Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die deutsche Geldreform

Banken, namentlich in die Preußische Bank -- die Reichsbank war noch nicht
vorhanden -- eingesperrt und daher unsichtbar blieb, was der Goldwährung
viel Spott zuzog. Als dann das Gold endlich in den Verkehr gelangte und
demnach der große Geldüberfluß zur Erscheinung kam, da beförderte dieser
zunächst die Gründerei; auf diese folgte, durch den Krach eingeleitet, eine
längere Depression; ein Teil des Geldes war nun überflüssig, und das Gold
begann im Juli 1874 wirklich abzufließen. Indes kam man mit der Zeit
über alle diese Schwierigkeiten hinweg, obgleich dem Verlangen Bambergers
nach einem "Münz-Stephan" nicht entsprochen wurde, und das Reichskanzler¬
amt unter Delbrücks Leitung neben seinen sonstigen ungeheuern Aufgaben auch
noch diese wahrlich nicht kleine zu lösen hatte. Daß man die Thaler nicht
allein beibehalten, sondern ihnen sogar Zahlungskraft eingeräumt hat, ist mehr
ein Schönheitsfehler -- unsre Währung hinkt bekanntlich -- als eine Ge¬
fährdung der Goldwährung. Die noch vorhandnen Thaler machen 380 Mil¬
lionen Mark aus; davon liegen 150 Millionen Mark überflüssig in der Neichs-
bank, die zur Regelung des Silberumlaufs nur 125 Millionen Mark an
Thalern und Scheidemünzen braucht, aber 275 Millionen hat. Wie wenig
übrigens die Reform planmäßig angelegt war, wie sehr man, ganz so wie früher
England, unter dem Drange der Umstände auf dem Wege der Abwehr von
Schädigungen hineingeriet, wird unter anderen durch die Thatsache beleuchtet,
daß schou am 3. Juli 1871, ehe sich noch die Regierungen über den Entwurf
eines provisorischen Münzgesetzes verständigt hatten, die Berliner Münze den
Silberzufluß durch die Verweigerung weiterer Silberankäufe hemmen mußte.

Über die viel umstrittne Frage, ob und in welchem Grade die Demoneti-
sierung des Silbers in Deutschland die Silberentwertung verschuldet habe,
erhält man im zweiten Bande von Helfferichs Werk den vollständigsten und
genauesten Aufschluß. Nicht bloß von Jahr zu Jahr, sondern von Vierteljahr
zu Vierteljahr und beinahe von Monat zu Monat verfolgt der Verfasser die
Bewegung des Silberpreises und die auf ihn einwirkenden Umstände. Aus
den Thatsachen geht klar hervor, daß die deutschen Silberverküufe unmittelbar
gar keinen Einfluß geübt haben. Nur durch Fälschungen ist es Otto Arendt
in seiner Schrift: "Die vertragsmäßige Doppelwährung" gelungen, einen un¬
mittelbaren Zusammenhang zwischen den deutscheu Verkäufen und dem Fall des
Silberpreises nachzuweisen. Helfferich führt in der Anmerkung auf Seite 345
einen Fall von Datumsfälschung an und bemerkt, daß solche Fälschungen in
dieser Schrift nicht etwa Ausnahmen, sondern die Regel seien. Hätte Deutsch¬
land sein ganzes überflüssiges Silber auf einmal auf den Markt geworfen, so
hätte das allerdings einen starken Preissturz zur Folge haben müssen, denn
diese Masse überstieg die Silbergewinnung eines Jahres um ein mehrfaches.*)



^) Sie betrug 11 bis 13 Millionen Pfund.
Die deutsche Geldreform

Banken, namentlich in die Preußische Bank — die Reichsbank war noch nicht
vorhanden — eingesperrt und daher unsichtbar blieb, was der Goldwährung
viel Spott zuzog. Als dann das Gold endlich in den Verkehr gelangte und
demnach der große Geldüberfluß zur Erscheinung kam, da beförderte dieser
zunächst die Gründerei; auf diese folgte, durch den Krach eingeleitet, eine
längere Depression; ein Teil des Geldes war nun überflüssig, und das Gold
begann im Juli 1874 wirklich abzufließen. Indes kam man mit der Zeit
über alle diese Schwierigkeiten hinweg, obgleich dem Verlangen Bambergers
nach einem „Münz-Stephan" nicht entsprochen wurde, und das Reichskanzler¬
amt unter Delbrücks Leitung neben seinen sonstigen ungeheuern Aufgaben auch
noch diese wahrlich nicht kleine zu lösen hatte. Daß man die Thaler nicht
allein beibehalten, sondern ihnen sogar Zahlungskraft eingeräumt hat, ist mehr
ein Schönheitsfehler — unsre Währung hinkt bekanntlich — als eine Ge¬
fährdung der Goldwährung. Die noch vorhandnen Thaler machen 380 Mil¬
lionen Mark aus; davon liegen 150 Millionen Mark überflüssig in der Neichs-
bank, die zur Regelung des Silberumlaufs nur 125 Millionen Mark an
Thalern und Scheidemünzen braucht, aber 275 Millionen hat. Wie wenig
übrigens die Reform planmäßig angelegt war, wie sehr man, ganz so wie früher
England, unter dem Drange der Umstände auf dem Wege der Abwehr von
Schädigungen hineingeriet, wird unter anderen durch die Thatsache beleuchtet,
daß schou am 3. Juli 1871, ehe sich noch die Regierungen über den Entwurf
eines provisorischen Münzgesetzes verständigt hatten, die Berliner Münze den
Silberzufluß durch die Verweigerung weiterer Silberankäufe hemmen mußte.

