Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Spuren im Schnee Der Frost ist beißend scharf, aber man merkt es nicht, denn es herrscht völlige Alles ist weiß, so weiß, wie es nur sein kann, und doch ist die Schlittenspur Oben von dem höchsten Punkte eines Hügels herab hat man einen meilen¬ Und weiter gehts bergab -- sie sind nahe daran, umzuwerfen --, den schmalen In den Hohlweg hinein zwischen die Heidehügel, wo die mächtigen Schnee¬ Ja, so sieht "das Land" auf der Kehrseite aus, sagte der Jägermeister; der Es ist keine große Stadt, bemerkte der Leutnant. Nein, sie ist ja allerdings kleiner als Kopenhagen, aber Blocks Hotel ist (Fortsetzung folgt) Spuren im Schnee Der Frost ist beißend scharf, aber man merkt es nicht, denn es herrscht völlige Alles ist weiß, so weiß, wie es nur sein kann, und doch ist die Schlittenspur Oben von dem höchsten Punkte eines Hügels herab hat man einen meilen¬ Und weiter gehts bergab — sie sind nahe daran, umzuwerfen —, den schmalen In den Hohlweg hinein zwischen die Heidehügel, wo die mächtigen Schnee¬ Ja, so sieht „das Land" auf der Kehrseite aus, sagte der Jägermeister; der Es ist keine große Stadt, bemerkte der Leutnant. Nein, sie ist ja allerdings kleiner als Kopenhagen, aber Blocks Hotel ist (Fortsetzung folgt) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229506"/> <fw type="header" place="top"> Spuren im Schnee</fw><lb/> <p xml:id="ID_1765"> Der Frost ist beißend scharf, aber man merkt es nicht, denn es herrscht völlige<lb/> Windstille, und die Sonne scheint — eine bleichgelbe Wintersonne,</p><lb/> <p xml:id="ID_1766"> Alles ist weiß, so weiß, wie es nur sein kann, und doch ist die Schlittenspur<lb/> noch weißer, sie ist wie gefrornes Kielwasser im Schneemeer. Nach und nach ent¬<lb/> deckt das Auge aber auch noch andre Farben. Eine rote Thür schimmert mitten<lb/> in dem weißen Zaune, und an Mauern und Hecken, unter Hügeln und Vüscheu<lb/> liegen blaue Schatten und lauern darauf, daß es Abend werden soll, daß sie sich<lb/> nach Herzenslust recken und strecken können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1767"> Oben von dem höchsten Punkte eines Hügels herab hat man einen meilen¬<lb/> weiten Rundblick; die Hünengräber am Horizont gleiche« einer fernen Gebirgs¬<lb/> landschaft, und der Bach im Thalgrunde mit der reißenden Strömung, die der<lb/> Frost uicht zu fesseln vermochte, gleitet wie eine dunkle Natter durch die weiße<lb/> Wüste.</p><lb/> <p xml:id="ID_1768"> Und weiter gehts bergab — sie sind nahe daran, umzuwerfen —, den schmalen<lb/> Weg entlang, der von alten Weiden eingefaßt ist, zwischen deren struppigen Zweigen<lb/> der Schnee Nester gebaut hat: die Elster schreit, und die Krähe krächzt —<lb/> vorwärts!</p><lb/> <p xml:id="ID_1769"> In den Hohlweg hinein zwischen die Heidehügel, wo die mächtigen Schnee¬<lb/> massen wie eine lose Decke über den Porschbüschen liegen, und wo der Ginster hie<lb/> und da seine grünen Spitzen hernusstreckt, und dann auf das freie Feld hinaus,<lb/> an den drei verwehten Eichen vorüber — das sind die äußersten Vorposten des<lb/> alten Waldes, die er einzuziehen vergessen hat, als er sich selber vor dein feind¬<lb/> lichen Heidekraut zurückzog —, über knarrende Brücken und dnrch verschneite Hohl¬<lb/> wege, vorüber an Kirchen und Krugwirtschafteu, mit lautem Peitschengeknall, mit<lb/> dampfenden Pferden und lustigem Schellengeläute.</p><lb/> <p xml:id="ID_1770"> Ja, so sieht „das Land" auf der Kehrseite aus, sagte der Jägermeister; der<lb/> Sommer, das ist die rechte Seite! Können Sie den Kuhstall dort sehen — ist<lb/> der nicht flott, was? Wissen Sie auch, wie Therkildsen den bekommen, hat? Ja,<lb/> sehen Sie, er ging mit dem Gedanken um, sich zu verheiraten, der alte Kraals,<lb/> und da schaffte er sich Steine zu einem neuen Wohnhaus an; aber die Braut hob<lb/> die Verlobung auf, und da benutzte er statt dessen die Steine zu einem Kuhstall.