Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert

die dortigen Professoren mit folgenden Worten anreden hören: "Meine Herren,
es ist eine wahre Schande, daß die öffentlichen Lehrer der Universität nicht
imstande sind, einen fehlerfreien deutschen Aufsatz zu liefern; es ist durchaus
nötig, daß Sie die Regeln der deutschen Sprache lernen!" (Vgl. Lersch, nieder¬
rheinisches Jahrbuch für Geschichte, Jahrgang 1844, S. 104. Meuser, Zur
Geschichte der kurfürstlichen Universität Bonn.) Und der das sagte, war ein
Rheinländer von Geburt! Eines weitern Kommentars bedarf es daher unsers
Dafürhaltens uicht. Oillloilg <zst>, salir^in non soribM, wenn man hierbei an
das schöne Deutsch der Juristen in unsrer heutigen Zeit denkt, das von Zeit
zu Zeit in den bekannt gewordnen Urteilen des Reichsgerichts von berufner
Seite beleuchtet und gewürdigt worden ist. Auch heute könnte es nicht schaden,
wenn ein Professor Daniels^) am Reichsgericht und an den andern Nechts-
burgen unsers großen Vaterlandes gleiche Musterung hielte!

Gehen wir nunmehr auf die Litteratur in Köln näher ein.

In Köln war nicht der Boden für eine Litteratur, wie sie sich allmählich
im Norden Deutschlands entwickelt hatte. Die Zensur der Universität hatte
durch eine Bulle des Papstes Sixtus IV. vom 17. März 1479 das Recht,
"den zum Verkauf bestimmten Büchern die Approbation zu erteilen oder zu
versagen, die Buchhandlungen und Vuchdruckereien zu kontrollieren usw." Mit
dieser Zensur konkurrierte das erzbischöfliche Offizialat und der päpstliche Nuntius.
So war in Köln die Litteratur durch ein dreifaches Band geschnürt. Unter
diesen Umständen war auch der Buchhandel gehindert, sich frei und selbständig
zu entwickeln. Man wandte der einheimischen Litteratur den Rücken und suchte
in der französischen Litteratur Befriedigung für die geistigen Bedürfnisse, wo
man feinern Geschmack, mehr polierte Sitten und weniger Prüderie zu finden
glaubte. Obgleich Köln eine der ersten Städte gewesen war, die die neu-
erfundne Buchdruckerkunst in ihren Mauern sorgsam gepflegt hatte, war der
Kölner Buchhandel, der auf der Frankfurter Messe eine so bedeutende Rolle
bis dahin gespielt hatte, immer mehr hinabgesunken. Solange die lateinische
Sprache fast ausschließlich die Sprache der Gelehrten und der Weltmänner
war, behauptete die Frankfurter Messe ihren Vorrang vor den übrigen Messen;
als auch die deutsche Sprache in ihre Rechte eintrat und den ihr gebührenden
Platz in der deutschen Litteratur einnahm, blieben die fremden Buchhändler
weg. Auf diese Weise wurde Leipzig, die gefährlichste Rivalin Frankfurts,
der Mittelpunkt des deutschen Buchhandels. Wie es mit der Versorgung der
damaligen wissenschaftlichen Welt im Rheinlande mit den Erzeugnissen der Liede-



") H. G. W. Daniels, geb. 25. November 1754 zu Köln, seit 16. November 1776 als
Advokat bei dem kurkölnischer Hostntsdiknsterium zu Bonn immatrikuliert, wurde von Kurfürst
Maximilian Friedrich 1783 zum öffentlichen Lehrer der Rechtswissenschaften an der damaligen
Akademie zu Bonn ernannt- Später war er erster Präsident des Rheinischen Appellationsgerichts¬
hofes zu Köln-
Grenzboten 1 18W 35
Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert

