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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert

Nachschreibern und vielleicht auch gedungnen Verleumdern, deren viele keine
vernünftige Seele in Köln besucht haben, ist diese gute Stadt von mehr als
einer Seite her in jenes für das Los ihrer Zukunft sehr unvorteilhafte Licht
versetzt worden; Köln sei die abscheulichste Stadt von der Welt, ein Bettelort,
ein Asyl der Dummheit, des Betrugs, der Heuchelei, eine Bierschenke; es lohne
sich nicht, daß man sich langer als einen Tag darin aushalte. Man weiß
auch die Quellen, woher dergleichen Unrat schon in Tageblätter, in Flugschriften
und kritische Zeitungen des Auslands geflossen ist."

Kein Geringerer als Ernst Moritz Arndt war es, der damals diesem
leichthin gesprochnen Urteil über Kölns geistiges Leben entgegentrat. In seiner
bekannten Reisebeschreibung hatte er als Norddeutscher infolge gleicher Ein¬
gebung des vorhin angedeuteten Zeitgeistes gegen diese Stadt ebenso grimmig
ins Horn geblasen. Er ist indes bald von seinem Irrtum abgekommen und
hat in der Kölnischen Zeitung darüber eine Palinvdie bekannt gemacht, die
allen Geschichtsbaumeistern zu heilsamer Lehre dienen mag. Wallraf stand mit
den größten Gelehrten und Kunstkritikern der damaligen Zeit in lebhafter
geistiger Beziehung. Sein Briefwechsel mit Agricola in Erfurt, Beneke in
Heidelberg, Blumenbach in Göttingen, den Gebrüdern Boisseree, Chezy in
Berlin, Dalberg. Gercken, Arelim in München, Bleibtreu, Pick in Bonn, Fiedler
in Wesel, Fiorilla in Göttingen, Goethe, Humboldt, Hufeland, Dorothea
Schlegel zeugen von dem hohen Bildungsgrade, dem Kunst- und poetischen
Sinne des Verfassers.

Dr. Fr. Hubert Leonhard Euren, der Historiker und Kölner Stadtarchivar,
berichtet in seiner Biographie Wallrafs (S. 384), daß dieser bei den mannigfachen
zerstreuenden Beschäftigungen mit Gegenstünden der Kunst und schönen Litteratur
keinen Augenblick vergessen habe, daß er katholischer Priester sei. Diese Eigen¬
schaft hat ihn wenigstens nicht gehindert, auf dem Gebiete der Kunst Großes und
Unvergeßliches zu leisten und die deutsche Sprache in seiner Vaterstadt wieder
in ihre Rechte einzusetzen. Wallraf versammelte in Köln eine litterarische Ge¬
meinde um sich, deren schönwissenschaftliche Unterhaltungen in der sogenannten
"olympischen Gesellschaft" regelmäßig stattfanden.

Diese im Jahre 1766 gegründete Gesellschaft (bis 1813) war eine Art
von Sprachgesellschaft, wie sie das siebzehnte Jahrhundert kennt. Sie bestand
aus Gelehrten und Künstlern und solchen Bürgern, die Interesse an Kunst
und Litteratur und ein Herz für das Wohl ihrer Vaterstadt hatten. (Vgl.
Hubert Euren. Die Olympische Gesellschaft zu Köln. Würzburg. Studer. 1880.)
Das beste uns in der Wallrafschen Manuskriptensammlung im städtischen
Archiv zu Köln erhaltne volkstümliche Stück ist die Fastnachtsposse: "Der


merkungen auf einer Reise in die Rheingegeiiden" (1790). Leipzig, Linke, 1797 (S. 399 ff.) und
Vo^AM sur lo Min äspms N^svos in8<zu'5, DuWvIäoi'k. Nemvied, 1791 und A, Klebe,
.Reise auf dein Rhein ?c, Frankfurt, 1801,
Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert

Nachschreibern und vielleicht auch gedungnen Verleumdern, deren viele keine
vernünftige Seele in Köln besucht haben, ist diese gute Stadt von mehr als
einer Seite her in jenes für das Los ihrer Zukunft sehr unvorteilhafte Licht
versetzt worden; Köln sei die abscheulichste Stadt von der Welt, ein Bettelort,
ein Asyl der Dummheit, des Betrugs, der Heuchelei, eine Bierschenke; es lohne
sich nicht, daß man sich langer als einen Tag darin aushalte. Man weiß
auch die Quellen, woher dergleichen Unrat schon in Tageblätter, in Flugschriften
und kritische Zeitungen des Auslands geflossen ist."

Kein Geringerer als Ernst Moritz Arndt war es, der damals diesem
leichthin gesprochnen Urteil über Kölns geistiges Leben entgegentrat. In seiner
bekannten Reisebeschreibung hatte er als Norddeutscher infolge gleicher Ein¬
gebung des vorhin angedeuteten Zeitgeistes gegen diese Stadt ebenso grimmig
ins Horn geblasen. Er ist indes bald von seinem Irrtum abgekommen und
hat in der Kölnischen Zeitung darüber eine Palinvdie bekannt gemacht, die
allen Geschichtsbaumeistern zu heilsamer Lehre dienen mag. Wallraf stand mit
den größten Gelehrten und Kunstkritikern der damaligen Zeit in lebhafter
geistiger Beziehung. Sein Briefwechsel mit Agricola in Erfurt, Beneke in
Heidelberg, Blumenbach in Göttingen, den Gebrüdern Boisseree, Chezy in
Berlin, Dalberg. Gercken, Arelim in München, Bleibtreu, Pick in Bonn, Fiedler
in Wesel, Fiorilla in Göttingen, Goethe, Humboldt, Hufeland, Dorothea
Schlegel zeugen von dem hohen Bildungsgrade, dem Kunst- und poetischen
Sinne des Verfassers.