<lb/> Ach ja, Sie hätten meine selige Frau kennen sollen, Sie können mir glauben, die<lb/> war großartig! Und so schön! Ich habe immer Wert darauf gelegt, eine schöne<lb/> Frau und echte Hunde zu haben, damit die Leute etwas zu gucken hatten, wenn<lb/> man gefahren kam. Ja, da liegt die Stadt, Sie können den Kirchtum über dem<lb/> Hügel sehen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1771"> Es ist keine große Stadt, bemerkte der Leutnant.</p><lb/> <p xml:id="ID_1772"> Nein, sie ist ja allerdings kleiner als Kopenhagen, aber Blocks Hotel ist<lb/> brillant! Die Einwohnerzahl ist übrigens in diesem Jahre bedeutend gestiegen,<lb/> denn der neue Pfarrer hat ein ganzes Nest voll Kinder — das summt sich auf!<lb/> So, jetzt biegen wir in das Mvncheuthor ein!</p><lb/> <p xml:id="ID_1773"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0557]
Spuren im Schnee
Der Frost ist beißend scharf, aber man merkt es nicht, denn es herrscht völlige
Windstille, und die Sonne scheint — eine bleichgelbe Wintersonne,
Alles ist weiß, so weiß, wie es nur sein kann, und doch ist die Schlittenspur
noch weißer, sie ist wie gefrornes Kielwasser im Schneemeer. Nach und nach ent¬
deckt das Auge aber auch noch andre Farben. Eine rote Thür schimmert mitten
in dem weißen Zaune, und an Mauern und Hecken, unter Hügeln und Vüscheu
liegen blaue Schatten und lauern darauf, daß es Abend werden soll, daß sie sich
nach Herzenslust recken und strecken können.
Oben von dem höchsten Punkte eines Hügels herab hat man einen meilen¬
weiten Rundblick; die Hünengräber am Horizont gleiche« einer fernen Gebirgs¬
landschaft, und der Bach im Thalgrunde mit der reißenden Strömung, die der
Frost uicht zu fesseln vermochte, gleitet wie eine dunkle Natter durch die weiße
Wüste.
Und weiter gehts bergab — sie sind nahe daran, umzuwerfen —, den schmalen
Weg entlang, der von alten Weiden eingefaßt ist, zwischen deren struppigen Zweigen
der Schnee Nester gebaut hat: die Elster schreit, und die Krähe krächzt —
vorwärts!
In den Hohlweg hinein zwischen die Heidehügel, wo die mächtigen Schnee¬
massen wie eine lose Decke über den Porschbüschen liegen, und wo der Ginster hie
und da seine grünen Spitzen hernusstreckt, und dann auf das freie Feld hinaus,
an den drei verwehten Eichen vorüber — das sind die äußersten Vorposten des
alten Waldes, die er einzuziehen vergessen hat, als er sich selber vor dein feind¬
lichen Heidekraut zurückzog —, über knarrende Brücken und dnrch verschneite Hohl¬
wege, vorüber an Kirchen und Krugwirtschafteu, mit lautem Peitschengeknall, mit
dampfenden Pferden und lustigem Schellengeläute.
Ja, so sieht „das Land" auf der Kehrseite aus, sagte der Jägermeister; der
Sommer, das ist die rechte Seite! Können Sie den Kuhstall dort sehen — ist
der nicht flott, was? Wissen Sie auch, wie Therkildsen den bekommen, hat? Ja,
sehen Sie, er ging mit dem Gedanken um, sich zu verheiraten, der alte Kraals,
und da schaffte er sich Steine zu einem neuen Wohnhaus an; aber die Braut hob
die Verlobung auf, und da benutzte er statt dessen die Steine zu einem Kuhstall.
Ach ja, Sie hätten meine selige Frau kennen sollen, Sie können mir glauben, die
war großartig! Und so schön! Ich habe immer Wert darauf gelegt, eine schöne
Frau und echte Hunde zu haben, damit die Leute etwas zu gucken hatten, wenn
man gefahren kam. Ja, da liegt die Stadt, Sie können den Kirchtum über dem
Hügel sehen!
Es ist keine große Stadt, bemerkte der Leutnant.
Nein, sie ist ja allerdings kleiner als Kopenhagen, aber Blocks Hotel ist
brillant! Die Einwohnerzahl ist übrigens in diesem Jahre bedeutend gestiegen,
denn der neue Pfarrer hat ein ganzes Nest voll Kinder — das summt sich auf!
So, jetzt biegen wir in das Mvncheuthor ein!
(Fortsetzung folgt)
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