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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die imperialistische Bewegung in Lngland

Wilhelm und für Kaiser Friedrich noch allgemein die Bezeichnung Dniveror
üblich war. Man fragt sich erstaunt, ob die Engländer, deren Stärke sicherlich
nicht in ihren Sprachkenntnissen liegt, auf einmal anfangen hiermit zu prunken,
oder ob wachsender historischer Sinn es ihnen verbietet, einen Namen zu ge¬
brauchen, den auch die deutschen Kaiser des Mittelalters und die römischen Cäsaren
trugen. Die Lösung des Rätsels ergiebt sich, wenn man sieht, daß Hand in
Hand damit der Gebrauch von Vinxir"? und Imxerial in einem ganz beschränkten
Sinn geht. rii<z Dinxirs bedeutet für diese Kreise das Weltreich schlechthin,
nämlich Großbritannien und seine Kolonien als Einheit gefaßt; Imxc-rial ist
alles, was sich auf die Interessen dieses "größern Britanniens" bezieht. In
dieser Spracherscheinung spiegelt sich unsers Erachtens die zunehmende Bedeutung
wieder, die die imperialistische Bewegung in England in dem letzten Jahrzehnt
gewonnen hat. Sie zeigt sich ferner in dem häufigen Gebrauch des Namens
Imxsri-z.1, den sich Institute, Vereine und litterarische Sammelwerke mehr und
mehr beizulegen lieben, in den zahlreichen Erörterungen über Iinxerialisw,
in denen alle möglichen ImpöriaUsts das Wort ergreifen. Weit mehr fällt es
ins Gewicht, daß der Imperialismus zu seinen Trägern so gewaltige Männer
der That wie Cecil Rhodes zählt, und Leute mit Namen besten Klanges wie
Rudyard Kipling und Sir Walter Besant -- ich schweige von Heißspornen wie
W. E. Henley -- die imperialistische Idee mit aller Begeisterung verkünden.

In der folgenden Abhandlung möchte ich einige Eindrücke über diese Be¬
wegung wiedergebe", die sich mir bei meinem letzten Besuche in England auf¬
gedrängt haben. Ich will nicht verhehlen, daß sie manchen bei uns herrschenden
Anschauungen zuwiderlaufen, die ich früher selber teilte. Die Zeit war viel¬
leicht deshalb günstig für Beobachtungen, weil der spanisch-amerikanische Krieg
kaum beendet war und damals Ereignisse eintraten wie die Einnahme Khartums,
die Wahlen in der Kapkolonie, bei denen Cecil Rhodes mit wenigen Stimmen
von den Holländern geschlagen wurde, die deutsch-englische Vereinbarung, der
Tod Sir George Greys, des bekannten kolonialen Staatsmannes, und schließlich
die französisch-englische Verwicklung wegen Faschoda. Die Väter des englischen
Imperialismus sind Carlyle und Veaeonsfield, die sein Programm entwarfen
und ihm seine Ziele wiesen. Weitere Kreise ergriff die Bewegung jedoch erst,
als Cecil Rhodes in Südafrika wirkte. In den letzten Jahren und namentlich
in dem Jubilüumsjahre begann man dann systematisch darauf hinzuarbeiten, die
englische Politik, statt wie bisher auf eine kleinenglische, auf eine imperialistische
Grundlage zu stellen, meist mit dem Hintergedanken, den engen Zusammen¬
schluß der unter britischer Flagge lebenden Engländer mit einer Verbrüderung
der angelsächsischen Nasse, der Engländer und Amerikaner, zu krönen, die dann
der Welt ihre Gesetze diktieren könnten.


Die imperialistische Bewegung in Lngland

Wilhelm und für Kaiser Friedrich noch allgemein die Bezeichnung Dniveror
üblich war. Man fragt sich erstaunt, ob die Engländer, deren Stärke sicherlich
nicht in ihren Sprachkenntnissen liegt, auf einmal anfangen hiermit zu prunken,
oder ob wachsender historischer Sinn es ihnen verbietet, einen Namen zu ge¬
brauchen, den auch die deutschen Kaiser des Mittelalters und die römischen Cäsaren
trugen. Die Lösung des Rätsels ergiebt sich, wenn man sieht, daß Hand in
Hand damit der Gebrauch von Vinxir«? und Imxerial in einem ganz beschränkten
Sinn geht. rii<z Dinxirs bedeutet für diese Kreise das Weltreich schlechthin,
nämlich Großbritannien und seine Kolonien als Einheit gefaßt; Imxc-rial ist
alles, was sich auf die Interessen dieses „größern Britanniens" bezieht. In
dieser Spracherscheinung spiegelt sich unsers Erachtens die zunehmende Bedeutung
wieder, die die imperialistische Bewegung in England in dem letzten Jahrzehnt
gewonnen hat. Sie zeigt sich ferner in dem häufigen Gebrauch des Namens
Imxsri-z.1, den sich Institute, Vereine und litterarische Sammelwerke mehr und
mehr beizulegen lieben, in den zahlreichen Erörterungen über Iinxerialisw,
in denen alle möglichen ImpöriaUsts das Wort ergreifen. Weit mehr fällt es
ins Gewicht, daß der Imperialismus zu seinen Trägern so gewaltige Männer
der That wie Cecil Rhodes zählt, und Leute mit Namen besten Klanges wie
Rudyard Kipling und Sir Walter Besant — ich schweige von Heißspornen wie
W. E. Henley — die imperialistische Idee mit aller Begeisterung verkünden.

