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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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von Weißenburg bis Metz
Otto Raemmel von (Schluß)

ieber völlig anders erscheint die nördlichste Vogesenstraße
, die
von Niederbronn nach Viehch läuft. Schon Niederbronn liegt in
einem engen, anmutigen Waldthale und ist ein kleiner freund¬
licher Badeort, der von Elsässern, Rheinländern und jetzt auch
wieder von französisch redenden Lothringern, namentlich aus
Metz, viel besucht wird, ein Ort sozusagen von etwas veralteter Art mit
wenig Neubauten, aber zahlreichen Gasthöfen und einem stattlichen Kurhause
um den schattigen Kurgarten, wo die Kochsnlzquelle entspringt. In den Firmen,
bei den Verkäufern und in der Sprache der Gäste, selbst in den roten Westen
der Hoteldiener und in den häufig getragnen blauen Binsen tritt das Fran¬
zösische etwas mehr hervor als sonst im untern Elsaß, und an der Wirtstafel
in der "Goldner Kette" sprachen die anwesenden Elsässer gern Französisch.
Nur dieses hörte man auch von den zahlreichen katholischen Geistlichen, die in
ihrer Tracht eine eigentümliche Staffage des Badelebens waren. Bei Nieder¬
bronn treten Straße und Eisenbahn ins Gebirge ein. Zwischen den steilen
Waldbergen ziehen sie das enge Thal des Falkensteinerbachs hinauf, und nachdem
die Bahn den weiten Waldkessel von Bärnstein verlassen hat, windet sie sich
langsam nach Bieses aufwärts, oft durch tiefe Einschnitte zwischen roten Sand-
steinfelsen und fast immer durch dichten Laubwald. Bei einer Biegung erscheint
Bieses, die Festung hochthronend auf schroff abfallenden Sandsteinfelsen, ihr zu
Füßen die kleine Stadt. Sie mußte 1870 von den deutschen Kolonnen um¬
gangen werden und fiel erst mit dem Waffenstillstande; auch jetzt wird sie noch
als Sperrfort festgehalten und hat ein ganzes Regiment, das neugebildete
132. als Besatzung. Von hier aus tritt mehr der Charakter der Hochebne
hervor, bei Lemberg hört auch der Wald auf; weite bebaute, dünnbevölkerte
Flächen breiten sich aus, und die Vogesen verschwimmen am westlichen Horizont
°is geradliniger niedriger Gebirgszug. So geht es hinein nach Lothringen,
hinunter in das Gebiet der Saar. Bei Saargemünd erscheinen unvermutet
schwerbeladne Kohlenschiffe auf dem Kanal und auf dem Flusse, ein aus¬
gedehnter, höchst belebter Bahnhof thut sich auf, zahlreiche stattliche Neu-




von Weißenburg bis Metz
Otto Raemmel von (Schluß)

