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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Der Beschluß des Bundesrath in der Lippischen Thronfolgefrage

Staates Schaumburg-Lippe, weil der Inhaber der Staatsgewalt in diesem
Fürstentum auf Thron und Staatsgebiet eines andern deutschen Vundesstaats
für sich und seinen Staat Anspruch erhebt.

3. Thatsächlich ist von dem Fürsten zu Schaumburg-Lippe die An¬
gelegenheit zur Sache und zum Streit des von ihm regierten Vundesstaats
gemacht und von der Regierung dieses Staats aufgenommen worden, der Fürst
führt den Streit unter Einsetzung seiner landesherrlichen Persönlichkeit und mit
den Machtmitteln des Landesherrn.

Aus den Gesichtspunkten zu 2 und 3 ergiebt sich unmittelbar, daß
auch der Staat Schaumburg-Lippe Streitteil ist, aus dem Gesichtspunkte zu 1,
daß er es im Sinne des Artikels 76, Absatz 1 ist. Den ersten hatte ich in
meinem Gutachten vom 28. März 1898, den dritten in meinem Nachtrage
dazu in den Hamburger Nachrichten in den Vordergrund geschoben, während
sich Zorn in seinem Gutachten wesentlich auf den zweiten stützte.

Dem Bundesratsbeschlusse vom 5. Januar sind keine Entscheidungsgründe
beigegeben, es ist also auch nicht erkennbar, welche der vorstehenden Gesichts¬
punkte der Bundesrat als durchschlagend angesehen, welche er etwa nicht ge¬
billigt hat. Daß sie innerlich nicht sehr von einander verschieden sind, springt
in die Augen. Nur das ist zweifellos, daß er sich für materiell, nicht etwa
bloß formell, zuständig erklärt hat. Daraus gewinnt die Staatsrechtswifsen-
schaft für zukünftige Fälle als sicheres Ergebnis den Satz, daß, wenn der In¬
haber der Staatsgewalt eines deutschen Bundesstaats mit einem andern Bundes¬
staate über die Thronfolge in diesem im Streite liegt und den Bundesrat durch
seiue Regierung zur Erledigung dieses Streites anruft, eine Streitigkeit zwischen
verschiednen Bundesstaaten im Sinne des Artikels 76, Absatz 1 der Reichs-
verfcifsung vorliegt und die Zuständigkeit des Bundesrath begründet ist. Noch
offen geblieben ist die Frage der Zuständigkeit dagegen für den Fall, daß zwei
Vuudesfürsteu unter einander etwa um die Thronfolge in einem dritten Staate
streiten würden.

Soviel über die Zuständigkeitsfrage.

Was war nun der Gegenstand der zwischen Schaumburg-Lippe und Lippe
herrschenden Streitigkeiten?

Der eigentliche Gegenstand des Streites war die Ebenbürtigkeit der Ge¬
mahlin des jetzigen Grafregenten, der Gräfin Karoline, gebornen Gräfin
Wartensleben und somit die Suceessiousfühigkeit der Söhne aus dieser Ehe.
Den Streit hierüber hatte die lippische Regierung dadurch beendigen zu können
geglaubt, daß sie die Thronfolgefähigkeit dieser Söhne auf dem Wege der
Landesgesetzgebung festlegte. Dadurch erst ist Schaumburg-Lippe gezwungen
worden, beim Bundesrate überhaupt und namentlich schon jetzt Recht zu suchen.

Von diesem Augenblick an handelte es sich also um zwei von einander
Wohl zu unterscheidende, wenn auch innerlich im engsten Zusammenhange
stehende Streitigkeiten. Die eine dieser Streitigkeiten betrifft die Frage, ob


Der Beschluß des Bundesrath in der Lippischen Thronfolgefrage

Staates Schaumburg-Lippe, weil der Inhaber der Staatsgewalt in diesem
Fürstentum auf Thron und Staatsgebiet eines andern deutschen Vundesstaats
für sich und seinen Staat Anspruch erhebt.

3. Thatsächlich ist von dem Fürsten zu Schaumburg-Lippe die An¬
gelegenheit zur Sache und zum Streit des von ihm regierten Vundesstaats
gemacht und von der Regierung dieses Staats aufgenommen worden, der Fürst
führt den Streit unter Einsetzung seiner landesherrlichen Persönlichkeit und mit
den Machtmitteln des Landesherrn.

Aus den Gesichtspunkten zu 2 und 3 ergiebt sich unmittelbar, daß
auch der Staat Schaumburg-Lippe Streitteil ist, aus dem Gesichtspunkte zu 1,
daß er es im Sinne des Artikels 76, Absatz 1 ist. Den ersten hatte ich in
meinem Gutachten vom 28. März 1898, den dritten in meinem Nachtrage
dazu in den Hamburger Nachrichten in den Vordergrund geschoben, während
sich Zorn in seinem Gutachten wesentlich auf den zweiten stützte.

