Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die vereinigten Staaten im Kampfe für Freiheit und Humanität

festigen. Eine solch menschenunwürdige Einrichtung wie die Sklaverei war
denn die europäische Herrschaft wahrlich noch nicht. Damals tauchte die
kubanische Frage zuerst auf. Die Südlichen wollten die Annexion der Insel,
weil dort noch die Sklaverei herrschte, und sie damit ihre Herrschaft in der
Union erweitert hätten. Als dann 1849 der Spanier Lopez mit Söhnen südlicher
reicher Sklavenhalter und mit ähnlich zusammengewürfelten Gesindel, wie es
die "Söhne der Freiheit," die kubanischen Insurgenten, sind, seinen vollständig
mißlungnen Einfall nach Kuba unternahm, antwortete der auf die Macht der
Südlichen eifersüchtige Norden mit einem Gegenschachzug: er ließ bekannt
machen, daß der kubanische Generalkapitän Auftrag habe, im Falle eines Auf-
standes alle Sklaven auf Kuba für frei zu erklären! Die Sklaverei hat dort
thatsächlich noch bis 1880 bestanden. Die Angliederung der Insel wurde aber
später aus rein politischen Gründen für wünschenswert gehalten, die in der
Wichtigkeit des Panamakanals für die Vereinigten Staaten gipfeln. Heute erklärt
McKinleys Freund, der Senator Harras, die Insel anzugliedern, und eine
That für die Freiheit und Zivilisation der Menschheit gethan zu haben, einfach
für ein und dasselbe. Wenn auch Ordnung geschaffen werden wird durch die
Amerikaner, und Handel und Industrie aufblühen werden, so ist es doch eine
ganz andre Frage, ob sich dieselben Aufständischen, die sich jetzt so für die
amerikanischen Befreier erwärmen, unter der Herrschaft einer ganz fremdartige"
Nasse wohler fühlen werden, als nnter den ihnen stammverwandten Spanier",
die doch zur Gewährung von Selbstverwaltung bereit waren. Mit dein Kampfe
für die Größe Amerikas und für die Zivilisation mag es schon seine Nichtig¬
keit haben, mit dem Kampf um die "Freiheit" Kubas steht es aber, bei Lichte
besehen, auch heute noch äußerst zweifelhaft.

Ein höchst belehrendes Gegenstück zu der Verherrlichung der Monroelehre
und des "Befreiungskampfes" auf Kuba zeigt der Entrüstuugssturm, der durch
die Reihen der südlichen Politiker tobte, als die Republik Kolumbien ganz
naiv und den Absichten der Monroelehre entsprechend bei der Washingtoner
Regierung beantragte, das von Sklaven befreite und nunmehr von Negern
regierte Hapel "als gleichberechtigtes Glied der amerikanischen Völkerfamilie"
anzuerkennen. Damals hörte man keine rührenden Klagen über die Bedrückungen
dieser armen Neger durch die Franzosen, wie sie vor dem jetzigen Kriege die
amerikanische Presse so oft herzerweichend anzustimmen pflegte, sondern das
harte, stolze Wort tönte denen, die für Hapel ihre Stimme zu erheben wagten,
entgegen: "Der Friede von elf Staaten erlaubt es nicht, die Thatsache zu sehen
oder nur auszusprechen, daß die Sklaven Haytis für den Mord ihrer Herren
oder Herrinnen Freunde unter der weißen Bevölkerung dieser Vereinigte"
Staaten finden sollten." Und Hapel mußte vergeblich auf die Anerkennung
der Union warten. In jenen Zeiten, wo die Sklavenhalter, in ihren: Reichtum
bedroht, ihre Wühlarbeit zu Gunsten der "göttlichen Institution" der Sklaverei