die dortigen Professoren mit folgenden Worten anreden hören: „Meine Herren,
es ist eine wahre Schande, daß die öffentlichen Lehrer der Universität nicht
imstande sind, einen fehlerfreien deutschen Aufsatz zu liefern; es ist durchaus
nötig, daß Sie die Regeln der deutschen Sprache lernen!" (Vgl. Lersch, nieder¬
rheinisches Jahrbuch für Geschichte, Jahrgang 1844, S. 104. Meuser, Zur
Geschichte der kurfürstlichen Universität Bonn.) Und der das sagte, war ein
Rheinländer von Geburt! Eines weitern Kommentars bedarf es daher unsers
Dafürhaltens uicht. Oillloilg <zst>, salir^in non soribM, wenn man hierbei an
das schöne Deutsch der Juristen in unsrer heutigen Zeit denkt, das von Zeit
zu Zeit in den bekannt gewordnen Urteilen des Reichsgerichts von berufner
Seite beleuchtet und gewürdigt worden ist. Auch heute könnte es nicht schaden,
wenn ein Professor Daniels^) am Reichsgericht und an den andern Nechts-
burgen unsers großen Vaterlandes gleiche Musterung hielte!

Gehen wir nunmehr auf die Litteratur in Köln näher ein.

In Köln war nicht der Boden für eine Litteratur, wie sie sich allmählich
im Norden Deutschlands entwickelt hatte. Die Zensur der Universität hatte
durch eine Bulle des Papstes Sixtus IV. vom 17. März 1479 das Recht,
„den zum Verkauf bestimmten Büchern die Approbation zu erteilen oder zu
versagen, die Buchhandlungen und Vuchdruckereien zu kontrollieren usw." Mit
dieser Zensur konkurrierte das erzbischöfliche Offizialat und der päpstliche Nuntius.
So war in Köln die Litteratur durch ein dreifaches Band geschnürt. Unter
diesen Umständen war auch der Buchhandel gehindert, sich frei und selbständig
zu entwickeln. Man wandte der einheimischen Litteratur den Rücken und suchte
in der französischen Litteratur Befriedigung für die geistigen Bedürfnisse, wo
man feinern Geschmack, mehr polierte Sitten und weniger Prüderie zu finden
glaubte. Obgleich Köln eine der ersten Städte gewesen war, die die neu-
erfundne Buchdruckerkunst in ihren Mauern sorgsam gepflegt hatte, war der
Kölner Buchhandel, der auf der Frankfurter Messe eine so bedeutende Rolle
bis dahin gespielt hatte, immer mehr hinabgesunken. Solange die lateinische
Sprache fast ausschließlich die Sprache der Gelehrten und der Weltmänner
war, behauptete die Frankfurter Messe ihren Vorrang vor den übrigen Messen;
als auch die deutsche Sprache in ihre Rechte eintrat und den ihr gebührenden
Platz in der deutschen Litteratur einnahm, blieben die fremden Buchhändler
weg. Auf diese Weise wurde Leipzig, die gefährlichste Rivalin Frankfurts,
der Mittelpunkt des deutschen Buchhandels. Wie es mit der Versorgung der
damaligen wissenschaftlichen Welt im Rheinlande mit den Erzeugnissen der Liede-



