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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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durch die Gründung mehrerer Vereine derselben Art beeinträchtigt. Produktiv¬
genossenschaften dagegen sind Genossenschaften von Verkäufern. Das Interesse
des Verkäufers ist, jeuer zu verkaufen, und dieses wird durch jeden weitern
Verkäufer von Wären derselben Art beeinträchtigt, denn jeder neue Verkäufer
ist ein Konkurrent und ein Preisdrücker.' Produktivgenossenschaften ruiniren
daher einander gegenseitig ebenso gut wie Einzelverkäufer. Bei landwirtschaft¬
lichen Produitivgenossenschciften würde sich, meint er/ die Sache deswegen
anders verhalten, weil der Bauer den größten und wichtigsten Teil seiner Be¬
dürfnisse aus seiner eignen Wirtschaft befriedigt und daher nicht, gleich dem
Fabrikanten, mit seiner ganzen Existenz, sondern nur mit einem Teile seines
Komforts vom Verkauf seiner Ware abhängt; er ist weit mehr Käufer als
Verkäufer, während der Fabrikant vor allem Verkäufer ist. Dieser Unterschied
sei bisher übersehen worden, und man habe daher die Genossenschaften falsch
eingeteilt in distributive und produktive. Diese Einteilung beruhe auf einer
Vermischung der beiden Bedeutungen des Wortes Distribution. Dieses be¬
zeichne einmal die Verteilung des Volkseinkommens unter die verschiednen
Klassen, Stände und Personen, und das sei selbstverständlich überhaupt keine
Genossenschaftsfunktion. Dann aber verstehe man darunter die Aushändigung
der Güter an die Konsumenten durch den Händler, und die gehöre zur Pro¬
duktion, denn ein Gut sei nicht eher pro--duzirt, aus seinem Entstehungsort
heraus ans Licht gebracht und sür den Gebrauch bereit, als bis es in den
Händen des Konsumenten ist. Demnach seien auch die sogenannten Distributiv-
geuosseuschaftcu nur eine Art von Produktivgenossenschaften. Diese Unter¬
scheidung sei also hinfällig, und man müsse statt ihrer die andre einführen in
Käufer- und Verkäufergenossenschaften. Übrigens gelte, was von dem Inter-
essenkonflikt der Verkäufer gesagt ist, nur für den heutigen kranken Gesellschafts-
organismüs. Im gesunden würde nicht allein der Landwirt, sondern auch der
Fabrikant und der gewerbliche Arbeiter von dem heutigen Verhängnis frei sein,
das seine Existenz von dem Verkauf einer einzigen Art von Waren abhängig
macht; dem auf seinem Gewerbe lastenden Mehrdruck würde ein Minderdruck
auf einem andern Gewerbe entsprechen, in das der vom Druck Getroffene ohne
Umstände einspringen könnte (Oppenheimer führt aus, wie er sich das denkt).
Dann aber würde es auch nicht vorkommen, daß, wie dies heute geschieht, bei
beginnendem Druck der Verkäufer, anstatt die Produktion einzuschränken und so
den Preis wieder zu heben, sie vielmehr ausdehnte, damit es die Menge bringe,
was natürlich den Preis noch weiter hinabdrückt. Dieses Krisen erzeugende
Mittel könne nur in der heutigen Gesellschaft angewandt werden, wo der
Unternehmer eine Zeit lang den Prositausfall durch Lohndruck hereinzubringen
vermöge; in der gesunden Tauschgesellschaft, wo dem Arbeiter sein voller Ver¬
dienst ausgezahlt werden müsse, sei Ausdehnung der Produktion bei sinkenden
Preisen nicht möglich, und steige der Preis immer durch entsprechende Ein¬
schränkung der Produktion von selbst wieder ans die normale Höhe. In einem