Über die viel umstrittne Frage, ob und in welchem Grade die Demoneti-
sierung des Silbers in Deutschland die Silberentwertung verschuldet habe,
erhält man im zweiten Bande von Helfferichs Werk den vollständigsten und
genauesten Aufschluß. Nicht bloß von Jahr zu Jahr, sondern von Vierteljahr
zu Vierteljahr und beinahe von Monat zu Monat verfolgt der Verfasser die
Bewegung des Silberpreises und die auf ihn einwirkenden Umstände. Aus
den Thatsachen geht klar hervor, daß die deutschen Silberverküufe unmittelbar
gar keinen Einfluß geübt haben. Nur durch Fälschungen ist es Otto Arendt
in seiner Schrift: „Die vertragsmäßige Doppelwährung" gelungen, einen un¬
mittelbaren Zusammenhang zwischen den deutscheu Verkäufen und dem Fall des
Silberpreises nachzuweisen. Helfferich führt in der Anmerkung auf Seite 345
einen Fall von Datumsfälschung an und bemerkt, daß solche Fälschungen in
dieser Schrift nicht etwa Ausnahmen, sondern die Regel seien. Hätte Deutsch¬
land sein ganzes überflüssiges Silber auf einmal auf den Markt geworfen, so
hätte das allerdings einen starken Preissturz zur Folge haben müssen, denn
diese Masse überstieg die Silbergewinnung eines Jahres um ein mehrfaches.*)