") H. G. W. Daniels, geb. 25. November 1754 zu Köln, seit 16. November 1776 als
Advokat bei dem kurkölnischer Hostntsdiknsterium zu Bonn immatrikuliert, wurde von Kurfürst
Maximilian Friedrich 1783 zum öffentlichen Lehrer der Rechtswissenschaften an der damaligen
Akademie zu Bonn ernannt- Später war er erster Präsident des Rheinischen Appellationsgerichts¬
hofes zu Köln-
Grenzboten 1 18W 35
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0281" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229967"/>
          <fw type="header" place="top"> Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1117" prev="#ID_1116"> die dortigen Professoren mit folgenden Worten anreden hören: &#x201E;Meine Herren,<lb/>
es ist eine wahre Schande, daß die öffentlichen Lehrer der Universität nicht<lb/>
imstande sind, einen fehlerfreien deutschen Aufsatz zu liefern; es ist durchaus<lb/>
nötig, daß Sie die Regeln der deutschen Sprache lernen!" (Vgl. Lersch, nieder¬<lb/>
rheinisches Jahrbuch für Geschichte, Jahrgang 1844, S. 104. Meuser, Zur<lb/>
Geschichte der kurfürstlichen Universität Bonn.) Und der das sagte, war ein<lb/>
Rheinländer von Geburt! Eines weitern Kommentars bedarf es daher unsers<lb/>
Dafürhaltens uicht. Oillloilg &lt;zst&gt;, salir^in non soribM, wenn man hierbei an<lb/>
das schöne Deutsch der Juristen in unsrer heutigen Zeit denkt, das von Zeit<lb/>
zu Zeit in den bekannt gewordnen Urteilen des Reichsgerichts von berufner<lb/>
Seite beleuchtet und gewürdigt worden ist. Auch heute könnte es nicht schaden,<lb/>
wenn ein Professor Daniels^) am Reichsgericht und an den andern Nechts-<lb/>
burgen unsers großen Vaterlandes gleiche Musterung hielte!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1118"> Gehen wir nunmehr auf die Litteratur in Köln näher ein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1119" next="#ID_1120"> In Köln war nicht der Boden für eine Litteratur, wie sie sich allmählich<lb/>
im Norden Deutschlands entwickelt hatte. Die Zensur der Universität hatte<lb/>
durch eine Bulle des Papstes Sixtus IV. vom 17. März 1479 das Recht,<lb/>
&#x201E;den zum Verkauf bestimmten Büchern die Approbation zu erteilen oder zu<lb/>
versagen, die Buchhandlungen und Vuchdruckereien zu kontrollieren usw." Mit<lb/>
dieser Zensur konkurrierte das erzbischöfliche Offizialat und der päpstliche Nuntius.<lb/>
So war in Köln die Litteratur durch ein dreifaches Band geschnürt. Unter<lb/>
diesen Umständen war auch der Buchhandel gehindert, sich frei und selbständig<lb/>
zu entwickeln. Man wandte der einheimischen Litteratur den Rücken und suchte<lb/>
in der französischen Litteratur Befriedigung für die geistigen Bedürfnisse, wo<lb/>
man feinern Geschmack, mehr polierte Sitten und weniger Prüderie zu finden<lb/>
glaubte. Obgleich Köln eine der ersten Städte gewesen war, die die neu-<lb/>
erfundne Buchdruckerkunst in ihren Mauern sorgsam gepflegt hatte, war der<lb/>
Kölner Buchhandel, der auf der Frankfurter Messe eine so bedeutende Rolle<lb/>
bis dahin gespielt hatte, immer mehr hinabgesunken. Solange die lateinische<lb/>
Sprache fast ausschließlich die Sprache der Gelehrten und der Weltmänner<lb/>
war, behauptete die Frankfurter Messe ihren Vorrang vor den übrigen Messen;<lb/>
als auch die deutsche Sprache in ihre Rechte eintrat und den ihr gebührenden<lb/>
Platz in der deutschen Litteratur einnahm, blieben die fremden Buchhändler<lb/>
weg. Auf diese Weise wurde Leipzig, die gefährlichste Rivalin Frankfurts,<lb/>
der Mittelpunkt des deutschen Buchhandels. Wie es mit der Versorgung der<lb/>
damaligen wissenschaftlichen Welt im Rheinlande mit den Erzeugnissen der Liede-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_57" place="foot"> ") H. G. W. Daniels, geb. 25. November 1754 zu Köln, seit 16. November 1776 als<lb/>
