Fahrscheinheft oder nicht, Rücksicht genommen werden.

Besser daran ist mit der Gepäckbeförderung, wer auf ein "Rundrcischeft
für bestimmte feste Rundreisen" reist; dem kommt die gewöhnliche Gepäckfreiheit
zu gute. Warum nicht auch dem Inhaber eines zusammenstellbaren Fahrschein¬
heftes? Auch hinsichtlich der Lösung sind die Nundreisehefte etwas bequemer,
denn sie liegen bei gewissen Stationen zum Verkauf aus; aber ihr Fehler ist,
daß sie den Reiseweg von vornherein vorschreiben und deshalb uur in gewisser
Einschränkung benutzt werden können, nämlich nur von denen, denen gerade
mit einer der feststehenden Rundreisen gedient ist. Mit den zusammenstellbaren
Fahrscheinheften haben sie den Mangel gemein, daß eine Änderung des Reise¬
plans nicht erlaubt ist. Man trifft unterwegs irgendwo gute Bekannte,
die nahezu dieselbe Reise machen, nur in andrer Reihenfolge der einzelnen
Fahrscheinstrecken; man möchte, um ihre Gesellschaft zu genießen, seinen Reise-
plan ein wenig ändern, einen Ort vor dem andern aufsuchen -- Freunde oder
Verwandte, bei denen man sich einige Tage aufhalte" will, schreiben einem,
daß sie in der angegebnen Zeit selber verreist sind oder andern Besuch haben,
und bitten, man möchte vierzehn Tage später kommen: es,geht nicht, dein
Reiseweg ist dir vorgeschrieben, und jede Abweichung macht wenigstens einen
deiner Fahrscheine ungiltig.

Am günstigsten ist noch die Benutzung der sogenannten Sommerkarten nach
Badeorten, die die Bedeutung von Rückfahrkarten mit mehrwöchiger Giltigkeit
haben und meistens zur Mitnahme von Freigepäck berechtigen. Auch verdient
Anerkennung, daß zu den Ausgangsstationen sowohl der festen Rundreisehefte
als auch der Sommerkarten sogenannte Anschlnßrückfahrkarten mit gleicher
Giltigkeitsdauer ausgegeben werden. Aber man sieht nicht ein, warum man
die Sommerkarten nicht von jeder Station aus erhalten kann, was für den
Reisenden unter allen Umständen bequemer wäre. Auch die zeitliche Be¬
schränkung der Giltigkeitsdauer der Svmmerkarten wie der Rundreise- und
der andern Fahrscheinhefte ist oft eine Quelle von Verdruß. Wie oft mögen
solche Fahrtausweise verfallen, weil unbesiegbare Hindernisse, z. B. schwere
Erkrankung, den Inhaber zwingen, den Reiseaufeuthalt über den Verfalltag
hinaus auszudehnen? Nun ist es mir wohl bekannt, daß die Eisenbahn¬
verwaltung für nicht benutzte Rückfahrkarten ausnahmsweise aus Billigkeits¬
gründen den Schaden vergütet. Ob auch für andre Karten und Hefte, weiß
ich nicht. Kann sie es auf Antrag ohne Schaden thun, warum dann überhaupt


Zur Reform des Personentarifs der preußischen Eisenbahnen

Station aus einen Abstecher zu Fuß unternehmen oder einen Freund besuchen
und zu diesem Zwecke eine« Zug überspringen, so muß er die Handgepnckstücke
in Verwahrung geben, was wieder kleine Beträge kostet, die im Laufe der
Reise zu ganz erklecklichen Summen anwachsen, wahrend er aufgegebucs Frei-
gepäck ruhig bis an die Station voraus gehen lassen könnte, wo er Aufenthalt
nehmen will. Auch auf diese Ausgaben muß bei der Prüfung der Frage, ob
Fahrscheinheft oder nicht, Rücksicht genommen werden.

Besser daran ist mit der Gepäckbeförderung, wer auf ein „Rundrcischeft
für bestimmte feste Rundreisen" reist; dem kommt die gewöhnliche Gepäckfreiheit
zu gute. Warum nicht auch dem Inhaber eines zusammenstellbaren Fahrschein¬
heftes? Auch hinsichtlich der Lösung sind die Nundreisehefte etwas bequemer,
denn sie liegen bei gewissen Stationen zum Verkauf aus; aber ihr Fehler ist,
daß sie den Reiseweg von vornherein vorschreiben und deshalb uur in gewisser
Einschränkung benutzt werden können, nämlich nur von denen, denen gerade
mit einer der feststehenden Rundreisen gedient ist. Mit den zusammenstellbaren
Fahrscheinheften haben sie den Mangel gemein, daß eine Änderung des Reise¬
plans nicht erlaubt ist. Man trifft unterwegs irgendwo gute Bekannte,
die nahezu dieselbe Reise machen, nur in andrer Reihenfolge der einzelnen
Fahrscheinstrecken; man möchte, um ihre Gesellschaft zu genießen, seinen Reise-
plan ein wenig ändern, einen Ort vor dem andern aufsuchen — Freunde oder
Verwandte, bei denen man sich einige Tage aufhalte» will, schreiben einem,
daß sie in der angegebnen Zeit selber verreist sind oder andern Besuch haben,
und bitten, man möchte vierzehn Tage später kommen: es,geht nicht, dein
Reiseweg ist dir vorgeschrieben, und jede Abweichung macht wenigstens einen
deiner Fahrscheine ungiltig.

