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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert

Herrn Pfarrer Schlösser in Langsdorff eine Schule eröffnet und ein armer,
aber ziemlich geschickter Schulmeister dabei angestellt: er konnte aber wegen der
großen Armut der Leute nicht lange daselbst bleiben." Merhet, Histor. Litt,
f, 1734. Band 2. 363.)

Wenn wir nun auf den Stand der Litteratur in der mächtigen Handels¬
stadt Köln übergehn, so darf an diese wohl nicht derselbe Maßstab gelegt werden,
wie an die übrigen rheinischen Städte. Wir müssen zunächst zugeben, daß der
Gebrauch der Volkssprache wenig gepflegt und zu Gunsten der lateinischen
Sprache verdrängt wurde, da man besorgte, daß durch die deutsche Sprache
auch der verflachende Geist in die katholische Theologie eindringen werde.
(Vgl. K. A. Menzel. Neuere Geschichte der Deutschen, alte Ausgabe 11. S. 185.)
Die alten Pedanten haßten die deutsche Sprache förmlich. In Köln wollte man,
als man schon in andern deutscheu Städten lateinische Grammatiker gebrauchte,
die in deutscher Sprache geschrieben waren, nichts von einer solchen wissen.
Bis tief in das achtzehnte Jahrhundert hinein dauerte es, ehe die deutsche
Sprache Gemeingut der rheinischen Bevölkerung auf den Gymnasien nud Uni¬
versitäten wurde. Außer den Laurentianern waren es die Jesuiten in Köln,
die anfingen, "die Jugend von der ersten Klasse an zu gewöhnen, ihre Mutter¬
sprache nach den Regeln gut und rein zu reden und zu schreiben." In dem
"handschriftlichen Bericht des Jesuitengymnasiums an den Magistrat der
Stadt Köln" wirv darauf hingewiesen, "daß der echte Geschmack in Poesien
ohnehin aus den Alten erlernt werden muß. Wird man diese Wohl inne haben,
so wird sich das Genie, so vielleicht einer zur Dichtkunst in sich fühlet, in der
Muttersprache, die uns geläufiger ist, gar leicht entwickeln und zur Vollendung
können gebracht werden." Die klüger" Väter der Jesuiten sahen nun ein, daß
sie mit der bloß griechischen und lateinischen Litteratur neben den immer mehr
vorschreitender Protestanten nicht bestehen würden. Sie hatten daher gegen
die Mitte des vorigen Jahrhunderts ihre Zöglinge mit den Musterwcrken der
deutschen Litteratur bekannt gemacht und sie in einem reinen Stile ihrer
Muttersprache geübt. Von dieser Zeit an war es üblich, daß die Studenten
nebst ihren lateinischen Aufsätzen und Versen auch deutsche anfertigen mußten.
Ihre bei der Austeilung der Zeugnisse aufgeführten Schau- und Lustspiele
wurden in deutscher Sprache vorgetragen und die Schönheiten der Werke
Gellerts, Hagedorns und Klopstocks in dem Unterrichte dargelegt. Von Koblenz
berichtet Joseph Gregor Lang 1789 (Seite 187. Bd. 1): "Die deutsche Mutter¬
sprache, die man ehedem fast gar nicht berührte, wird nun nach den bestimmten
Regeln gelehrt."

Wie die deutsche Sprache auf der damaligen kurfürstlichem Universität zu
Bonn behandelt wurde, dafür ist uns ein klassisches Zeugnis des Theobald
Knoll. der als Pfarrer zu Meckenheim bei Bonn gestorben ist, erhalten. Er
hat mit eignen Ohren den damaligen Professor der Rechte Dr. Gottfried Daniels


Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert

Herrn Pfarrer Schlösser in Langsdorff eine Schule eröffnet und ein armer,
aber ziemlich geschickter Schulmeister dabei angestellt: er konnte aber wegen der
großen Armut der Leute nicht lange daselbst bleiben." Merhet, Histor. Litt,
f, 1734. Band 2. 363.)

Wenn wir nun auf den Stand der Litteratur in der mächtigen Handels¬
stadt Köln übergehn, so darf an diese wohl nicht derselbe Maßstab gelegt werden,
wie an die übrigen rheinischen Städte. Wir müssen zunächst zugeben, daß der
Gebrauch der Volkssprache wenig gepflegt und zu Gunsten der lateinischen
Sprache verdrängt wurde, da man besorgte, daß durch die deutsche Sprache
auch der verflachende Geist in die katholische Theologie eindringen werde.
(Vgl. K. A. Menzel. Neuere Geschichte der Deutschen, alte Ausgabe 11. S. 185.)
Die alten Pedanten haßten die deutsche Sprache förmlich. In Köln wollte man,
als man schon in andern deutscheu Städten lateinische Grammatiker gebrauchte,
die in deutscher Sprache geschrieben waren, nichts von einer solchen wissen.
Bis tief in das achtzehnte Jahrhundert hinein dauerte es, ehe die deutsche
Sprache Gemeingut der rheinischen Bevölkerung auf den Gymnasien nud Uni¬
versitäten wurde. Außer den Laurentianern waren es die Jesuiten in Köln,
die anfingen, „die Jugend von der ersten Klasse an zu gewöhnen, ihre Mutter¬
sprache nach den Regeln gut und rein zu reden und zu schreiben." In dem
„handschriftlichen Bericht des Jesuitengymnasiums an den Magistrat der
Stadt Köln" wirv darauf hingewiesen, „daß der echte Geschmack in Poesien
ohnehin aus den Alten erlernt werden muß. Wird man diese Wohl inne haben,
so wird sich das Genie, so vielleicht einer zur Dichtkunst in sich fühlet, in der
Muttersprache, die uns geläufiger ist, gar leicht entwickeln und zur Vollendung
können gebracht werden." Die klüger» Väter der Jesuiten sahen nun ein, daß
sie mit der bloß griechischen und lateinischen Litteratur neben den immer mehr
vorschreitender Protestanten nicht bestehen würden. Sie hatten daher gegen
die Mitte des vorigen Jahrhunderts ihre Zöglinge mit den Musterwcrken der
deutschen Litteratur bekannt gemacht und sie in einem reinen Stile ihrer
Muttersprache geübt. Von dieser Zeit an war es üblich, daß die Studenten
nebst ihren lateinischen Aufsätzen und Versen auch deutsche anfertigen mußten.
Ihre bei der Austeilung der Zeugnisse aufgeführten Schau- und Lustspiele
wurden in deutscher Sprache vorgetragen und die Schönheiten der Werke
Gellerts, Hagedorns und Klopstocks in dem Unterrichte dargelegt. Von Koblenz
berichtet Joseph Gregor Lang 1789 (Seite 187. Bd. 1): „Die deutsche Mutter¬
sprache, die man ehedem fast gar nicht berührte, wird nun nach den bestimmten
Regeln gelehrt."

Wie die deutsche Sprache auf der damaligen kurfürstlichem Universität zu
Bonn behandelt wurde, dafür ist uns ein klassisches Zeugnis des Theobald
Knoll. der als Pfarrer zu Meckenheim bei Bonn gestorben ist, erhalten. Er
hat mit eignen Ohren den damaligen Professor der Rechte Dr. Gottfried Daniels


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/280>, abgerufen am 23.07.2024.