Advokat bei dem kurkölnischer Hostntsdiknsterium zu Bonn immatrikuliert, wurde von Kurfürst<lb/>
Maximilian Friedrich 1783 zum öffentlichen Lehrer der Rechtswissenschaften an der damaligen<lb/>
Akademie zu Bonn ernannt- Später war er erster Präsident des Rheinischen Appellationsgerichts¬<lb/>
hofes zu Köln-</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1 18W 35</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0281] Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert die dortigen Professoren mit folgenden Worten anreden hören: „Meine Herren, es ist eine wahre Schande, daß die öffentlichen Lehrer der Universität nicht imstande sind, einen fehlerfreien deutschen Aufsatz zu liefern; es ist durchaus nötig, daß Sie die Regeln der deutschen Sprache lernen!" (Vgl. Lersch, nieder¬ rheinisches Jahrbuch für Geschichte, Jahrgang 1844, S. 104. Meuser, Zur Geschichte der kurfürstlichen Universität Bonn.) Und der das sagte, war ein Rheinländer von Geburt! Eines weitern Kommentars bedarf es daher unsers Dafürhaltens uicht. Oillloilg <zst>, salir^in non soribM, wenn man hierbei an das schöne Deutsch der Juristen in unsrer heutigen Zeit denkt, das von Zeit zu Zeit in den bekannt gewordnen Urteilen des Reichsgerichts von berufner Seite beleuchtet und gewürdigt worden ist. Auch heute könnte es nicht schaden, wenn ein Professor Daniels^) am Reichsgericht und an den andern Nechts- burgen unsers großen Vaterlandes gleiche Musterung hielte! Gehen wir nunmehr auf die Litteratur in Köln näher ein. In Köln war nicht der Boden für eine Litteratur, wie sie sich allmählich im Norden Deutschlands entwickelt hatte. Die Zensur der Universität hatte durch eine Bulle des Papstes Sixtus IV. vom 17. März 1479 das Recht, „den zum Verkauf bestimmten Büchern die Approbation zu erteilen oder zu versagen, die Buchhandlungen und Vuchdruckereien zu kontrollieren usw." Mit dieser Zensur konkurrierte das erzbischöfliche Offizialat und der päpstliche Nuntius. So war in Köln die Litteratur durch ein dreifaches Band geschnürt. Unter diesen Umständen war auch der Buchhandel gehindert, sich frei und selbständig zu entwickeln. Man wandte der einheimischen Litteratur den Rücken und suchte in der französischen Litteratur Befriedigung für die geistigen Bedürfnisse, wo man feinern Geschmack, mehr polierte Sitten und weniger Prüderie zu finden glaubte. Obgleich Köln eine der ersten Städte gewesen war, die die neu- erfundne Buchdruckerkunst in ihren Mauern sorgsam gepflegt hatte, war der Kölner Buchhandel, der auf der Frankfurter Messe eine so bedeutende Rolle bis dahin gespielt hatte, immer mehr hinabgesunken. Solange die lateinische Sprache fast ausschließlich die Sprache der Gelehrten und der Weltmänner war, behauptete die Frankfurter Messe ihren Vorrang vor den übrigen Messen; als auch die deutsche Sprache in ihre Rechte eintrat und den ihr gebührenden Platz in der deutschen Litteratur einnahm, blieben die fremden Buchhändler weg. Auf diese Weise wurde Leipzig, die gefährlichste Rivalin Frankfurts, der Mittelpunkt des deutschen Buchhandels. Wie es mit der Versorgung der damaligen wissenschaftlichen Welt im Rheinlande mit den Erzeugnissen der Liede- ") H. G. W. Daniels, geb. 25. November 1754 zu Köln, seit 16. November 1776 als Advokat bei dem kurkölnischer Hostntsdiknsterium zu Bonn immatrikuliert, wurde von Kurfürst Maximilian Friedrich 1783 zum öffentlichen Lehrer der Rechtswissenschaften an der damaligen Akademie zu Bonn ernannt- Später war er erster Präsident des Rheinischen Appellationsgerichts¬ hofes zu Köln- Grenzboten 1 18W 35

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/281
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/281>, abgerufen am 23.07.2024.