Am günstigsten ist noch die Benutzung der sogenannten Sommerkarten nach
Badeorten, die die Bedeutung von Rückfahrkarten mit mehrwöchiger Giltigkeit
haben und meistens zur Mitnahme von Freigepäck berechtigen. Auch verdient
Anerkennung, daß zu den Ausgangsstationen sowohl der festen Rundreisehefte
als auch der Sommerkarten sogenannte Anschlnßrückfahrkarten mit gleicher
Giltigkeitsdauer ausgegeben werden. Aber man sieht nicht ein, warum man
die Sommerkarten nicht von jeder Station aus erhalten kann, was für den
Reisenden unter allen Umständen bequemer wäre. Auch die zeitliche Be¬
schränkung der Giltigkeitsdauer der Svmmerkarten wie der Rundreise- und
der andern Fahrscheinhefte ist oft eine Quelle von Verdruß. Wie oft mögen
solche Fahrtausweise verfallen, weil unbesiegbare Hindernisse, z. B. schwere
Erkrankung, den Inhaber zwingen, den Reiseaufeuthalt über den Verfalltag
hinaus auszudehnen? Nun ist es mir wohl bekannt, daß die Eisenbahn¬
verwaltung für nicht benutzte Rückfahrkarten ausnahmsweise aus Billigkeits¬
gründen den Schaden vergütet. Ob auch für andre Karten und Hefte, weiß
ich nicht. Kann sie es auf Antrag ohne Schaden thun, warum dann überhaupt


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[0373] Zur Reform des Personentarifs der preußischen Eisenbahnen Station aus einen Abstecher zu Fuß unternehmen oder einen Freund besuchen und zu diesem Zwecke eine« Zug überspringen, so muß er die Handgepnckstücke in Verwahrung geben, was wieder kleine Beträge kostet, die im Laufe der Reise zu ganz erklecklichen Summen anwachsen, wahrend er aufgegebucs Frei- gepäck ruhig bis an die Station voraus gehen lassen könnte, wo er Aufenthalt nehmen will. Auch auf diese Ausgaben muß bei der Prüfung der Frage, ob Fahrscheinheft oder nicht, Rücksicht genommen werden. Besser daran ist mit der Gepäckbeförderung, wer auf ein „Rundrcischeft für bestimmte feste Rundreisen" reist; dem kommt die gewöhnliche Gepäckfreiheit zu gute. Warum nicht auch dem Inhaber eines zusammenstellbaren Fahrschein¬ heftes? Auch hinsichtlich der Lösung sind die Nundreisehefte etwas bequemer, denn sie liegen bei gewissen Stationen zum Verkauf aus; aber ihr Fehler ist, daß sie den Reiseweg von vornherein vorschreiben und deshalb uur in gewisser Einschränkung benutzt werden können, nämlich nur von denen, denen gerade mit einer der feststehenden Rundreisen gedient ist. Mit den zusammenstellbaren Fahrscheinheften haben sie den Mangel gemein, daß eine Änderung des Reise¬ plans nicht erlaubt ist. Man trifft unterwegs irgendwo gute Bekannte, die nahezu dieselbe Reise machen, nur in andrer Reihenfolge der einzelnen Fahrscheinstrecken; man möchte, um ihre Gesellschaft zu genießen, seinen Reise- plan ein wenig ändern, einen Ort vor dem andern aufsuchen — Freunde oder Verwandte, bei denen man sich einige Tage aufhalte» will, schreiben einem, daß sie in der angegebnen Zeit selber verreist sind oder andern Besuch haben, und bitten, man möchte vierzehn Tage später kommen: es,geht nicht, dein Reiseweg ist dir vorgeschrieben, und jede Abweichung macht wenigstens einen deiner Fahrscheine ungiltig. Am günstigsten ist noch die Benutzung der sogenannten Sommerkarten nach Badeorten, die die Bedeutung von Rückfahrkarten mit mehrwöchiger Giltigkeit haben und meistens zur Mitnahme von Freigepäck berechtigen. Auch verdient Anerkennung, daß zu den Ausgangsstationen sowohl der festen Rundreisehefte als auch der Sommerkarten sogenannte Anschlnßrückfahrkarten mit gleicher Giltigkeitsdauer ausgegeben werden. Aber man sieht nicht ein, warum man die Sommerkarten nicht von jeder Station aus erhalten kann, was für den Reisenden unter allen Umständen bequemer wäre. Auch die zeitliche Be¬ schränkung der Giltigkeitsdauer der Svmmerkarten wie der Rundreise- und der andern Fahrscheinhefte ist oft eine Quelle von Verdruß. Wie oft mögen solche Fahrtausweise verfallen, weil unbesiegbare Hindernisse, z. B. schwere Erkrankung, den Inhaber zwingen, den Reiseaufeuthalt über den Verfalltag hinaus auszudehnen? Nun ist es mir wohl bekannt, daß die Eisenbahn¬ verwaltung für nicht benutzte Rückfahrkarten ausnahmsweise aus Billigkeits¬ gründen den Schaden vergütet. Ob auch für andre Karten und Hefte, weiß ich nicht. Kann sie es auf Antrag ohne Schaden thun, warum dann überhaupt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/373>, abgerufen am 23.07.2024.