Die vereinigten Staaten im Kampfe für Freiheit und Humanität

festigen. Eine solch menschenunwürdige Einrichtung wie die Sklaverei war
denn die europäische Herrschaft wahrlich noch nicht. Damals tauchte die
kubanische Frage zuerst auf. Die Südlichen wollten die Annexion der Insel,
weil dort noch die Sklaverei herrschte, und sie damit ihre Herrschaft in der
Union erweitert hätten. Als dann 1849 der Spanier Lopez mit Söhnen südlicher
reicher Sklavenhalter und mit ähnlich zusammengewürfelten Gesindel, wie es
die „Söhne der Freiheit," die kubanischen Insurgenten, sind, seinen vollständig
mißlungnen Einfall nach Kuba unternahm, antwortete der auf die Macht der
Südlichen eifersüchtige Norden mit einem Gegenschachzug: er ließ bekannt
machen, daß der kubanische Generalkapitän Auftrag habe, im Falle eines Auf-
standes alle Sklaven auf Kuba für frei zu erklären! Die Sklaverei hat dort
thatsächlich noch bis 1880 bestanden. Die Angliederung der Insel wurde aber
später aus rein politischen Gründen für wünschenswert gehalten, die in der
Wichtigkeit des Panamakanals für die Vereinigten Staaten gipfeln. Heute erklärt
McKinleys Freund, der Senator Harras, die Insel anzugliedern, und eine
That für die Freiheit und Zivilisation der Menschheit gethan zu haben, einfach
für ein und dasselbe. Wenn auch Ordnung geschaffen werden wird durch die
Amerikaner, und Handel und Industrie aufblühen werden, so ist es doch eine
ganz andre Frage, ob sich dieselben Aufständischen, die sich jetzt so für die
amerikanischen Befreier erwärmen, unter der Herrschaft einer ganz fremdartige»
Nasse wohler fühlen werden, als nnter den ihnen stammverwandten Spanier»,
die doch zur Gewährung von Selbstverwaltung bereit waren. Mit dein Kampfe
für die Größe Amerikas und für die Zivilisation mag es schon seine Nichtig¬
keit haben, mit dem Kampf um die „Freiheit" Kubas steht es aber, bei Lichte
besehen, auch heute noch äußerst zweifelhaft.

Ein höchst belehrendes Gegenstück zu der Verherrlichung der Monroelehre
und des „Befreiungskampfes" auf Kuba zeigt der Entrüstuugssturm, der durch
die Reihen der südlichen Politiker tobte, als die Republik Kolumbien ganz
naiv und den Absichten der Monroelehre entsprechend bei der Washingtoner
Regierung beantragte, das von Sklaven befreite und nunmehr von Negern
regierte Hapel „als gleichberechtigtes Glied der amerikanischen Völkerfamilie"
anzuerkennen. Damals hörte man keine rührenden Klagen über die Bedrückungen
dieser armen Neger durch die Franzosen, wie sie vor dem jetzigen Kriege die
amerikanische Presse so oft herzerweichend anzustimmen pflegte, sondern das
harte, stolze Wort tönte denen, die für Hapel ihre Stimme zu erheben wagten,
entgegen: „Der Friede von elf Staaten erlaubt es nicht, die Thatsache zu sehen
oder nur auszusprechen, daß die Sklaven Haytis für den Mord ihrer Herren
oder Herrinnen Freunde unter der weißen Bevölkerung dieser Vereinigte»
Staaten finden sollten." Und Hapel mußte vergeblich auf die Anerkennung
der Union warten. In jenen Zeiten, wo die Sklavenhalter, in ihren: Reichtum
bedroht, ihre Wühlarbeit zu Gunsten der „göttlichen Institution" der Sklaverei


