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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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von ZVeißeuburg bis Metz

Gewissermaßen typisch kommt diese Umwandlung in der Esplanade zum
Ausdruck. Es ist ein schöner ausgedehnter Platz mit frischgrünen Rasenflächen,
bunten Teppichbeeten, rauschenden Springbrunnen und schattigen Baumgängen
unter dichten breiten Wipfeln, der-Lieblingsaufenthalt der Metzer gegen Abend.
Da steht am Ostende nach dem Kaiser-Wilhelmplatze hin das Standbild des
Marschalls Ney in etwas theatralischer Haltung mit dem Gewehr in der Hand,
als ob er die Brücke über die Beresina verteidigte, gerade so unangetastet
wie Kleber in Straßburg (ob wohl der Bismarck in Köln stehen bliebe, wenn
das linke Rheinufer unter französische Herrschaft fiele?). An der Westseite
des Platzes aber erhebt sich das schöne, 1892 enthüllte Reiterstandbild Kaiser
Wilhelms I., und nicht Weit davon die Statue Prinz Friedrich Karls, des
Eroberers von Metz. Beide schauen über die Brüstung der Esplanade, die hoch
über der Mosel und dem sie begleitenden Walle liegt, hinaus über das Wiesen-
und Buschland der flachen Inseln, die hier der Fluß umschlingt, und hinüber
nach den von Weinbergen und weißen Ortschaften bedeckten Höhen des linken
Ufers, vor allem nach dem langgestreckten, majestätischen Mont Se. Quentin,
der auf seiner höchsten Erhebung die Feste Friedrich Karl, etwas tiefer das
Fort Alvensleben trägt und wie. ein ruhender Löwe das tiefcingeschnittne,
breite Moselthal bewacht.

Dort hinaus geht es nach den beiden großen Schlachtfeldern des Jahres
1870; das dritte vom 14. August und das vierte vom 31. August und
1. September liegen ganz davon getrennt im Osten der Stadt. Wer sie alle
vier besuchen will, braucht dazu zwei Tage und kann das mit einiger Be¬
quemlichkeit auch dann nur zu Wagen ausführen, denn die Entfernungen sind
sehr groß (von Metz nach Gravelotte gegen 3, nach Se. Privat 3^ Stunden,
ebenso viel zwischen diesen beiden Orten), die Wege sind meist schattenlos, und
die weiten Hochflächen bieten landschaftlich wenig. Selbst über den einiger¬
maßen ausreichenden Besuch des wichtigste" und größten aller Schlachtfelder,
des von Gravelotte und Se. Privat am 18. August, vergeht fast ein ganzer
Tag, ohne daß man dabei auch nur alle Denkmäler besichtigen könnte. Der
Weg führt zunächst an Kasernen und Exerzierplätzen vorüber, durchschneidet
die stadtähnlich gebauten, freundlichen Vororte am Südfuße des Se. Quentin,
Ban Se. Martin (Bazaines Hauptquartier) und Longeville und tritt bei Moulins
in das enge Waldthal ein, das sich im Rücken der französischen Stellung in
fast nördlicher Richtung über Chatel Se. Germain nach Amcmweiler hinauf¬
geht. Hinter Chatel Se. Germain wird es enger und einsamer; zwischen
waldigen, mit Buchen und Eichen bedeckten Hängen, in deren östlichen die
Eisenbahnlinie nach Verdun eingeschnitten ist, erreicht die Straße nach reichlich
anderthalb Stunden Fahrens die Höhe. Es ist das Thal, durch das am Abend
des 18. August die zerschlagnen Massen des rechten französischen Flügels nach
Metz zurückgingen. Oben hört der Wald auf, kahl und einförmig breitet sich
die Hochebne aus, links von der Straße liegt Amanwciler mit dem großen


von ZVeißeuburg bis Metz

Gewissermaßen typisch kommt diese Umwandlung in der Esplanade zum
Ausdruck. Es ist ein schöner ausgedehnter Platz mit frischgrünen Rasenflächen,
bunten Teppichbeeten, rauschenden Springbrunnen und schattigen Baumgängen
unter dichten breiten Wipfeln, der-Lieblingsaufenthalt der Metzer gegen Abend.
Da steht am Ostende nach dem Kaiser-Wilhelmplatze hin das Standbild des
Marschalls Ney in etwas theatralischer Haltung mit dem Gewehr in der Hand,
als ob er die Brücke über die Beresina verteidigte, gerade so unangetastet
wie Kleber in Straßburg (ob wohl der Bismarck in Köln stehen bliebe, wenn
das linke Rheinufer unter französische Herrschaft fiele?). An der Westseite
des Platzes aber erhebt sich das schöne, 1892 enthüllte Reiterstandbild Kaiser
Wilhelms I., und nicht Weit davon die Statue Prinz Friedrich Karls, des
Eroberers von Metz. Beide schauen über die Brüstung der Esplanade, die hoch
über der Mosel und dem sie begleitenden Walle liegt, hinaus über das Wiesen-
und Buschland der flachen Inseln, die hier der Fluß umschlingt, und hinüber
nach den von Weinbergen und weißen Ortschaften bedeckten Höhen des linken
Ufers, vor allem nach dem langgestreckten, majestätischen Mont Se. Quentin,
der auf seiner höchsten Erhebung die Feste Friedrich Karl, etwas tiefer das
Fort Alvensleben trägt und wie. ein ruhender Löwe das tiefcingeschnittne,
breite Moselthal bewacht.

Dort hinaus geht es nach den beiden großen Schlachtfeldern des Jahres
1870; das dritte vom 14. August und das vierte vom 31. August und
1. September liegen ganz davon getrennt im Osten der Stadt. Wer sie alle
vier besuchen will, braucht dazu zwei Tage und kann das mit einiger Be¬
quemlichkeit auch dann nur zu Wagen ausführen, denn die Entfernungen sind
sehr groß (von Metz nach Gravelotte gegen 3, nach Se. Privat 3^ Stunden,
ebenso viel zwischen diesen beiden Orten), die Wege sind meist schattenlos, und
die weiten Hochflächen bieten landschaftlich wenig. Selbst über den einiger¬
maßen ausreichenden Besuch des wichtigste» und größten aller Schlachtfelder,
des von Gravelotte und Se. Privat am 18. August, vergeht fast ein ganzer
Tag, ohne daß man dabei auch nur alle Denkmäler besichtigen könnte. Der
Weg führt zunächst an Kasernen und Exerzierplätzen vorüber, durchschneidet
die stadtähnlich gebauten, freundlichen Vororte am Südfuße des Se. Quentin,
Ban Se. Martin (Bazaines Hauptquartier) und Longeville und tritt bei Moulins
in das enge Waldthal ein, das sich im Rücken der französischen Stellung in
fast nördlicher Richtung über Chatel Se. Germain nach Amcmweiler hinauf¬
geht. Hinter Chatel Se. Germain wird es enger und einsamer; zwischen
waldigen, mit Buchen und Eichen bedeckten Hängen, in deren östlichen die
Eisenbahnlinie nach Verdun eingeschnitten ist, erreicht die Straße nach reichlich
anderthalb Stunden Fahrens die Höhe. Es ist das Thal, durch das am Abend
des 18. August die zerschlagnen Massen des rechten französischen Flügels nach
Metz zurückgingen. Oben hört der Wald auf, kahl und einförmig breitet sich
die Hochebne aus, links von der Straße liegt Amanwciler mit dem großen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/350>, abgerufen am 24.07.2024.