Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Maßregeln für den Fall der Wiederergreifung eines Flüchtigen, sowie ein Mit der Fluchtgefahr bringen die Gegner, besonders die aus kolonialen Es könnte sich hier überhaupt nur um England und Portugal handeln. Das Hauptgewicht legen die Gegner auf gewisse gegen die Deportation Maßregeln für den Fall der Wiederergreifung eines Flüchtigen, sowie ein Mit der Fluchtgefahr bringen die Gegner, besonders die aus kolonialen Es könnte sich hier überhaupt nur um England und Portugal handeln. Das Hauptgewicht legen die Gegner auf gewisse gegen die Deportation <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0576" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229525"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1832" prev="#ID_1831"> Maßregeln für den Fall der Wiederergreifung eines Flüchtigen, sowie ein<lb/> strenges Verbot, Flüchtlinge auszunehmen, und die Pflicht, sie zurückzuliefern,<lb/> die Fluchtversuche auf ein Minimum verringern. In Anbetracht dieser Ver¬<lb/> hältnisse wird auch das Bewachungspersonal nicht viel stärker zu sein brauchen,<lb/> als bei der inländischen Vollziehung der Freiheitsstrafe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1833"> Mit der Fluchtgefahr bringen die Gegner, besonders die aus kolonialen<lb/> Kreisen, die Möglichkeit in Verbindung, daß die unserm Schutzgebiete benach¬<lb/> barten Mächte gegen die Errichtung einer Strafkolonie Einspruch erheben<lb/> könnten. Hierzu aber haben die Mächte kein Recht. Das Reich ist unum¬<lb/> schränkter Gebieter über Deutsch-Südwestafrika und durch keinerlei Verträge<lb/> wegen dieses Schutzgebietes gebunden. Im Jahre 1884 stellte wohl England<lb/> einmal an das Reich das Ansinnen, sich der Anlegung von Strafkolonien an<lb/> der Küste von Angra Pequena zu enthalten. Aber der Reichskanzler Fürst<lb/> Bismarck wies diese Forderung zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1834"> Es könnte sich hier überhaupt nur um England und Portugal handeln.<lb/> Von Portugal ist aber ein Einspruch schon deswegen nicht zu befürchten, weil<lb/> es selbst Sträflinge nach Angola, dem Nachbarlande des Nordens von Deutsch-<lb/> Südwestafrika, deportirt. An die Grenze des Kaplandes brauchen wir aber<lb/> bei der immensen Größe unsers Schutzgebiets die Straffarmen ja gerade nicht<lb/> M legen. Ganz abgesehen davon kann auch kein Staat verhindern, daß ver¬<lb/> brecherische Elemente einwandern, insbesondere nach Verbüßung ihrer Strafen,<lb/> die die Menschen nur selten besser machen. Unter den Abenteurern englischer<lb/> Herkunft, die nach den Goldfeldern des Transvaal strömen, um dort Geld zu<lb/> verdienen, sind viele, die sich in ihrer sittlichen Qualifikation nicht sehr von<lb/> den Depo'rtirten unterscheiden. Viele von ihnen haben schon Kriminalstrafen<lb/> verbüßt, wie eine statistische Feststellung ergeben würde, und doch verlangt<lb/> gerade England nicht nur die Aufnahme dieser Leute, sondern sogar ihre bürger¬<lb/> liche Gleichstellung in der südafrikanischen Republik. Und wir Deutschen sollten<lb/> England zuliebe Skrupel hegen, unsre Sträflinge zur Verbüßung ihrer Strafen<lb/> in unserm Schutzgebiete zu beschäftigen oder anzusiedeln?</p><lb/> <p xml:id="ID_1835" next="#ID_1836"> Das Hauptgewicht legen die Gegner auf gewisse gegen die Deportation<lb/> sprechende Auslassungen des Gouverneurs von Deutsch-Südwestafrika, Herrn<lb/> Leutwein, in der Budgetkommission des Reichstags in diesem Jahre, auf Grund<lb/> deren sich auch der Staatssekretär Herr Nieberding im Reichstage gegen die<lb/> Deportation erklärte. Allein die spärlichen Äußerungen des Herrn Leutwein<lb/> können keineswegs als ein abschließendes Gutachten in dieser wichtigen Frage<lb/> gelten, umsoweniger als sich Leutwein nicht auf Bedenken kolonialer Natur<lb/> stützt, in denen er Fachmann ist. sondern vielmehr auf Gründe, die allgemeiner<lb/> Natur sind. Überdies ist Herr Leutwein gar nicht als Gegner eines Versuchs<lb/> der Deportation nach Deutsch-Südwestafrika zu betrachten. Nach der Mit¬<lb/> teilung des Staatssekretärs Nieberding äußerte sich Herr Leutwein dahin, daß<lb/> "ein sich bei einem. Versuch zunächst allerdings auf eine geringe Zahl von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0576]
Maßregeln für den Fall der Wiederergreifung eines Flüchtigen, sowie ein
strenges Verbot, Flüchtlinge auszunehmen, und die Pflicht, sie zurückzuliefern,
die Fluchtversuche auf ein Minimum verringern. In Anbetracht dieser Ver¬
hältnisse wird auch das Bewachungspersonal nicht viel stärker zu sein brauchen,
als bei der inländischen Vollziehung der Freiheitsstrafe.
