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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Gin mittelstaatlicher Minister in der Zeit der Reichsgründung

Württemberg langten fort und fort die besorgtesten Briefe an. Auch König
Wilhelm in Eins zweifelte noch am 13., nach der entscheidenden Unterredung
mit Venedetti, an dem Anschluß der beiden Staaten, und am 11. August
schrieb Baumgarten an Sybel in Bonn: "Es ist sehr schön, daß heute ganz
Deutschland für Bayern schwärmt. Wie es aber bis gegen den 20. in Wahrheit
stand, war weniger herrlich." In dieser drangvollen Lage sand vor allem
Jollys klare Festigkeit den richtigen Weg. "Unter der Hand alles, was möglich
ist, sagte er den besorgten Freunden, aber nicht das Geringste, was Frankreich
einen Anlaß geben kann, mit uns anzubinden." So wurden die Staatskassen
gepackt, und auf dem Bahnhof stand Tag und Nacht eine geheizte Lokomotive
bereit, um im Notfalle den Großherzog und sein Ministerium nach Wertheim
zu bringen. Aber erst am Nachmittage des 15. Juli, als die Nachricht von
Gramonts kriegerischen Erklärungen in der französischen Kammer jede friedliche
Wendung ausschloß, ergingen die Befehle zu mobilisiren und die Sprengung
der Kehler Rheinbrücke vorzubereiten. "Als am 16. morgens die Aufforderung
(ans Berlin) eintraf, mobil zu machen, konnten wir antworten, daß damit
schon begonnen sei. Abends waren schon die Regimenter von Freiburg und Konstanz
in Rastatt und die Mine mit zweihundert Zentner Pulver geladen. Am 17.
morgens kam das 34. preußische Regiment" (Vaumgarten an Sybel). Die
rohe Drohung des französischen Gesandten, des Grafen Moosbourg, wenn die
Franzosen ins Land kämen, würden sie nichts schonen, selbst die Frauen nicht,
begegnete in Karlsruhe kalter Verachtung. In der Nacht des 22. wurde die
Kehler Brücke gesprengt, ganz besonders auf Jollys Drängen, der damit aller
Welt die klare Entschlossenheit Badens zeigen wollte und die Stunden zählte,
bis es geschehen war; am 23. stand die badische Division kriegsfertig um
Rastatt versammelt, an demselben Tage begannen die norddeutschen Truppen
in der bayrischen Pfalz einzumarschieren. , Den Landtag einzuberufen hatte
man nicht für nötig gehalten, die Verwendung der soeben für Eisenbahnbauten
aufgenommnen Anleihe zu militärischen Zwecken verstand sich von selbst.

Der Eindruck der ersten siegreichen Schlachten konnte nirgends mächtiger
sein als in Baden, das durch sie aller Gefahr enthoben wurde. Von badischem
Boden und aus den Jolly nahestehenden Kreisen gingen auch die beiden wirk¬
samsten Flugschriften dieser Zeit aus. In Heidelberg schrieb Treitschke den
packenden Aufsatz: "Was fordern wir von Frankreich?" In Karlsruhe zeigte
Baumgarten "zwischen Wörth und sedem," "Wie wir wieder ein Volk ge¬
worden sind." Auch amtlich wurde der Gedanke, Elsaß und Deutsch-Lothringen
zurückzufordern, zuerst von Baden angeregt. In einer Denkschrift an den
Großherzog begründete Jolly diese Forderung mit den Rücksichten der mili¬
tärischen und politischen Sicherheit Süddeutschlands und schlug gleichzeitig
vor, das eroberte Land weder in einen neutralen Staat zu verwandeln noch
an Bayern oder Baden zu geben, sondern es mit Preußen zu vereinigen, ganz
wie Treitschke; gleichzeitig regte er den Anschluß der süddeutschen Staaten an


Gin mittelstaatlicher Minister in der Zeit der Reichsgründung

Württemberg langten fort und fort die besorgtesten Briefe an. Auch König
Wilhelm in Eins zweifelte noch am 13., nach der entscheidenden Unterredung
mit Venedetti, an dem Anschluß der beiden Staaten, und am 11. August
schrieb Baumgarten an Sybel in Bonn: „Es ist sehr schön, daß heute ganz
Deutschland für Bayern schwärmt. Wie es aber bis gegen den 20. in Wahrheit
stand, war weniger herrlich." In dieser drangvollen Lage sand vor allem
Jollys klare Festigkeit den richtigen Weg. „Unter der Hand alles, was möglich
ist, sagte er den besorgten Freunden, aber nicht das Geringste, was Frankreich
einen Anlaß geben kann, mit uns anzubinden." So wurden die Staatskassen
gepackt, und auf dem Bahnhof stand Tag und Nacht eine geheizte Lokomotive
bereit, um im Notfalle den Großherzog und sein Ministerium nach Wertheim
zu bringen. Aber erst am Nachmittage des 15. Juli, als die Nachricht von
Gramonts kriegerischen Erklärungen in der französischen Kammer jede friedliche
Wendung ausschloß, ergingen die Befehle zu mobilisiren und die Sprengung
der Kehler Rheinbrücke vorzubereiten. „Als am 16. morgens die Aufforderung
(ans Berlin) eintraf, mobil zu machen, konnten wir antworten, daß damit
schon begonnen sei. Abends waren schon die Regimenter von Freiburg und Konstanz
in Rastatt und die Mine mit zweihundert Zentner Pulver geladen. Am 17.
morgens kam das 34. preußische Regiment" (Vaumgarten an Sybel). Die
rohe Drohung des französischen Gesandten, des Grafen Moosbourg, wenn die
Franzosen ins Land kämen, würden sie nichts schonen, selbst die Frauen nicht,
begegnete in Karlsruhe kalter Verachtung. In der Nacht des 22. wurde die
Kehler Brücke gesprengt, ganz besonders auf Jollys Drängen, der damit aller
Welt die klare Entschlossenheit Badens zeigen wollte und die Stunden zählte,
bis es geschehen war; am 23. stand die badische Division kriegsfertig um
Rastatt versammelt, an demselben Tage begannen die norddeutschen Truppen
in der bayrischen Pfalz einzumarschieren. , Den Landtag einzuberufen hatte
man nicht für nötig gehalten, die Verwendung der soeben für Eisenbahnbauten
aufgenommnen Anleihe zu militärischen Zwecken verstand sich von selbst.

Der Eindruck der ersten siegreichen Schlachten konnte nirgends mächtiger
sein als in Baden, das durch sie aller Gefahr enthoben wurde. Von badischem
Boden und aus den Jolly nahestehenden Kreisen gingen auch die beiden wirk¬
samsten Flugschriften dieser Zeit aus. In Heidelberg schrieb Treitschke den
packenden Aufsatz: „Was fordern wir von Frankreich?" In Karlsruhe zeigte
Baumgarten „zwischen Wörth und sedem," „Wie wir wieder ein Volk ge¬
worden sind." Auch amtlich wurde der Gedanke, Elsaß und Deutsch-Lothringen
zurückzufordern, zuerst von Baden angeregt. In einer Denkschrift an den
Großherzog begründete Jolly diese Forderung mit den Rücksichten der mili¬
tärischen und politischen Sicherheit Süddeutschlands und schlug gleichzeitig
vor, das eroberte Land weder in einen neutralen Staat zu verwandeln noch
an Bayern oder Baden zu geben, sondern es mit Preußen zu vereinigen, ganz
wie Treitschke; gleichzeitig regte er den Anschluß der süddeutschen Staaten an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/78>, abgerufen am 12.12.2024.