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0693" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229642"/>
          <fw type="header" place="top"> Die vereinigten Staaten im Kampfe für Freiheit und Humanität</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2422" prev="#ID_2421"> festigen. Eine solch menschenunwürdige Einrichtung wie die Sklaverei war<lb/>
denn die europäische Herrschaft wahrlich noch nicht. Damals tauchte die<lb/>
kubanische Frage zuerst auf. Die Südlichen wollten die Annexion der Insel,<lb/>
weil dort noch die Sklaverei herrschte, und sie damit ihre Herrschaft in der<lb/>
Union erweitert hätten. Als dann 1849 der Spanier Lopez mit Söhnen südlicher<lb/>
reicher Sklavenhalter und mit ähnlich zusammengewürfelten Gesindel, wie es<lb/>
die &#x201E;Söhne der Freiheit," die kubanischen Insurgenten, sind, seinen vollständig<lb/>
mißlungnen Einfall nach Kuba unternahm, antwortete der auf die Macht der<lb/>
Südlichen eifersüchtige Norden mit einem Gegenschachzug: er ließ bekannt<lb/>
machen, daß der kubanische Generalkapitän Auftrag habe, im Falle eines Auf-<lb/>
standes alle Sklaven auf Kuba für frei zu erklären! Die Sklaverei hat dort<lb/>
thatsächlich noch bis 1880 bestanden. Die Angliederung der Insel wurde aber<lb/>
später aus rein politischen Gründen für wünschenswert gehalten, die in der<lb/>
Wichtigkeit des Panamakanals für die Vereinigten Staaten gipfeln. Heute erklärt<lb/>
McKinleys Freund, der Senator Harras, die Insel anzugliedern, und eine<lb/>
That für die Freiheit und Zivilisation der Menschheit gethan zu haben, einfach<lb/>
für ein und dasselbe. Wenn auch Ordnung geschaffen werden wird durch die<lb/>
Amerikaner, und Handel und Industrie aufblühen werden, so ist es doch eine<lb/>
ganz andre Frage, ob sich dieselben Aufständischen, die sich jetzt so für die<lb/>
amerikanischen Befreier erwärmen, unter der Herrschaft einer ganz fremdartige»<lb/>
Nasse wohler fühlen werden, als nnter den ihnen stammverwandten Spanier»,<lb/>
die doch zur Gewährung von Selbstverwaltung bereit waren. Mit dein Kampfe<lb/>
für die Größe Amerikas und für die Zivilisation mag es schon seine Nichtig¬<lb/>
keit haben, mit dem Kampf um die &#x201E;Freiheit" Kubas steht es aber, bei Lichte<lb/>
besehen, auch heute noch äußerst zweifelhaft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2423" next="#ID_2424"> Ein höchst belehrendes Gegenstück zu der Verherrlichung der Monroelehre<lb/>
und des &#x201E;Befreiungskampfes" auf Kuba zeigt der Entrüstuugssturm, der durch<lb/>
die Reihen der südlichen Politiker tobte, als die Republik Kolumbien ganz<lb/>
naiv und den Absichten der Monroelehre entsprechend bei der Washingtoner<lb/>
Regierung beantragte, das von Sklaven befreite und nunmehr von Negern<lb/>
regierte Hapel &#x201E;als gleichberechtigtes Glied der amerikanischen Völkerfamilie"<lb/>
anzuerkennen. Damals hörte man keine rührenden Klagen über die Bedrückungen<lb/>
dieser armen Neger durch die Franzosen, wie sie vor dem jetzigen Kriege die<lb/>
amerikanische Presse so oft herzerweichend anzustimmen pflegte, sondern das<lb/>
harte, stolze Wort tönte denen, die für Hapel ihre Stimme zu erheben wagten,<lb/>
entgegen: &#x201E;Der Friede von elf Staaten erlaubt es nicht, die Thatsache zu sehen<lb/>
oder nur auszusprechen, daß die Sklaven Haytis für den Mord ihrer Herren<lb/>
oder Herrinnen Freunde unter der weißen Bevölkerung dieser Vereinigte»<lb/>
Staaten finden sollten." Und Hapel mußte vergeblich auf die Anerkennung<lb/>