Mit der Fluchtgefahr bringen die Gegner, besonders die aus kolonialen
Kreisen, die Möglichkeit in Verbindung, daß die unserm Schutzgebiete benach¬
barten Mächte gegen die Errichtung einer Strafkolonie Einspruch erheben
könnten. Hierzu aber haben die Mächte kein Recht. Das Reich ist unum¬
schränkter Gebieter über Deutsch-Südwestafrika und durch keinerlei Verträge
wegen dieses Schutzgebietes gebunden. Im Jahre 1884 stellte wohl England
einmal an das Reich das Ansinnen, sich der Anlegung von Strafkolonien an
der Küste von Angra Pequena zu enthalten. Aber der Reichskanzler Fürst
Bismarck wies diese Forderung zurück.
Es könnte sich hier überhaupt nur um England und Portugal handeln.
Von Portugal ist aber ein Einspruch schon deswegen nicht zu befürchten, weil
es selbst Sträflinge nach Angola, dem Nachbarlande des Nordens von Deutsch-
Südwestafrika, deportirt. An die Grenze des Kaplandes brauchen wir aber
bei der immensen Größe unsers Schutzgebiets die Straffarmen ja gerade nicht
M legen. Ganz abgesehen davon kann auch kein Staat verhindern, daß ver¬
brecherische Elemente einwandern, insbesondere nach Verbüßung ihrer Strafen,
die die Menschen nur selten besser machen. Unter den Abenteurern englischer
Herkunft, die nach den Goldfeldern des Transvaal strömen, um dort Geld zu
verdienen, sind viele, die sich in ihrer sittlichen Qualifikation nicht sehr von
den Depo'rtirten unterscheiden. Viele von ihnen haben schon Kriminalstrafen
verbüßt, wie eine statistische Feststellung ergeben würde, und doch verlangt
gerade England nicht nur die Aufnahme dieser Leute, sondern sogar ihre bürger¬
liche Gleichstellung in der südafrikanischen Republik. Und wir Deutschen sollten
England zuliebe Skrupel hegen, unsre Sträflinge zur Verbüßung ihrer Strafen
in unserm Schutzgebiete zu beschäftigen oder anzusiedeln?
Das Hauptgewicht legen die Gegner auf gewisse gegen die Deportation
sprechende Auslassungen des Gouverneurs von Deutsch-Südwestafrika, Herrn
Leutwein, in der Budgetkommission des Reichstags in diesem Jahre, auf Grund
deren sich auch der Staatssekretär Herr Nieberding im Reichstage gegen die
Deportation erklärte. Allein die spärlichen Äußerungen des Herrn Leutwein
können keineswegs als ein abschließendes Gutachten in dieser wichtigen Frage
gelten, umsoweniger als sich Leutwein nicht auf Bedenken kolonialer Natur
stützt, in denen er Fachmann ist. sondern vielmehr auf Gründe, die allgemeiner
Natur sind. Überdies ist Herr Leutwein gar nicht als Gegner eines Versuchs
der Deportation nach Deutsch-Südwestafrika zu betrachten. Nach der Mit¬
teilung des Staatssekretärs Nieberding äußerte sich Herr Leutwein dahin, daß
"ein sich bei einem. Versuch zunächst allerdings auf eine geringe Zahl von
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |