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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Besitzständen verschiedner Größe zu schaffen, sei es. daß die neuen Stellen
an schou bestehende Gemeinden angeschlossen werden, sei es, daß völlig neue
Gemeinden gegründet werden. Lebensfähig aber können alle diese Gemeinden
nur sein, wenn sie mit einem so umfangreichen Gemeindevermögen ausgestattet
werden, daß aus dessen Erträgen die Gemeinde-. Schul- und Armenlasten
ganz oder doch in der Hauptsache bestritten werden können. Denn die Nenten-
gutsbesitzer sind meistens, besonders im Anfang ihrer Wirtschaftsführung, wenn
die Ergiebigkeit des Bodens ihre regelmüßige Höhe noch nicht erreicht hat,
durch die Staats- und Privatrente derart belastet, daß größere fortlaufende
Beitrüge zu öffentlichen Zwecken möglichst von ihnen fern zu halten sind.

In solchen auf der sichern Grundlage eines ertragreichen Gemeindevcr-
mögens aufgebauten Kolonien haben auch die Inhaber der kleinern Stellen
leichter Gelegenheit, sich ein größeres Anwesen zu erwerben, wenn ein
solches durch Tod, schlechte Wirtschaft und dergl. frei wird. Und wenn
das auch nicht in demselben Dorfe geschieht, so wird sich doch leicht in der
Nachbarschaft Gelegenheit dazu finden. Die Aussicht auf ein soziales Aufsteigen
ist eben durch die günstigen Bedingungen, die die Neutengutsgesctzgebung den
Bewerbern um Grundbesitz stellt, so erleichtert, daß die Inhaber kleinerer
Stellen gern ein Jahrzehnt allen Fleiß und alle Thatkraft aufwenden, um die
Mittel zu der Erwerbung eines Einspännergutes zu gewinnen. Häufig wird
ZU dem Ankauf schon ein geringerer Zeitraum genügen. Ein Bedenken gegen
die Sache selbst kann aus diesem sozialen Aufsteigen nicht hergeleitet werden.
Namentlich die Einwendung, daß dadurch ja kein seßhafter Bauernstand ge¬
schaffen werde, ist nicht stichhaltig. Durch das ganze deutsche Volk geht ein
mächtiger Drang, vorwärtszukommen und eine höhere soziale Stellung zu er¬
ringen. Soweit sich dieser Drang innerhalb gewisser Schranken hält und vor
allem nicht auf die Gewinnung äußerer Ehren gerichtet ist, kann er das Volk
wie den Einzelnen nur zum Guten führen. Wenn unsre seßhaften Landarbeiter
durch Fleiß und Sparsamkeit kleine bäuerliche Stellen, wenn die Halbbaucrn
dann Ganzbauerstelleu zu erwerben trachten, so ist das ein wohlberechtigtes
Streben, das man nur begünstigen kann. Treten an die Stelle der Besitzer
kleiner Ackerwirtschaften andre Personen, so kann dies den Rittergutsbesitzern
und Großbauern gleichgiltig sein, wenn nur tüchtige Ersatzmänner eintreten.
Und tüchtig sind solche Erwerber von Arbeiterstellen mit Ackerwirtschaft fast
ausnahmslos; zumal da sie ihre Heimstätte doch nnr mit einem kleinen er¬
warten Kapitale erwerben können.

Wie groß dieses Kapital sein muß, läßt sich nur nach den örtlichen
Bvdenpreis- und sonstigen Verhältnissen beurteilen. Die Kauflustigen werden
den meisten Füllen schon eine Kuh und einige Schweine besitzen, sie bedürfen
"tho des Kapitals in der Regel nur, um das geringe tote Inventar zu be¬
schaffen und eine müßige Anzahlung zu leisten. (Die geringen erforderlichen


Besitzständen verschiedner Größe zu schaffen, sei es. daß die neuen Stellen
an schou bestehende Gemeinden angeschlossen werden, sei es, daß völlig neue
Gemeinden gegründet werden. Lebensfähig aber können alle diese Gemeinden
nur sein, wenn sie mit einem so umfangreichen Gemeindevermögen ausgestattet
werden, daß aus dessen Erträgen die Gemeinde-. Schul- und Armenlasten
ganz oder doch in der Hauptsache bestritten werden können. Denn die Nenten-
gutsbesitzer sind meistens, besonders im Anfang ihrer Wirtschaftsführung, wenn
die Ergiebigkeit des Bodens ihre regelmüßige Höhe noch nicht erreicht hat,
durch die Staats- und Privatrente derart belastet, daß größere fortlaufende
Beitrüge zu öffentlichen Zwecken möglichst von ihnen fern zu halten sind.