^) Sie betrug 11 bis 13 Millionen Pfund.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0152" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229838"/>
          <fw type="header" place="top"> Die deutsche Geldreform</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_598" prev="#ID_597"> Banken, namentlich in die Preußische Bank &#x2014; die Reichsbank war noch nicht<lb/>
vorhanden &#x2014; eingesperrt und daher unsichtbar blieb, was der Goldwährung<lb/>
viel Spott zuzog. Als dann das Gold endlich in den Verkehr gelangte und<lb/>
demnach der große Geldüberfluß zur Erscheinung kam, da beförderte dieser<lb/>
zunächst die Gründerei; auf diese folgte, durch den Krach eingeleitet, eine<lb/>
längere Depression; ein Teil des Geldes war nun überflüssig, und das Gold<lb/>
begann im Juli 1874 wirklich abzufließen. Indes kam man mit der Zeit<lb/>
über alle diese Schwierigkeiten hinweg, obgleich dem Verlangen Bambergers<lb/>
nach einem &#x201E;Münz-Stephan" nicht entsprochen wurde, und das Reichskanzler¬<lb/>
amt unter Delbrücks Leitung neben seinen sonstigen ungeheuern Aufgaben auch<lb/>
noch diese wahrlich nicht kleine zu lösen hatte. Daß man die Thaler nicht<lb/>
allein beibehalten, sondern ihnen sogar Zahlungskraft eingeräumt hat, ist mehr<lb/>
ein Schönheitsfehler &#x2014; unsre Währung hinkt bekanntlich &#x2014; als eine Ge¬<lb/>
fährdung der Goldwährung. Die noch vorhandnen Thaler machen 380 Mil¬<lb/>
lionen Mark aus; davon liegen 150 Millionen Mark überflüssig in der Neichs-<lb/>
bank, die zur Regelung des Silberumlaufs nur 125 Millionen Mark an<lb/>
Thalern und Scheidemünzen braucht, aber 275 Millionen hat. Wie wenig<lb/>
übrigens die Reform planmäßig angelegt war, wie sehr man, ganz so wie früher<lb/>
England, unter dem Drange der Umstände auf dem Wege der Abwehr von<lb/>
Schädigungen hineingeriet, wird unter anderen durch die Thatsache beleuchtet,<lb/>
daß schou am 3. Juli 1871, ehe sich noch die Regierungen über den Entwurf<lb/>
eines provisorischen Münzgesetzes verständigt hatten, die Berliner Münze den<lb/>
Silberzufluß durch die Verweigerung weiterer Silberankäufe hemmen mußte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_599" next="#ID_600"> Über die viel umstrittne Frage, ob und in welchem Grade die Demoneti-<lb/>
sierung des Silbers in Deutschland die Silberentwertung verschuldet habe,<lb/>
erhält man im zweiten Bande von Helfferichs Werk den vollständigsten und<lb/>
genauesten Aufschluß. Nicht bloß von Jahr zu Jahr, sondern von Vierteljahr<lb/>
zu Vierteljahr und beinahe von Monat zu Monat verfolgt der Verfasser die<lb/>
Bewegung des Silberpreises und die auf ihn einwirkenden Umstände. Aus<lb/>
den Thatsachen geht klar hervor, daß die deutschen Silberverküufe unmittelbar<lb/>
gar keinen Einfluß geübt haben. Nur durch Fälschungen ist es Otto Arendt<lb/>
in seiner Schrift: &#x201E;Die vertragsmäßige Doppelwährung" gelungen, einen un¬<lb/>
mittelbaren Zusammenhang zwischen den deutscheu Verkäufen und dem Fall des<lb/>
Silberpreises nachzuweisen. Helfferich führt in der Anmerkung auf Seite 345<lb/>
einen Fall von Datumsfälschung an und bemerkt, daß solche Fälschungen in<lb/>
dieser Schrift nicht etwa Ausnahmen, sondern die Regel seien. Hätte Deutsch¬<lb/>
land sein ganzes überflüssiges Silber auf einmal auf den Markt geworfen, so<lb/>
hätte das allerdings einen starken Preissturz zur Folge haben müssen, denn<lb/>
diese Masse überstieg die Silbergewinnung eines Jahres um ein mehrfaches.*)</p><lb/>
          <note xml:id="FID_29" place="foot"> ^) Sie betrug 11 bis 13 Millionen Pfund.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0152] Die deutsche Geldreform Banken, namentlich in die Preußische Bank — die Reichsbank war noch nicht vorhanden — eingesperrt und daher unsichtbar blieb, was der Goldwährung viel Spott zuzog. Als dann das Gold endlich in den Verkehr gelangte und demnach der große Geldüberfluß zur Erscheinung kam, da beförderte dieser zunächst die Gründerei; auf diese folgte, durch den Krach eingeleitet, eine längere Depression; ein Teil des Geldes war nun überflüssig, und das Gold begann im Juli 1874 wirklich abzufließen. Indes kam man mit der Zeit über alle diese Schwierigkeiten hinweg, obgleich dem Verlangen Bambergers nach einem „Münz-Stephan" nicht entsprochen wurde, und das Reichskanzler¬ amt unter Delbrücks Leitung neben seinen sonstigen ungeheuern Aufgaben auch noch diese wahrlich nicht kleine zu lösen hatte. Daß man die Thaler nicht allein beibehalten, sondern ihnen sogar Zahlungskraft eingeräumt hat, ist mehr ein Schönheitsfehler — unsre Währung hinkt bekanntlich — als eine Ge¬ fährdung der Goldwährung. Die noch vorhandnen Thaler machen 380 Mil¬ lionen Mark aus; davon liegen 150 Millionen Mark überflüssig in der Neichs- bank, die zur Regelung des Silberumlaufs nur 125 Millionen Mark an Thalern und Scheidemünzen braucht, aber 275 Millionen hat. Wie wenig übrigens die Reform planmäßig angelegt war, wie sehr man, ganz so wie früher England, unter dem Drange der Umstände auf dem Wege der Abwehr von Schädigungen hineingeriet, wird unter anderen durch die Thatsache beleuchtet, daß schou am 3. Juli 1871, ehe sich noch die Regierungen über den Entwurf eines provisorischen Münzgesetzes verständigt hatten, die Berliner Münze den Silberzufluß durch die Verweigerung weiterer Silberankäufe hemmen mußte. Über die viel umstrittne Frage, ob und in welchem Grade die Demoneti- sierung des Silbers in Deutschland die Silberentwertung verschuldet habe, erhält man im zweiten Bande von Helfferichs Werk den vollständigsten und genauesten Aufschluß. Nicht bloß von Jahr zu Jahr, sondern von Vierteljahr zu Vierteljahr und beinahe von Monat zu Monat verfolgt der Verfasser die Bewegung des Silberpreises und die auf ihn einwirkenden Umstände. Aus den Thatsachen geht klar hervor, daß die deutschen Silberverküufe unmittelbar gar keinen Einfluß geübt haben. Nur durch Fälschungen ist es Otto Arendt in seiner Schrift: „Die vertragsmäßige Doppelwährung" gelungen, einen un¬ mittelbaren Zusammenhang zwischen den deutscheu Verkäufen und dem Fall des Silberpreises nachzuweisen. Helfferich führt in der Anmerkung auf Seite 345 einen Fall von Datumsfälschung an und bemerkt, daß solche Fälschungen in dieser Schrift nicht etwa Ausnahmen, sondern die Regel seien. Hätte Deutsch¬ land sein ganzes überflüssiges Silber auf einmal auf den Markt geworfen, so hätte das allerdings einen starken Preissturz zur Folge haben müssen, denn diese Masse überstieg die Silbergewinnung eines Jahres um ein mehrfaches.*) ^) Sie betrug 11 bis 13 Millionen Pfund.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/152
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/152>, abgerufen am 23.07.2024.