Dr. Fr. Hubert Leonhard Euren, der Historiker und Kölner Stadtarchivar,
berichtet in seiner Biographie Wallrafs (S. 384), daß dieser bei den mannigfachen
zerstreuenden Beschäftigungen mit Gegenstünden der Kunst und schönen Litteratur
keinen Augenblick vergessen habe, daß er katholischer Priester sei. Diese Eigen¬
schaft hat ihn wenigstens nicht gehindert, auf dem Gebiete der Kunst Großes und
Unvergeßliches zu leisten und die deutsche Sprache in seiner Vaterstadt wieder
in ihre Rechte einzusetzen. Wallraf versammelte in Köln eine litterarische Ge¬
meinde um sich, deren schönwissenschaftliche Unterhaltungen in der sogenannten
„olympischen Gesellschaft" regelmäßig stattfanden.

Diese im Jahre 1766 gegründete Gesellschaft (bis 1813) war eine Art
von Sprachgesellschaft, wie sie das siebzehnte Jahrhundert kennt. Sie bestand
aus Gelehrten und Künstlern und solchen Bürgern, die Interesse an Kunst
und Litteratur und ein Herz für das Wohl ihrer Vaterstadt hatten. (Vgl.
Hubert Euren. Die Olympische Gesellschaft zu Köln. Würzburg. Studer. 1880.)
Das beste uns in der Wallrafschen Manuskriptensammlung im städtischen
Archiv zu Köln erhaltne volkstümliche Stück ist die Fastnachtsposse: „Der


merkungen auf einer Reise in die Rheingegeiiden" (1790). Leipzig, Linke, 1797 (S. 399 ff.) und
Vo^AM sur lo Min äspms N^svos in8<zu'5, DuWvIäoi'k. Nemvied, 1791 und A, Klebe,
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[0326] Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert Nachschreibern und vielleicht auch gedungnen Verleumdern, deren viele keine vernünftige Seele in Köln besucht haben, ist diese gute Stadt von mehr als einer Seite her in jenes für das Los ihrer Zukunft sehr unvorteilhafte Licht versetzt worden; Köln sei die abscheulichste Stadt von der Welt, ein Bettelort, ein Asyl der Dummheit, des Betrugs, der Heuchelei, eine Bierschenke; es lohne sich nicht, daß man sich langer als einen Tag darin aushalte. Man weiß auch die Quellen, woher dergleichen Unrat schon in Tageblätter, in Flugschriften und kritische Zeitungen des Auslands geflossen ist." Kein Geringerer als Ernst Moritz Arndt war es, der damals diesem leichthin gesprochnen Urteil über Kölns geistiges Leben entgegentrat. In seiner bekannten Reisebeschreibung hatte er als Norddeutscher infolge gleicher Ein¬ gebung des vorhin angedeuteten Zeitgeistes gegen diese Stadt ebenso grimmig ins Horn geblasen. Er ist indes bald von seinem Irrtum abgekommen und hat in der Kölnischen Zeitung darüber eine Palinvdie bekannt gemacht, die allen Geschichtsbaumeistern zu heilsamer Lehre dienen mag. Wallraf stand mit den größten Gelehrten und Kunstkritikern der damaligen Zeit in lebhafter geistiger Beziehung. Sein Briefwechsel mit Agricola in Erfurt, Beneke in Heidelberg, Blumenbach in Göttingen, den Gebrüdern Boisseree, Chezy in Berlin, Dalberg. Gercken, Arelim in München, Bleibtreu, Pick in Bonn, Fiedler in Wesel, Fiorilla in Göttingen, Goethe, Humboldt, Hufeland, Dorothea Schlegel zeugen von dem hohen Bildungsgrade, dem Kunst- und poetischen Sinne des Verfassers. Dr. Fr. Hubert Leonhard Euren, der Historiker und Kölner Stadtarchivar, berichtet in seiner Biographie Wallrafs (S. 384), daß dieser bei den mannigfachen zerstreuenden Beschäftigungen mit Gegenstünden der Kunst und schönen Litteratur keinen Augenblick vergessen habe, daß er katholischer Priester sei. Diese Eigen¬ schaft hat ihn wenigstens nicht gehindert, auf dem Gebiete der Kunst Großes und Unvergeßliches zu leisten und die deutsche Sprache in seiner Vaterstadt wieder in ihre Rechte einzusetzen. Wallraf versammelte in Köln eine litterarische Ge¬ meinde um sich, deren schönwissenschaftliche Unterhaltungen in der sogenannten „olympischen Gesellschaft" regelmäßig stattfanden. Diese im Jahre 1766 gegründete Gesellschaft (bis 1813) war eine Art von Sprachgesellschaft, wie sie das siebzehnte Jahrhundert kennt. Sie bestand aus Gelehrten und Künstlern und solchen Bürgern, die Interesse an Kunst und Litteratur und ein Herz für das Wohl ihrer Vaterstadt hatten. (Vgl. Hubert Euren. Die Olympische Gesellschaft zu Köln. Würzburg. Studer. 1880.) Das beste uns in der Wallrafschen Manuskriptensammlung im städtischen Archiv zu Köln erhaltne volkstümliche Stück ist die Fastnachtsposse: „Der merkungen auf einer Reise in die Rheingegeiiden" (1790). Leipzig, Linke, 1797 (S. 399 ff.) und Vo^AM sur lo Min äspms N^svos in8<zu'5, DuWvIäoi'k. Nemvied, 1791 und A, Klebe, .Reise auf dein Rhein ?c, Frankfurt, 1801,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/326>, abgerufen am 23.07.2024.