Dem Bundesratsbeschlusse vom 5. Januar sind keine Entscheidungsgründe
beigegeben, es ist also auch nicht erkennbar, welche der vorstehenden Gesichts¬
punkte der Bundesrat als durchschlagend angesehen, welche er etwa nicht ge¬
billigt hat. Daß sie innerlich nicht sehr von einander verschieden sind, springt
in die Augen. Nur das ist zweifellos, daß er sich für materiell, nicht etwa
bloß formell, zuständig erklärt hat. Daraus gewinnt die Staatsrechtswifsen-
schaft für zukünftige Fälle als sicheres Ergebnis den Satz, daß, wenn der In¬
haber der Staatsgewalt eines deutschen Bundesstaats mit einem andern Bundes¬
staate über die Thronfolge in diesem im Streite liegt und den Bundesrat durch
seiue Regierung zur Erledigung dieses Streites anruft, eine Streitigkeit zwischen
verschiednen Bundesstaaten im Sinne des Artikels 76, Absatz 1 der Reichs-
verfcifsung vorliegt und die Zuständigkeit des Bundesrath begründet ist. Noch
offen geblieben ist die Frage der Zuständigkeit dagegen für den Fall, daß zwei
Vuudesfürsteu unter einander etwa um die Thronfolge in einem dritten Staate
streiten würden.

Soviel über die Zuständigkeitsfrage.

Was war nun der Gegenstand der zwischen Schaumburg-Lippe und Lippe
herrschenden Streitigkeiten?

Der eigentliche Gegenstand des Streites war die Ebenbürtigkeit der Ge¬
mahlin des jetzigen Grafregenten, der Gräfin Karoline, gebornen Gräfin
Wartensleben und somit die Suceessiousfühigkeit der Söhne aus dieser Ehe.
Den Streit hierüber hatte die lippische Regierung dadurch beendigen zu können
geglaubt, daß sie die Thronfolgefähigkeit dieser Söhne auf dem Wege der
Landesgesetzgebung festlegte. Dadurch erst ist Schaumburg-Lippe gezwungen
worden, beim Bundesrate überhaupt und namentlich schon jetzt Recht zu suchen.

Von diesem Augenblick an handelte es sich also um zwei von einander
Wohl zu unterscheidende, wenn auch innerlich im engsten Zusammenhange
stehende Streitigkeiten. Die eine dieser Streitigkeiten betrifft die Frage, ob


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[0135] Der Beschluß des Bundesrath in der Lippischen Thronfolgefrage Staates Schaumburg-Lippe, weil der Inhaber der Staatsgewalt in diesem Fürstentum auf Thron und Staatsgebiet eines andern deutschen Vundesstaats für sich und seinen Staat Anspruch erhebt. 3. Thatsächlich ist von dem Fürsten zu Schaumburg-Lippe die An¬ gelegenheit zur Sache und zum Streit des von ihm regierten Vundesstaats gemacht und von der Regierung dieses Staats aufgenommen worden, der Fürst führt den Streit unter Einsetzung seiner landesherrlichen Persönlichkeit und mit den Machtmitteln des Landesherrn. Aus den Gesichtspunkten zu 2 und 3 ergiebt sich unmittelbar, daß auch der Staat Schaumburg-Lippe Streitteil ist, aus dem Gesichtspunkte zu 1, daß er es im Sinne des Artikels 76, Absatz 1 ist. Den ersten hatte ich in meinem Gutachten vom 28. März 1898, den dritten in meinem Nachtrage dazu in den Hamburger Nachrichten in den Vordergrund geschoben, während sich Zorn in seinem Gutachten wesentlich auf den zweiten stützte. Dem Bundesratsbeschlusse vom 5. Januar sind keine Entscheidungsgründe beigegeben, es ist also auch nicht erkennbar, welche der vorstehenden Gesichts¬ punkte der Bundesrat als durchschlagend angesehen, welche er etwa nicht ge¬ billigt hat. Daß sie innerlich nicht sehr von einander verschieden sind, springt in die Augen. Nur das ist zweifellos, daß er sich für materiell, nicht etwa bloß formell, zuständig erklärt hat. Daraus gewinnt die Staatsrechtswifsen- schaft für zukünftige Fälle als sicheres Ergebnis den Satz, daß, wenn der In¬ haber der Staatsgewalt eines deutschen Bundesstaats mit einem andern Bundes¬ staate über die Thronfolge in diesem im Streite liegt und den Bundesrat durch seiue Regierung zur Erledigung dieses Streites anruft, eine Streitigkeit zwischen verschiednen Bundesstaaten im Sinne des Artikels 76, Absatz 1 der Reichs- verfcifsung vorliegt und die Zuständigkeit des Bundesrath begründet ist. Noch offen geblieben ist die Frage der Zuständigkeit dagegen für den Fall, daß zwei Vuudesfürsteu unter einander etwa um die Thronfolge in einem dritten Staate streiten würden. Soviel über die Zuständigkeitsfrage. Was war nun der Gegenstand der zwischen Schaumburg-Lippe und Lippe herrschenden Streitigkeiten? Der eigentliche Gegenstand des Streites war die Ebenbürtigkeit der Ge¬ mahlin des jetzigen Grafregenten, der Gräfin Karoline, gebornen Gräfin Wartensleben und somit die Suceessiousfühigkeit der Söhne aus dieser Ehe. Den Streit hierüber hatte die lippische Regierung dadurch beendigen zu können geglaubt, daß sie die Thronfolgefähigkeit dieser Söhne auf dem Wege der Landesgesetzgebung festlegte. Dadurch erst ist Schaumburg-Lippe gezwungen worden, beim Bundesrate überhaupt und namentlich schon jetzt Recht zu suchen. Von diesem Augenblick an handelte es sich also um zwei von einander Wohl zu unterscheidende, wenn auch innerlich im engsten Zusammenhange stehende Streitigkeiten. Die eine dieser Streitigkeiten betrifft die Frage, ob

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/135>, abgerufen am 23.07.2024.