In solchen auf der sichern Grundlage eines ertragreichen Gemeindevcr-
mögens aufgebauten Kolonien haben auch die Inhaber der kleinern Stellen
leichter Gelegenheit, sich ein größeres Anwesen zu erwerben, wenn ein
solches durch Tod, schlechte Wirtschaft und dergl. frei wird. Und wenn
das auch nicht in demselben Dorfe geschieht, so wird sich doch leicht in der
Nachbarschaft Gelegenheit dazu finden. Die Aussicht auf ein soziales Aufsteigen
ist eben durch die günstigen Bedingungen, die die Neutengutsgesctzgebung den
Bewerbern um Grundbesitz stellt, so erleichtert, daß die Inhaber kleinerer
Stellen gern ein Jahrzehnt allen Fleiß und alle Thatkraft aufwenden, um die
Mittel zu der Erwerbung eines Einspännergutes zu gewinnen. Häufig wird
ZU dem Ankauf schon ein geringerer Zeitraum genügen. Ein Bedenken gegen
die Sache selbst kann aus diesem sozialen Aufsteigen nicht hergeleitet werden.
Namentlich die Einwendung, daß dadurch ja kein seßhafter Bauernstand ge¬
schaffen werde, ist nicht stichhaltig. Durch das ganze deutsche Volk geht ein
mächtiger Drang, vorwärtszukommen und eine höhere soziale Stellung zu er¬
ringen. Soweit sich dieser Drang innerhalb gewisser Schranken hält und vor
allem nicht auf die Gewinnung äußerer Ehren gerichtet ist, kann er das Volk
wie den Einzelnen nur zum Guten führen. Wenn unsre seßhaften Landarbeiter
durch Fleiß und Sparsamkeit kleine bäuerliche Stellen, wenn die Halbbaucrn
dann Ganzbauerstelleu zu erwerben trachten, so ist das ein wohlberechtigtes
Streben, das man nur begünstigen kann. Treten an die Stelle der Besitzer
kleiner Ackerwirtschaften andre Personen, so kann dies den Rittergutsbesitzern
und Großbauern gleichgiltig sein, wenn nur tüchtige Ersatzmänner eintreten.
Und tüchtig sind solche Erwerber von Arbeiterstellen mit Ackerwirtschaft fast
ausnahmslos; zumal da sie ihre Heimstätte doch nnr mit einem kleinen er¬
warten Kapitale erwerben können.

Wie groß dieses Kapital sein muß, läßt sich nur nach den örtlichen
Bvdenpreis- und sonstigen Verhältnissen beurteilen. Die Kauflustigen werden
den meisten Füllen schon eine Kuh und einige Schweine besitzen, sie bedürfen
"tho des Kapitals in der Regel nur, um das geringe tote Inventar zu be¬
schaffen und eine müßige Anzahlung zu leisten. (Die geringen erforderlichen


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[0071] Besitzständen verschiedner Größe zu schaffen, sei es. daß die neuen Stellen an schou bestehende Gemeinden angeschlossen werden, sei es, daß völlig neue Gemeinden gegründet werden. Lebensfähig aber können alle diese Gemeinden nur sein, wenn sie mit einem so umfangreichen Gemeindevermögen ausgestattet werden, daß aus dessen Erträgen die Gemeinde-. Schul- und Armenlasten ganz oder doch in der Hauptsache bestritten werden können. Denn die Nenten- gutsbesitzer sind meistens, besonders im Anfang ihrer Wirtschaftsführung, wenn die Ergiebigkeit des Bodens ihre regelmüßige Höhe noch nicht erreicht hat, durch die Staats- und Privatrente derart belastet, daß größere fortlaufende Beitrüge zu öffentlichen Zwecken möglichst von ihnen fern zu halten sind. In solchen auf der sichern Grundlage eines ertragreichen Gemeindevcr- mögens aufgebauten Kolonien haben auch die Inhaber der kleinern Stellen leichter Gelegenheit, sich ein größeres Anwesen zu erwerben, wenn ein solches durch Tod, schlechte Wirtschaft und dergl. frei wird. Und wenn das auch nicht in demselben Dorfe geschieht, so wird sich doch leicht in der Nachbarschaft Gelegenheit dazu finden. Die Aussicht auf ein soziales Aufsteigen ist eben durch die günstigen Bedingungen, die die Neutengutsgesctzgebung den Bewerbern um Grundbesitz stellt, so erleichtert, daß die Inhaber kleinerer Stellen gern ein Jahrzehnt allen Fleiß und alle Thatkraft aufwenden, um die Mittel zu der Erwerbung eines Einspännergutes zu gewinnen. Häufig wird ZU dem Ankauf schon ein geringerer Zeitraum genügen. Ein Bedenken gegen die Sache selbst kann aus diesem sozialen Aufsteigen nicht hergeleitet werden. Namentlich die Einwendung, daß dadurch ja kein seßhafter Bauernstand ge¬ schaffen werde, ist nicht stichhaltig. Durch das ganze deutsche Volk geht ein mächtiger Drang, vorwärtszukommen und eine höhere soziale Stellung zu er¬ ringen. Soweit sich dieser Drang innerhalb gewisser Schranken hält und vor allem nicht auf die Gewinnung äußerer Ehren gerichtet ist, kann er das Volk wie den Einzelnen nur zum Guten führen. Wenn unsre seßhaften Landarbeiter durch Fleiß und Sparsamkeit kleine bäuerliche Stellen, wenn die Halbbaucrn dann Ganzbauerstelleu zu erwerben trachten, so ist das ein wohlberechtigtes Streben, das man nur begünstigen kann. Treten an die Stelle der Besitzer kleiner Ackerwirtschaften andre Personen, so kann dies den Rittergutsbesitzern und Großbauern gleichgiltig sein, wenn nur tüchtige Ersatzmänner eintreten. Und tüchtig sind solche Erwerber von Arbeiterstellen mit Ackerwirtschaft fast ausnahmslos; zumal da sie ihre Heimstätte doch nnr mit einem kleinen er¬ warten Kapitale erwerben können. Wie groß dieses Kapital sein muß, läßt sich nur nach den örtlichen Bvdenpreis- und sonstigen Verhältnissen beurteilen. Die Kauflustigen werden den meisten Füllen schon eine Kuh und einige Schweine besitzen, sie bedürfen "tho des Kapitals in der Regel nur, um das geringe tote Inventar zu be¬ schaffen und eine müßige Anzahlung zu leisten. (Die geringen erforderlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/71>, abgerufen am 24.07.2024.