Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Spuren im Schnee

Er warf einen hastigen Blick auf die erste Seite und las: (^nudus autsm
6ux Assuiei -- ja, das war die Knudschronik!

Und Ellen und der Leutnant standen Hand in Hand da, als sei dies ihr
Kvnigsbrief/) den der Doktor dort vorlas.




Am Abend reisten der Leutnant und der Doktor.

Auf dem Wege zum Bahnhof sagte der Leutnant:'

Was glauben Sie übrigens, was Ihr Kollege im Archiv, Doktor Thorby
-- der ja Anders Sörensen Wedels Notiz gesunde" hat -- dazu sagen wird, daß
Sie das Manuskript geholt haben?

Doktor Thorby? -- woher wissen Sie das?

Das haben Sie mir ja selber erzählt.

Ich?

Ja, in dem Coupee zwischen Kopenhagen und Korsör!

Waren Sie das!

Ja, das war ich allerdings!

Und Sie machten sich zu nutze, was --

Ja, das that ich -- und das war natürlich nicht so ganz richtig von mir;
aber ich hatte meine eignen, besondern Gründe dazu, und ich bin Ihnen doch sicher
ein wenig nützlich gewesen -- bei den "gröbern" Voruntersuchungen --, nicht
wahr? Und schließlich waren es doch Sie, der das Manuskript gefunden hat!

Ja, das war ich! Und ich werde es auch herausgeben!

Ja, so verhält sich die Sache!

Als die beiden Reisegenossen bei der ländlichen Bahnstation aus dem Schlitten
stiegen und sich der geliehenen Pelze entledigten, stand der Doktor in einem wunder¬
lichen altmodischen Mantelkragen da, worin er sich bisher nicht hatte sehen lassen,
der dem Leutnant aber ganz merkwürdig bekannt vorkam.

Wohnen Sie im Jermerturm? fragte der Leutnant und Päckte ihn beim
Arme.

Im Jermerturm? Wollen Sie sich über mich lustig machen? Nein, ich
wohne am Westwalle!

Waren Sie am Abend vor Ihrer Abreise noch spät auf der Straße?

Am Abend vor meiner Abreise? Nein! -- Doch, ich war ja bei meinem
Bruder gewesen.

Und Sie gingen über den Boulevard nach Hause?

Ja, jetzt entsinne ich mich dessen: da war jemand, der mich verfolgte, und ich
wurde ganz bange -- und schließlich rannte ich nach Hanse.

Doktor, Doktor! rief der Leutnant und klopfte ihn auf die Schulter, Sie sind
doch meine gute Fee gewesen! Sie haben mich erst ins Mittelalter und dann
in den siebenten Himmel hineingeführt -- das werde ich Ihnen niemals ver¬
gessen!




Und nun fragt es sich ja nur, ob sich das Manuskript -- Codex NüKKo-
visnsis, wie der Doktor es alsbald getauft hatte -- bei näherer Untersuchung wirt-



*) Disvensation von dein kirchlichen Aufgebot vor der Trauung.
Spuren im Schnee

Er warf einen hastigen Blick auf die erste Seite und las: (^nudus autsm
6ux Assuiei — ja, das war die Knudschronik!

Und Ellen und der Leutnant standen Hand in Hand da, als sei dies ihr
Kvnigsbrief/) den der Doktor dort vorlas.




Am Abend reisten der Leutnant und der Doktor.

Auf dem Wege zum Bahnhof sagte der Leutnant:'

Was glauben Sie übrigens, was Ihr Kollege im Archiv, Doktor Thorby
— der ja Anders Sörensen Wedels Notiz gesunde» hat — dazu sagen wird, daß
Sie das Manuskript geholt haben?

Doktor Thorby? — woher wissen Sie das?

Das haben Sie mir ja selber erzählt.

Ich?

Ja, in dem Coupee zwischen Kopenhagen und Korsör!

Waren Sie das!

Ja, das war ich allerdings!

Und Sie machten sich zu nutze, was —

Ja, das that ich — und das war natürlich nicht so ganz richtig von mir;
aber ich hatte meine eignen, besondern Gründe dazu, und ich bin Ihnen doch sicher
ein wenig nützlich gewesen — bei den „gröbern" Voruntersuchungen —, nicht
wahr? Und schließlich waren es doch Sie, der das Manuskript gefunden hat!