ieber völlig anders erscheint die nördlichste Vogesenstraße
, die
von Niederbronn nach Viehch läuft. Schon Niederbronn liegt in
einem engen, anmutigen Waldthale und ist ein kleiner freund¬
licher Badeort, der von Elsässern, Rheinländern und jetzt auch
wieder von französisch redenden Lothringern, namentlich aus
Metz, viel besucht wird, ein Ort sozusagen von etwas veralteter Art mit
wenig Neubauten, aber zahlreichen Gasthöfen und einem stattlichen Kurhause
um den schattigen Kurgarten, wo die Kochsnlzquelle entspringt. In den Firmen,
bei den Verkäufern und in der Sprache der Gäste, selbst in den roten Westen
der Hoteldiener und in den häufig getragnen blauen Binsen tritt das Fran¬
zösische etwas mehr hervor als sonst im untern Elsaß, und an der Wirtstafel
in der „Goldner Kette" sprachen die anwesenden Elsässer gern Französisch.
Nur dieses hörte man auch von den zahlreichen katholischen Geistlichen, die in
ihrer Tracht eine eigentümliche Staffage des Badelebens waren. Bei Nieder¬
bronn treten Straße und Eisenbahn ins Gebirge ein. Zwischen den steilen
Waldbergen ziehen sie das enge Thal des Falkensteinerbachs hinauf, und nachdem
die Bahn den weiten Waldkessel von Bärnstein verlassen hat, windet sie sich
langsam nach Bieses aufwärts, oft durch tiefe Einschnitte zwischen roten Sand-
steinfelsen und fast immer durch dichten Laubwald. Bei einer Biegung erscheint
Bieses, die Festung hochthronend auf schroff abfallenden Sandsteinfelsen, ihr zu
Füßen die kleine Stadt. Sie mußte 1870 von den deutschen Kolonnen um¬
gangen werden und fiel erst mit dem Waffenstillstande; auch jetzt wird sie noch
als Sperrfort festgehalten und hat ein ganzes Regiment, das neugebildete
132. als Besatzung. Von hier aus tritt mehr der Charakter der Hochebne
hervor, bei Lemberg hört auch der Wald auf; weite bebaute, dünnbevölkerte
Flächen breiten sich aus, und die Vogesen verschwimmen am westlichen Horizont
°is geradliniger niedriger Gebirgszug. So geht es hinein nach Lothringen,
hinunter in das Gebiet der Saar. Bei Saargemünd erscheinen unvermutet
schwerbeladne Kohlenschiffe auf dem Kanal und auf dem Flusse, ein aus¬
gedehnter, höchst belebter Bahnhof thut sich auf, zahlreiche stattliche Neu-


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[0346] [Abbildung] von Weißenburg bis Metz Otto Raemmel von (Schluß) ieber völlig anders erscheint die nördlichste Vogesenstraße , die von Niederbronn nach Viehch läuft. Schon Niederbronn liegt in einem engen, anmutigen Waldthale und ist ein kleiner freund¬ licher Badeort, der von Elsässern, Rheinländern und jetzt auch wieder von französisch redenden Lothringern, namentlich aus Metz, viel besucht wird, ein Ort sozusagen von etwas veralteter Art mit wenig Neubauten, aber zahlreichen Gasthöfen und einem stattlichen Kurhause um den schattigen Kurgarten, wo die Kochsnlzquelle entspringt. In den Firmen, bei den Verkäufern und in der Sprache der Gäste, selbst in den roten Westen der Hoteldiener und in den häufig getragnen blauen Binsen tritt das Fran¬ zösische etwas mehr hervor als sonst im untern Elsaß, und an der Wirtstafel in der „Goldner Kette" sprachen die anwesenden Elsässer gern Französisch. Nur dieses hörte man auch von den zahlreichen katholischen Geistlichen, die in ihrer Tracht eine eigentümliche Staffage des Badelebens waren. Bei Nieder¬ bronn treten Straße und Eisenbahn ins Gebirge ein. Zwischen den steilen Waldbergen ziehen sie das enge Thal des Falkensteinerbachs hinauf, und nachdem die Bahn den weiten Waldkessel von Bärnstein verlassen hat, windet sie sich langsam nach Bieses aufwärts, oft durch tiefe Einschnitte zwischen roten Sand- steinfelsen und fast immer durch dichten Laubwald. Bei einer Biegung erscheint Bieses, die Festung hochthronend auf schroff abfallenden Sandsteinfelsen, ihr zu Füßen die kleine Stadt. Sie mußte 1870 von den deutschen Kolonnen um¬ gangen werden und fiel erst mit dem Waffenstillstande; auch jetzt wird sie noch als Sperrfort festgehalten und hat ein ganzes Regiment, das neugebildete 132. als Besatzung. Von hier aus tritt mehr der Charakter der Hochebne hervor, bei Lemberg hört auch der Wald auf; weite bebaute, dünnbevölkerte Flächen breiten sich aus, und die Vogesen verschwimmen am westlichen Horizont °is geradliniger niedriger Gebirgszug. So geht es hinein nach Lothringen, hinunter in das Gebiet der Saar. Bei Saargemünd erscheinen unvermutet schwerbeladne Kohlenschiffe auf dem Kanal und auf dem Flusse, ein aus¬ gedehnter, höchst belebter Bahnhof thut sich auf, zahlreiche stattliche Neu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/346>, abgerufen am 24.07.2024.