verbesserter Smithianismus

durch die Gründung mehrerer Vereine derselben Art beeinträchtigt. Produktiv¬
genossenschaften dagegen sind Genossenschaften von Verkäufern. Das Interesse
des Verkäufers ist, jeuer zu verkaufen, und dieses wird durch jeden weitern
Verkäufer von Wären derselben Art beeinträchtigt, denn jeder neue Verkäufer
ist ein Konkurrent und ein Preisdrücker.' Produktivgenossenschaften ruiniren
daher einander gegenseitig ebenso gut wie Einzelverkäufer. Bei landwirtschaft¬
lichen Produitivgenossenschciften würde sich, meint er/ die Sache deswegen
anders verhalten, weil der Bauer den größten und wichtigsten Teil seiner Be¬
dürfnisse aus seiner eignen Wirtschaft befriedigt und daher nicht, gleich dem
Fabrikanten, mit seiner ganzen Existenz, sondern nur mit einem Teile seines
Komforts vom Verkauf seiner Ware abhängt; er ist weit mehr Käufer als
Verkäufer, während der Fabrikant vor allem Verkäufer ist. Dieser Unterschied
sei bisher übersehen worden, und man habe daher die Genossenschaften falsch
eingeteilt in distributive und produktive. Diese Einteilung beruhe auf einer
Vermischung der beiden Bedeutungen des Wortes Distribution. Dieses be¬
zeichne einmal die Verteilung des Volkseinkommens unter die verschiednen
Klassen, Stände und Personen, und das sei selbstverständlich überhaupt keine
Genossenschaftsfunktion. Dann aber verstehe man darunter die Aushändigung
der Güter an die Konsumenten durch den Händler, und die gehöre zur Pro¬
duktion, denn ein Gut sei nicht eher pro—duzirt, aus seinem Entstehungsort
heraus ans Licht gebracht und sür den Gebrauch bereit, als bis es in den
Händen des Konsumenten ist. Demnach seien auch die sogenannten Distributiv-
geuosseuschaftcu nur eine Art von Produktivgenossenschaften. Diese Unter¬
scheidung sei also hinfällig, und man müsse statt ihrer die andre einführen in
Käufer- und Verkäufergenossenschaften. Übrigens gelte, was von dem Inter-
essenkonflikt der Verkäufer gesagt ist, nur für den heutigen kranken Gesellschafts-
organismüs. Im gesunden würde nicht allein der Landwirt, sondern auch der
Fabrikant und der gewerbliche Arbeiter von dem heutigen Verhängnis frei sein,
das seine Existenz von dem Verkauf einer einzigen Art von Waren abhängig
macht; dem auf seinem Gewerbe lastenden Mehrdruck würde ein Minderdruck
auf einem andern Gewerbe entsprechen, in das der vom Druck Getroffene ohne
Umstände einspringen könnte (Oppenheimer führt aus, wie er sich das denkt).
Dann aber würde es auch nicht vorkommen, daß, wie dies heute geschieht, bei
beginnendem Druck der Verkäufer, anstatt die Produktion einzuschränken und so
den Preis wieder zu heben, sie vielmehr ausdehnte, damit es die Menge bringe,
was natürlich den Preis noch weiter hinabdrückt. Dieses Krisen erzeugende
Mittel könne nur in der heutigen Gesellschaft angewandt werden, wo der
Unternehmer eine Zeit lang den Prositausfall durch Lohndruck hereinzubringen
vermöge; in der gesunden Tauschgesellschaft, wo dem Arbeiter sein voller Ver¬
dienst ausgezahlt werden müsse, sei Ausdehnung der Produktion bei sinkenden
Preisen nicht möglich, und steige der Preis immer durch entsprechende Ein¬
schränkung der Produktion von selbst wieder ans die normale Höhe. In einem


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[0359] verbesserter Smithianismus durch die Gründung mehrerer Vereine derselben Art beeinträchtigt. Produktiv¬ genossenschaften dagegen sind Genossenschaften von Verkäufern. Das Interesse des Verkäufers ist, jeuer zu verkaufen, und dieses wird durch jeden weitern Verkäufer von Wären derselben Art beeinträchtigt, denn jeder neue Verkäufer ist ein Konkurrent und ein Preisdrücker.' Produktivgenossenschaften ruiniren daher einander gegenseitig ebenso gut wie Einzelverkäufer. Bei landwirtschaft¬ lichen Produitivgenossenschciften würde sich, meint er/ die Sache deswegen anders verhalten, weil der Bauer den größten und wichtigsten Teil seiner Be¬ dürfnisse aus seiner eignen Wirtschaft befriedigt und daher nicht, gleich dem Fabrikanten, mit seiner ganzen Existenz, sondern nur mit einem Teile seines Komforts vom Verkauf seiner Ware abhängt; er ist weit mehr Käufer als Verkäufer, während der Fabrikant vor allem Verkäufer ist. Dieser Unterschied sei bisher übersehen worden, und man habe daher die Genossenschaften falsch eingeteilt in distributive und produktive. Diese Einteilung beruhe auf einer Vermischung der beiden Bedeutungen des Wortes Distribution. Dieses be¬ zeichne einmal die Verteilung des Volkseinkommens unter die verschiednen Klassen, Stände und Personen, und das sei selbstverständlich überhaupt keine Genossenschaftsfunktion. Dann aber verstehe man darunter die Aushändigung der Güter an die Konsumenten durch den Händler, und die gehöre zur Pro¬ duktion, denn ein Gut sei nicht eher pro—duzirt, aus seinem Entstehungsort heraus ans Licht gebracht und sür den Gebrauch bereit, als bis es in den Händen des Konsumenten ist. Demnach seien auch die sogenannten Distributiv- geuosseuschaftcu nur eine Art von Produktivgenossenschaften. Diese Unter¬ scheidung sei also hinfällig, und man müsse statt ihrer die andre einführen in Käufer- und Verkäufergenossenschaften. Übrigens gelte, was von dem Inter- essenkonflikt der Verkäufer gesagt ist, nur für den heutigen kranken Gesellschafts- organismüs. Im gesunden würde nicht allein der Landwirt, sondern auch der Fabrikant und der gewerbliche Arbeiter von dem heutigen Verhängnis frei sein, das seine Existenz von dem Verkauf einer einzigen Art von Waren abhängig macht; dem auf seinem Gewerbe lastenden Mehrdruck würde ein Minderdruck auf einem andern Gewerbe entsprechen, in das der vom Druck Getroffene ohne Umstände einspringen könnte (Oppenheimer führt aus, wie er sich das denkt). Dann aber würde es auch nicht vorkommen, daß, wie dies heute geschieht, bei beginnendem Druck der Verkäufer, anstatt die Produktion einzuschränken und so den Preis wieder zu heben, sie vielmehr ausdehnte, damit es die Menge bringe, was natürlich den Preis noch weiter hinabdrückt. Dieses Krisen erzeugende Mittel könne nur in der heutigen Gesellschaft angewandt werden, wo der Unternehmer eine Zeit lang den Prositausfall durch Lohndruck hereinzubringen vermöge; in der gesunden Tauschgesellschaft, wo dem Arbeiter sein voller Ver¬ dienst ausgezahlt werden müsse, sei Ausdehnung der Produktion bei sinkenden Preisen nicht möglich, und steige der Preis immer durch entsprechende Ein¬ schränkung der Produktion von selbst wieder ans die normale Höhe. In einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/359>, abgerufen am 24.07.2024.