Ja, das war ich! Und ich werde es auch herausgeben!

Ja, so verhält sich die Sache!

Als die beiden Reisegenossen bei der ländlichen Bahnstation aus dem Schlitten
stiegen und sich der geliehenen Pelze entledigten, stand der Doktor in einem wunder¬
lichen altmodischen Mantelkragen da, worin er sich bisher nicht hatte sehen lassen,
der dem Leutnant aber ganz merkwürdig bekannt vorkam.

Wohnen Sie im Jermerturm? fragte der Leutnant und Päckte ihn beim
Arme.

Im Jermerturm? Wollen Sie sich über mich lustig machen? Nein, ich
wohne am Westwalle!

Waren Sie am Abend vor Ihrer Abreise noch spät auf der Straße?

Am Abend vor meiner Abreise? Nein! — Doch, ich war ja bei meinem
Bruder gewesen.

Und Sie gingen über den Boulevard nach Hause?

Ja, jetzt entsinne ich mich dessen: da war jemand, der mich verfolgte, und ich
wurde ganz bange — und schließlich rannte ich nach Hanse.

Doktor, Doktor! rief der Leutnant und klopfte ihn auf die Schulter, Sie sind
doch meine gute Fee gewesen! Sie haben mich erst ins Mittelalter und dann
in den siebenten Himmel hineingeführt — das werde ich Ihnen niemals ver¬
gessen!




Und nun fragt es sich ja nur, ob sich das Manuskript — Codex NüKKo-
visnsis, wie der Doktor es alsbald getauft hatte — bei näherer Untersuchung wirt-



