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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die Interessengemeinschaft zwischen Agrarier" und Arbeitern

ist. daß jede agrarische oder ständische Selbstsucht zurückgewiesen wird. Die
Wohlthaten des Monopols sollen durch Gegenleistungen der Bedachten ver¬
golten werden, vor allem so, daß die Bedachten in Zukunft nicht bloß für
sich, sondern anch für das Gemeinwohl wirtschaften: fiir die Selbständigkeit
des Staats, die einen möglichst umfassenden Anbau der Brotfrucht verlangt,
""d für den abhängigen Teil der landwirtschaftlichen Bevölkerung, dem die
Scholle wieder heimisch werden muß. Je größer der Besitz, desto größer die
Gegenleistung. NodlosM odligs. Die Vorschlage des Verfassers greifen durch,
knüpfen jedoch überall an das Bestehende an und lehnen eine Vermehrung des
bureaukratischen Apparats ab. Der Gemeinsinn braucht keine neuen Formen,
um sich bethätigen zu können, er muß uur in den alten wieder lebendig werden,
um die neuen Aufgaben zu erfüllen. Die Umrisse der künftigen Thätigkeit
sind vom Verfasser knapp, aber scharf vorgezeichnet. Gegen die Industrie ist
diese Agrarpolitik nicht gerichtet, sondern sie würde ihren nationalen Ertrag
und ihre Fähigkeit zu internationalem Wettbewerb steigern. Finanziell würde
sich das Monopol selbst ernähren und die anfänglichen Opfer reichlich wieder
einbringen."

Der geistige Feinschmecker wird bei Kühn einen weniger reich gedeckten
Tisch finden als bei Otto, denn bei diesem bleibt kaum ein Teil der sozialen
Frage unbeleuchtet, während sich jener streng an seine beschränkte Aufgabe hält.
Aber diese umfänglich beschränktere Aufgabe hat Kühn mit größerer Voll¬
ständigkeit gelöst: seine Vorschläge für die Durchführung des Monopols füllen
den größten Teil seiner Schrift aus. wobei er Seite 41 bis 46 die Grund¬
züge der Durchführung, knapp zusammengefaßt, voranstellt und dann bis
Seite 10ö die Grundzüge erläutert. So kommt es. daß Kühn, der es ab¬
lehnt, seine Vorschlüge als Programm zu bezeichnen, ihnen diese Gestalt ge¬
geben hat. Otto dagegen, der ein Programm liefern will, die Notwendigkeit
des Rechts auf Arbeit zwar glänzend dargethan, aber für die Ausgestaltung
"u einzelnen weniger geleistet hat. Ans den Kühnschen Vorschlägen ließe sich
leicht ein Gesetzentwurf mit Organisationsplan und Ausführungsverordnungen
herausarbeiten," ohne andre Zusätze als solche, deren leitende Regel schon vor¬
ige; mit den Ottoschen Vorschlägen wäre dies nicht möglich, bei dem Versuch
dazu würden sich sofort nicht vorausgesehene Schwierigkeiten herausstellen,
technische sozusagen, die den gegen die Sache selbst gerichteten Widerstand, die
"grundsätzliche Opposition." verstärken müßten. Wir unterschreiben es aus
vollem Herzen, wenn Otto Seite 42 sagt: "Darum lautet der Hauptgrundsatz
wahrhaft nationaler Politik für das nächste Jahrhundert: Das deutsche Volk
schuldet seinem Arbeiterstande das Recht auf Arbeit"; wir stimmen auch Otto
SU. wenn er daraus die Pflicht des Staates ableitet, jedem Arbeit zuzuweisen
und ihn vor willkürlicher Entlassung zu schützen, wenn er die natürliche
Aundcsgenossenschaft der Monarchie mit den Arbeiterinteressen konstatirt, den


Die Interessengemeinschaft zwischen Agrarier» und Arbeitern

ist. daß jede agrarische oder ständische Selbstsucht zurückgewiesen wird. Die
Wohlthaten des Monopols sollen durch Gegenleistungen der Bedachten ver¬
golten werden, vor allem so, daß die Bedachten in Zukunft nicht bloß für
sich, sondern anch für das Gemeinwohl wirtschaften: fiir die Selbständigkeit
des Staats, die einen möglichst umfassenden Anbau der Brotfrucht verlangt,
""d für den abhängigen Teil der landwirtschaftlichen Bevölkerung, dem die
Scholle wieder heimisch werden muß. Je größer der Besitz, desto größer die
Gegenleistung. NodlosM odligs. Die Vorschlage des Verfassers greifen durch,
knüpfen jedoch überall an das Bestehende an und lehnen eine Vermehrung des
bureaukratischen Apparats ab. Der Gemeinsinn braucht keine neuen Formen,
um sich bethätigen zu können, er muß uur in den alten wieder lebendig werden,
um die neuen Aufgaben zu erfüllen. Die Umrisse der künftigen Thätigkeit
sind vom Verfasser knapp, aber scharf vorgezeichnet. Gegen die Industrie ist
diese Agrarpolitik nicht gerichtet, sondern sie würde ihren nationalen Ertrag
und ihre Fähigkeit zu internationalem Wettbewerb steigern. Finanziell würde
sich das Monopol selbst ernähren und die anfänglichen Opfer reichlich wieder
einbringen."

Der geistige Feinschmecker wird bei Kühn einen weniger reich gedeckten
Tisch finden als bei Otto, denn bei diesem bleibt kaum ein Teil der sozialen
Frage unbeleuchtet, während sich jener streng an seine beschränkte Aufgabe hält.
Aber diese umfänglich beschränktere Aufgabe hat Kühn mit größerer Voll¬
ständigkeit gelöst: seine Vorschläge für die Durchführung des Monopols füllen
den größten Teil seiner Schrift aus. wobei er Seite 41 bis 46 die Grund¬
züge der Durchführung, knapp zusammengefaßt, voranstellt und dann bis
Seite 10ö die Grundzüge erläutert. So kommt es. daß Kühn, der es ab¬
lehnt, seine Vorschlüge als Programm zu bezeichnen, ihnen diese Gestalt ge¬
geben hat. Otto dagegen, der ein Programm liefern will, die Notwendigkeit
des Rechts auf Arbeit zwar glänzend dargethan, aber für die Ausgestaltung
"u einzelnen weniger geleistet hat. Ans den Kühnschen Vorschlägen ließe sich
leicht ein Gesetzentwurf mit Organisationsplan und Ausführungsverordnungen
herausarbeiten," ohne andre Zusätze als solche, deren leitende Regel schon vor¬
ige; mit den Ottoschen Vorschlägen wäre dies nicht möglich, bei dem Versuch
dazu würden sich sofort nicht vorausgesehene Schwierigkeiten herausstellen,
technische sozusagen, die den gegen die Sache selbst gerichteten Widerstand, die
"grundsätzliche Opposition." verstärken müßten. Wir unterschreiben es aus
vollem Herzen, wenn Otto Seite 42 sagt: „Darum lautet der Hauptgrundsatz
wahrhaft nationaler Politik für das nächste Jahrhundert: Das deutsche Volk
schuldet seinem Arbeiterstande das Recht auf Arbeit"; wir stimmen auch Otto
SU. wenn er daraus die Pflicht des Staates ableitet, jedem Arbeit zuzuweisen
und ihn vor willkürlicher Entlassung zu schützen, wenn er die natürliche
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/632>, abgerufen am 24.07.2024.