der Union warten. In jenen Zeiten, wo die Sklavenhalter, in ihren: Reichtum<lb/>
bedroht, ihre Wühlarbeit zu Gunsten der &#x201E;göttlichen Institution" der Sklaverei</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0693] Die vereinigten Staaten im Kampfe für Freiheit und Humanität festigen. Eine solch menschenunwürdige Einrichtung wie die Sklaverei war denn die europäische Herrschaft wahrlich noch nicht. Damals tauchte die kubanische Frage zuerst auf. Die Südlichen wollten die Annexion der Insel, weil dort noch die Sklaverei herrschte, und sie damit ihre Herrschaft in der Union erweitert hätten. Als dann 1849 der Spanier Lopez mit Söhnen südlicher reicher Sklavenhalter und mit ähnlich zusammengewürfelten Gesindel, wie es die „Söhne der Freiheit," die kubanischen Insurgenten, sind, seinen vollständig mißlungnen Einfall nach Kuba unternahm, antwortete der auf die Macht der Südlichen eifersüchtige Norden mit einem Gegenschachzug: er ließ bekannt machen, daß der kubanische Generalkapitän Auftrag habe, im Falle eines Auf- standes alle Sklaven auf Kuba für frei zu erklären! Die Sklaverei hat dort thatsächlich noch bis 1880 bestanden. Die Angliederung der Insel wurde aber später aus rein politischen Gründen für wünschenswert gehalten, die in der Wichtigkeit des Panamakanals für die Vereinigten Staaten gipfeln. Heute erklärt McKinleys Freund, der Senator Harras, die Insel anzugliedern, und eine That für die Freiheit und Zivilisation der Menschheit gethan zu haben, einfach für ein und dasselbe. Wenn auch Ordnung geschaffen werden wird durch die Amerikaner, und Handel und Industrie aufblühen werden, so ist es doch eine ganz andre Frage, ob sich dieselben Aufständischen, die sich jetzt so für die amerikanischen Befreier erwärmen, unter der Herrschaft einer ganz fremdartige» Nasse wohler fühlen werden, als nnter den ihnen stammverwandten Spanier», die doch zur Gewährung von Selbstverwaltung bereit waren. Mit dein Kampfe für die Größe Amerikas und für die Zivilisation mag es schon seine Nichtig¬ keit haben, mit dem Kampf um die „Freiheit" Kubas steht es aber, bei Lichte besehen, auch heute noch äußerst zweifelhaft. Ein höchst belehrendes Gegenstück zu der Verherrlichung der Monroelehre und des „Befreiungskampfes" auf Kuba zeigt der Entrüstuugssturm, der durch die Reihen der südlichen Politiker tobte, als die Republik Kolumbien ganz naiv und den Absichten der Monroelehre entsprechend bei der Washingtoner Regierung beantragte, das von Sklaven befreite und nunmehr von Negern regierte Hapel „als gleichberechtigtes Glied der amerikanischen Völkerfamilie" anzuerkennen. Damals hörte man keine rührenden Klagen über die Bedrückungen dieser armen Neger durch die Franzosen, wie sie vor dem jetzigen Kriege die amerikanische Presse so oft herzerweichend anzustimmen pflegte, sondern das harte, stolze Wort tönte denen, die für Hapel ihre Stimme zu erheben wagten, entgegen: „Der Friede von elf Staaten erlaubt es nicht, die Thatsache zu sehen oder nur auszusprechen, daß die Sklaven Haytis für den Mord ihrer Herren oder Herrinnen Freunde unter der weißen Bevölkerung dieser Vereinigte» Staaten finden sollten." Und Hapel mußte vergeblich auf die Anerkennung der Union warten. In jenen Zeiten, wo die Sklavenhalter, in ihren: Reichtum bedroht, ihre Wühlarbeit zu Gunsten der „göttlichen Institution" der Sklaverei

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/693
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/693>, abgerufen am 23.06.2024.