*) Disvensation von dein kirchlichen Aufgebot vor der Trauung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0667" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229616"/>
            <fw type="header" place="top"> Spuren im Schnee</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2331"> Er warf einen hastigen Blick auf die erste Seite und las: (^nudus autsm<lb/>
6ux Assuiei &#x2014; ja, das war die Knudschronik!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2332"> Und Ellen und der Leutnant standen Hand in Hand da, als sei dies ihr<lb/>
Kvnigsbrief/) den der Doktor dort vorlas.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p xml:id="ID_2333"> Am Abend reisten der Leutnant und der Doktor.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2334"> Auf dem Wege zum Bahnhof sagte der Leutnant:'</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2335"> Was glauben Sie übrigens, was Ihr Kollege im Archiv, Doktor Thorby<lb/>
&#x2014; der ja Anders Sörensen Wedels Notiz gesunde» hat &#x2014; dazu sagen wird, daß<lb/>
Sie das Manuskript geholt haben?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2336"> Doktor Thorby? &#x2014; woher wissen Sie das?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2337"> Das haben Sie mir ja selber erzählt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2338"> Ich?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2339"> Ja, in dem Coupee zwischen Kopenhagen und Korsör!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2340"> Waren Sie das!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2341"> Ja, das war ich allerdings!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2342"> Und Sie machten sich zu nutze, was &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2343"> Ja, das that ich &#x2014; und das war natürlich nicht so ganz richtig von mir;<lb/>
aber ich hatte meine eignen, besondern Gründe dazu, und ich bin Ihnen doch sicher<lb/>
ein wenig nützlich gewesen &#x2014; bei den &#x201E;gröbern" Voruntersuchungen &#x2014;, nicht<lb/>
wahr?  Und schließlich waren es doch Sie, der das Manuskript gefunden hat!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2344"> Ja, das war ich!  Und ich werde es auch herausgeben!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2345"> Ja, so verhält sich die Sache!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2346"> Als die beiden Reisegenossen bei der ländlichen Bahnstation aus dem Schlitten<lb/>
stiegen und sich der geliehenen Pelze entledigten, stand der Doktor in einem wunder¬<lb/>
lichen altmodischen Mantelkragen da, worin er sich bisher nicht hatte sehen lassen,<lb/>
der dem Leutnant aber ganz merkwürdig bekannt vorkam.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2347"> Wohnen Sie im Jermerturm? fragte der Leutnant und Päckte ihn beim<lb/>
Arme.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2348"> Im Jermerturm? Wollen Sie sich über mich lustig machen? Nein, ich<lb/>
wohne am Westwalle!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2349"> Waren Sie am Abend vor Ihrer Abreise noch spät auf der Straße?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2350"> Am Abend vor meiner Abreise? Nein! &#x2014; Doch, ich war ja bei meinem<lb/>
Bruder gewesen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2351"> Und Sie gingen über den Boulevard nach Hause?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2352"> Ja, jetzt entsinne ich mich dessen: da war jemand, der mich verfolgte, und ich<lb/>
wurde ganz bange &#x2014; und schließlich rannte ich nach Hanse.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2353"> Doktor, Doktor! rief der Leutnant und klopfte ihn auf die Schulter, Sie sind<lb/>
doch meine gute Fee gewesen! Sie haben mich erst ins Mittelalter und dann<lb/>
in den siebenten Himmel hineingeführt &#x2014; das werde ich Ihnen niemals ver¬<lb/>
gessen!</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p xml:id="ID_2354" next="#ID_2355"> Und nun fragt es sich ja nur, ob sich das Manuskript &#x2014; Codex NüKKo-<lb/>
visnsis, wie der Doktor es alsbald getauft hatte &#x2014; bei näherer Untersuchung wirt-</p><lb/>
            <note xml:id="FID_72" place="foot"> *) Disvensation von dein kirchlichen Aufgebot vor der Trauung.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0667] Spuren im Schnee Er warf einen hastigen Blick auf die erste Seite und las: (^nudus autsm 6ux Assuiei — ja, das war die Knudschronik! Und Ellen und der Leutnant standen Hand in Hand da, als sei dies ihr Kvnigsbrief/) den der Doktor dort vorlas. Am Abend reisten der Leutnant und der Doktor. Auf dem Wege zum Bahnhof sagte der Leutnant:' Was glauben Sie übrigens, was Ihr Kollege im Archiv, Doktor Thorby — der ja Anders Sörensen Wedels Notiz gesunde» hat — dazu sagen wird, daß Sie das Manuskript geholt haben? Doktor Thorby? — woher wissen Sie das? Das haben Sie mir ja selber erzählt. Ich? Ja, in dem Coupee zwischen Kopenhagen und Korsör! Waren Sie das! Ja, das war ich allerdings! Und Sie machten sich zu nutze, was — Ja, das that ich — und das war natürlich nicht so ganz richtig von mir; aber ich hatte meine eignen, besondern Gründe dazu, und ich bin Ihnen doch sicher ein wenig nützlich gewesen — bei den „gröbern" Voruntersuchungen —, nicht wahr? Und schließlich waren es doch Sie, der das Manuskript gefunden hat! Ja, das war ich! Und ich werde es auch herausgeben! Ja, so verhält sich die Sache! Als die beiden Reisegenossen bei der ländlichen Bahnstation aus dem Schlitten stiegen und sich der geliehenen Pelze entledigten, stand der Doktor in einem wunder¬ lichen altmodischen Mantelkragen da, worin er sich bisher nicht hatte sehen lassen, der dem Leutnant aber ganz merkwürdig bekannt vorkam. Wohnen Sie im Jermerturm? fragte der Leutnant und Päckte ihn beim Arme. Im Jermerturm? Wollen Sie sich über mich lustig machen? Nein, ich wohne am Westwalle! Waren Sie am Abend vor Ihrer Abreise noch spät auf der Straße? Am Abend vor meiner Abreise? Nein! — Doch, ich war ja bei meinem Bruder gewesen. Und Sie gingen über den Boulevard nach Hause? Ja, jetzt entsinne ich mich dessen: da war jemand, der mich verfolgte, und ich wurde ganz bange — und schließlich rannte ich nach Hanse. Doktor, Doktor! rief der Leutnant und klopfte ihn auf die Schulter, Sie sind doch meine gute Fee gewesen! Sie haben mich erst ins Mittelalter und dann in den siebenten Himmel hineingeführt — das werde ich Ihnen niemals ver¬ gessen! Und nun fragt es sich ja nur, ob sich das Manuskript — Codex NüKKo- visnsis, wie der Doktor es alsbald getauft hatte — bei näherer Untersuchung wirt- *) Disvensation von dein kirchlichen Aufgebot vor der Trauung.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/667
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/667>, abgerufen am 02.07.2024.