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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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August Strindbergs Inferno

Er erklärt dann den Protestantismus für einen Verrat an der Mutterkirche
oder besser für eine den Barbaren des Nordens auferlegte Strafe, für ein
Exil, eine babylonische Gefangenschaft. Die ungeheuern Fortschritte, die der
Katholizismus in Amerika, England und Skandinavien mache, prophezeiten
eine große Wiederversöhnung, wobei die griechische Kirche, deren Hand sich
schon nach dem Abendland ausgestreckt habe, nicht zu vergessen sei.

Wir wollen die großen Übertreibungen und die ganz falsche Auffassung
Strindbergs bezüglich der griechischen Kirche, die immer national bleiben wird
und sich deswegen auch nie mit der internationalen römischen dauernd ver¬
ständigen kann, nicht allzustark betonen. Wenn aber Strindberg weiter sagt,
der längere Aufenthalt im Lande seines katholischen Kindes hätte ihn in den
Handlungen, die er beobachtet habe, eine hohe Aufrichtigkeit des religiösen
Lebens bewundern lassen (S. 239), so müssen wir ihn doch nachdrücklichst auf
seine eigne Schilderung dieses gelobten Landes verweisen, von der wir zur
Erbauung des Lesers nur den Anfang hierher setzen wollen (S. 181): "Die
Abende erzählt mir meine Schwiegermutter die gegenwärtige Chronik der
Gegend. Welch ungeheuere Sammlung häuslicher und andrer Tragödien.
Da spielen Ehebruche, Scheidungen. Prozesse zwischen Verwandten. Morde,
Diebstähle. Rotznase. Blutschande. Verleumdungen. Die Schlösser, die Villen,
die Hütten bergen Unglückliche aller Art. und ich kann die Wege nicht entlang
gehen, ohne an die Hölle Svedenborgs zu denken." Mit diesem Punkte hat
es also nicht viel auf sich, und auch "über die Schönheit eines Kultus, der
sich seit seinem Ursprünge rein gehalten hat," läßt sich sehr streiten. Bleiben
nur noch die ganz persönlichen Gründe, und die sind wie das ganze Buch
eben durchaus mystischer Art. Einige von den besten werden wohl als Probe
genügen: "Am 1. Mai las ich zum erstenmal in meinem Leben sar Peladan
"Wie man Magier wird" -- mit ihm hält der Katholizismus seinen feier¬
lichen und sieghaften Einzug in mein Leben. Am 3. Mai fange ich dies Buch
an zu schreiben. Den 5. Mai besuchte mich ein katholischer Priester, Konvertit.
Den 9. Mai sah ich Gustav Adolf in der Asche des Kamins. 21. Mai: Ich
las den Dünen Jörgensen, einen konvertirten Katholiken, über das Kloster
Veuron." Nachdem sich am 28. Mai noch ein Konvertit gemeldet hat, folgt
unmittelbar darauf, aber verwunderlicherweise am 17. Mai die Bemerkung,
daß sein Freund an das belgische Kloster, worin er die Taufe erhalten, einen
Brief mit der Bitte um einen Ruhesitz Strindbergs abgesandt habe. 18. Mai:
Ein unbestimmtes Gerücht ist im Umlauf, daß M"'° Amulet Behält katholisch
geworden sei.

Aus diesem wirren Durcheinander ist noch schwerer klug zu werden, als
aus dem ganzen Buche, das eigentlich mir diesem Schluß zustrebt und die
Glaubensänderung des Verfassers aus seinem Leben und einzelnen Zufällen
"ut jesuitischer Mystik und Logik rechtfertigen will. Nun verwundert man


August Strindbergs Inferno

Er erklärt dann den Protestantismus für einen Verrat an der Mutterkirche
oder besser für eine den Barbaren des Nordens auferlegte Strafe, für ein
Exil, eine babylonische Gefangenschaft. Die ungeheuern Fortschritte, die der
Katholizismus in Amerika, England und Skandinavien mache, prophezeiten
eine große Wiederversöhnung, wobei die griechische Kirche, deren Hand sich
schon nach dem Abendland ausgestreckt habe, nicht zu vergessen sei.

Wir wollen die großen Übertreibungen und die ganz falsche Auffassung
Strindbergs bezüglich der griechischen Kirche, die immer national bleiben wird
und sich deswegen auch nie mit der internationalen römischen dauernd ver¬
ständigen kann, nicht allzustark betonen. Wenn aber Strindberg weiter sagt,
der längere Aufenthalt im Lande seines katholischen Kindes hätte ihn in den
Handlungen, die er beobachtet habe, eine hohe Aufrichtigkeit des religiösen
Lebens bewundern lassen (S. 239), so müssen wir ihn doch nachdrücklichst auf
seine eigne Schilderung dieses gelobten Landes verweisen, von der wir zur
Erbauung des Lesers nur den Anfang hierher setzen wollen (S. 181): „Die
Abende erzählt mir meine Schwiegermutter die gegenwärtige Chronik der
Gegend. Welch ungeheuere Sammlung häuslicher und andrer Tragödien.
Da spielen Ehebruche, Scheidungen. Prozesse zwischen Verwandten. Morde,
Diebstähle. Rotznase. Blutschande. Verleumdungen. Die Schlösser, die Villen,
die Hütten bergen Unglückliche aller Art. und ich kann die Wege nicht entlang
gehen, ohne an die Hölle Svedenborgs zu denken." Mit diesem Punkte hat
es also nicht viel auf sich, und auch „über die Schönheit eines Kultus, der
sich seit seinem Ursprünge rein gehalten hat," läßt sich sehr streiten. Bleiben
nur noch die ganz persönlichen Gründe, und die sind wie das ganze Buch
eben durchaus mystischer Art. Einige von den besten werden wohl als Probe
genügen: „Am 1. Mai las ich zum erstenmal in meinem Leben sar Peladan
"Wie man Magier wird« — mit ihm hält der Katholizismus seinen feier¬
lichen und sieghaften Einzug in mein Leben. Am 3. Mai fange ich dies Buch
an zu schreiben. Den 5. Mai besuchte mich ein katholischer Priester, Konvertit.
Den 9. Mai sah ich Gustav Adolf in der Asche des Kamins. 21. Mai: Ich
las den Dünen Jörgensen, einen konvertirten Katholiken, über das Kloster
Veuron." Nachdem sich am 28. Mai noch ein Konvertit gemeldet hat, folgt
unmittelbar darauf, aber verwunderlicherweise am 17. Mai die Bemerkung,
daß sein Freund an das belgische Kloster, worin er die Taufe erhalten, einen
Brief mit der Bitte um einen Ruhesitz Strindbergs abgesandt habe. 18. Mai:
Ein unbestimmtes Gerücht ist im Umlauf, daß M"'° Amulet Behält katholisch
geworden sei.

Aus diesem wirren Durcheinander ist noch schwerer klug zu werden, als
aus dem ganzen Buche, das eigentlich mir diesem Schluß zustrebt und die
Glaubensänderung des Verfassers aus seinem Leben und einzelnen Zufällen
"ut jesuitischer Mystik und Logik rechtfertigen will. Nun verwundert man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/600>, abgerufen am 24.07.2024.