In der folgenden Abhandlung möchte ich einige Eindrücke über diese Be¬
wegung wiedergebe», die sich mir bei meinem letzten Besuche in England auf¬
gedrängt haben. Ich will nicht verhehlen, daß sie manchen bei uns herrschenden
Anschauungen zuwiderlaufen, die ich früher selber teilte. Die Zeit war viel¬
leicht deshalb günstig für Beobachtungen, weil der spanisch-amerikanische Krieg
kaum beendet war und damals Ereignisse eintraten wie die Einnahme Khartums,
die Wahlen in der Kapkolonie, bei denen Cecil Rhodes mit wenigen Stimmen
von den Holländern geschlagen wurde, die deutsch-englische Vereinbarung, der
Tod Sir George Greys, des bekannten kolonialen Staatsmannes, und schließlich
die französisch-englische Verwicklung wegen Faschoda. Die Väter des englischen
Imperialismus sind Carlyle und Veaeonsfield, die sein Programm entwarfen
und ihm seine Ziele wiesen. Weitere Kreise ergriff die Bewegung jedoch erst,
als Cecil Rhodes in Südafrika wirkte. In den letzten Jahren und namentlich
in dem Jubilüumsjahre begann man dann systematisch darauf hinzuarbeiten, die
englische Politik, statt wie bisher auf eine kleinenglische, auf eine imperialistische
Grundlage zu stellen, meist mit dem Hintergedanken, den engen Zusammen¬
schluß der unter britischer Flagge lebenden Engländer mit einer Verbrüderung
der angelsächsischen Nasse, der Engländer und Amerikaner, zu krönen, die dann
der Welt ihre Gesetze diktieren könnten.


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[0023] Die imperialistische Bewegung in Lngland Wilhelm und für Kaiser Friedrich noch allgemein die Bezeichnung Dniveror üblich war. Man fragt sich erstaunt, ob die Engländer, deren Stärke sicherlich nicht in ihren Sprachkenntnissen liegt, auf einmal anfangen hiermit zu prunken, oder ob wachsender historischer Sinn es ihnen verbietet, einen Namen zu ge¬ brauchen, den auch die deutschen Kaiser des Mittelalters und die römischen Cäsaren trugen. Die Lösung des Rätsels ergiebt sich, wenn man sieht, daß Hand in Hand damit der Gebrauch von Vinxir«? und Imxerial in einem ganz beschränkten Sinn geht. rii<z Dinxirs bedeutet für diese Kreise das Weltreich schlechthin, nämlich Großbritannien und seine Kolonien als Einheit gefaßt; Imxc-rial ist alles, was sich auf die Interessen dieses „größern Britanniens" bezieht. In dieser Spracherscheinung spiegelt sich unsers Erachtens die zunehmende Bedeutung wieder, die die imperialistische Bewegung in England in dem letzten Jahrzehnt gewonnen hat. Sie zeigt sich ferner in dem häufigen Gebrauch des Namens Imxsri-z.1, den sich Institute, Vereine und litterarische Sammelwerke mehr und mehr beizulegen lieben, in den zahlreichen Erörterungen über Iinxerialisw, in denen alle möglichen ImpöriaUsts das Wort ergreifen. Weit mehr fällt es ins Gewicht, daß der Imperialismus zu seinen Trägern so gewaltige Männer der That wie Cecil Rhodes zählt, und Leute mit Namen besten Klanges wie Rudyard Kipling und Sir Walter Besant — ich schweige von Heißspornen wie W. E. Henley — die imperialistische Idee mit aller Begeisterung verkünden. In der folgenden Abhandlung möchte ich einige Eindrücke über diese Be¬ wegung wiedergebe», die sich mir bei meinem letzten Besuche in England auf¬ gedrängt haben. Ich will nicht verhehlen, daß sie manchen bei uns herrschenden Anschauungen zuwiderlaufen, die ich früher selber teilte. Die Zeit war viel¬ leicht deshalb günstig für Beobachtungen, weil der spanisch-amerikanische Krieg kaum beendet war und damals Ereignisse eintraten wie die Einnahme Khartums, die Wahlen in der Kapkolonie, bei denen Cecil Rhodes mit wenigen Stimmen von den Holländern geschlagen wurde, die deutsch-englische Vereinbarung, der Tod Sir George Greys, des bekannten kolonialen Staatsmannes, und schließlich die französisch-englische Verwicklung wegen Faschoda. Die Väter des englischen Imperialismus sind Carlyle und Veaeonsfield, die sein Programm entwarfen und ihm seine Ziele wiesen. Weitere Kreise ergriff die Bewegung jedoch erst, als Cecil Rhodes in Südafrika wirkte. In den letzten Jahren und namentlich in dem Jubilüumsjahre begann man dann systematisch darauf hinzuarbeiten, die englische Politik, statt wie bisher auf eine kleinenglische, auf eine imperialistische Grundlage zu stellen, meist mit dem Hintergedanken, den engen Zusammen¬ schluß der unter britischer Flagge lebenden Engländer mit einer Verbrüderung der angelsächsischen Nasse, der Engländer und Amerikaner, zu krönen, die dann der Welt ihre Gesetze diktieren könnten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/23>, abgerufen am 23.07.2024.