Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Theodor von Bernhardt als Nationalökonom Punkt ganz folgerecht kommt die Theorie dazu, die Verringerung der Grund¬ Bernhardi sieht völlig klar darin, daß in diesen Lehren die Grundlage Wir erinnern an das Bismarckische Wort, daß der Freisinn die Vorfrucht Das ergiebt sich ganz folgerichtig aus dem Versuch, die Anschauung zu Theodor von Bernhardt als Nationalökonom Punkt ganz folgerecht kommt die Theorie dazu, die Verringerung der Grund¬ Bernhardi sieht völlig klar darin, daß in diesen Lehren die Grundlage Wir erinnern an das Bismarckische Wort, daß der Freisinn die Vorfrucht Das ergiebt sich ganz folgerichtig aus dem Versuch, die Anschauung zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229195"/> <fw type="header" place="top"> Theodor von Bernhardt als Nationalökonom</fw><lb/> <p xml:id="ID_675" prev="#ID_674"> Punkt ganz folgerecht kommt die Theorie dazu, die Verringerung der Grund¬<lb/> rente als einen Segen zu preisen und mitunter sogar die Grundeigentümer für<lb/> die natürlichen Feinde der Gesellschaft zu erklären. Da der Profit, der Gewinn<lb/> vom Kapital als das einzige wahre Einkommen gilt und der Zweck aller Be¬<lb/> strebungen ist, so ist die Erhaltung der Arbeiter auch nur Mittel zum Zweck,<lb/> und der Arbeitslohn im Grunde ein notwendiges Übel. Die Wohlfahrt und<lb/> Ruhe der Arbeiter ist nicht um ihrer selbst willen zu fördern, als ob sie diesen<lb/> nicht ebenso wichtig wäre wie den Unternehmern, nur der ungestörten Pro¬<lb/> duktion halber ist sie zu berücksichtigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_676"> Bernhardi sieht völlig klar darin, daß in diesen Lehren die Grundlage<lb/> der sozialdemokratischen Doktrin gegeben und zugestanden ist: der Arbeiter<lb/> müßte, um wirklich vollständig bezahlt zu sein, in seinem Lohn genau ebenso<lb/> viel verkörperte, in Gütern fixirte Arbeit erhalten, als er unmittelbare Arbeit<lb/> leistet. Bei einer solchen Bezahlung der Arbeit konnte sich wohl allenfalls<lb/> eine Grundrente, niemals aber ein Gewinn für den Kapitalbesitzer ergeben.<lb/> Dieser Gewinn, worin wir den eigentlichen durch die Betriebsamkeit gewährten<lb/> Vorteil sehen sollen, um dessen Einbringung es sich vorzugsweise handelt, kann<lb/> sich nur daraus ergeben, daß die Arbeit nicht vollständig, nicht nach ihrem<lb/> wahren Werte bezahlt wird. Die Engländer finden darin nichts Bedenkliches,<lb/> halten es vielmehr für richtig, daß bei dem Arbeiter nur von seinem Be¬<lb/> dürfnis gesprochen wird; so konnten die Sozialisten ihre Mehrwerttheorie<lb/> und das eherne Lohngesetz in bequemster Weise völlig fertig dem Arsenal ihrer<lb/> Gegner entnehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_677"> Wir erinnern an das Bismarckische Wort, daß der Freisinn die Vorfrucht<lb/> der Sozialdemokratie sei; es ist in einer viel tiefern Bedeutung wahr, als ge¬<lb/> wöhnlich angenommen wird. Wie sollten die Verfechter der Arbeiterinteressen<lb/> nun nicht darauf verfallen, ihrerseits den Kapitalgewinn als ein notwendiges<lb/> Übel darzustellen, das jedenfalls auf das geringste Maß zurückgeführt werden<lb/> müsse, wenn eben der Marktpreis der Arbeit doch immer unter ihrem eigent¬<lb/> lichen Werte steht?</p><lb/> <p xml:id="ID_678" next="#ID_679"> Das ergiebt sich ganz folgerichtig aus dem Versuch, die Anschauung zu<lb/> begründen, das Heil der Welt beruhe auf einem hohen Gewinnsatz, das Steigen<lb/> der Grundrente und des Arbeitslohns seien zwar natürliche, aber unerwünschte<lb/> Erscheinungen des wirtschaftlichen Lebens. Öffentliche Wohlfahrt und hoher<lb/> Gewinnsatz sind zu gleichbedeutenden Worten geworden, und der Besitzer des<lb/> beweglichen Reichtums, der kapitalreiche Gewerbsherr nimmt infolge dessen die<lb/> erste Stelle in der Gesellschaft ein. Auf ihm beruht das Wohl des Ganzen,<lb/> das er im Grunde allein erhält, Grundbesitzer und Arbeiter müßten unter¬<lb/> gehen, wenn ihnen nicht der Kapitalist zu Hilfe käme. Der Gewerbsherr allein<lb/> erhält den Staat und giebt der Regierung die Mittel, die nationale Unab¬<lb/> hängigkeit zu wahren und ihre Macht zu steigern, dafür hat sie sich ihm ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0246]
Theodor von Bernhardt als Nationalökonom
Punkt ganz folgerecht kommt die Theorie dazu, die Verringerung der Grund¬
rente als einen Segen zu preisen und mitunter sogar die Grundeigentümer für
die natürlichen Feinde der Gesellschaft zu erklären. Da der Profit, der Gewinn
vom Kapital als das einzige wahre Einkommen gilt und der Zweck aller Be¬
strebungen ist, so ist die Erhaltung der Arbeiter auch nur Mittel zum Zweck,
und der Arbeitslohn im Grunde ein notwendiges Übel. Die Wohlfahrt und
Ruhe der Arbeiter ist nicht um ihrer selbst willen zu fördern, als ob sie diesen
nicht ebenso wichtig wäre wie den Unternehmern, nur der ungestörten Pro¬
duktion halber ist sie zu berücksichtigen.
Bernhardi sieht völlig klar darin, daß in diesen Lehren die Grundlage
der sozialdemokratischen Doktrin gegeben und zugestanden ist: der Arbeiter
müßte, um wirklich vollständig bezahlt zu sein, in seinem Lohn genau ebenso
viel verkörperte, in Gütern fixirte Arbeit erhalten, als er unmittelbare Arbeit
leistet. Bei einer solchen Bezahlung der Arbeit konnte sich wohl allenfalls
eine Grundrente, niemals aber ein Gewinn für den Kapitalbesitzer ergeben.
Dieser Gewinn, worin wir den eigentlichen durch die Betriebsamkeit gewährten
Vorteil sehen sollen, um dessen Einbringung es sich vorzugsweise handelt, kann
sich nur daraus ergeben, daß die Arbeit nicht vollständig, nicht nach ihrem
wahren Werte bezahlt wird. Die Engländer finden darin nichts Bedenkliches,
halten es vielmehr für richtig, daß bei dem Arbeiter nur von seinem Be¬
dürfnis gesprochen wird; so konnten die Sozialisten ihre Mehrwerttheorie
und das eherne Lohngesetz in bequemster Weise völlig fertig dem Arsenal ihrer
Gegner entnehmen.
Wir erinnern an das Bismarckische Wort, daß der Freisinn die Vorfrucht
der Sozialdemokratie sei; es ist in einer viel tiefern Bedeutung wahr, als ge¬
wöhnlich angenommen wird. Wie sollten die Verfechter der Arbeiterinteressen
nun nicht darauf verfallen, ihrerseits den Kapitalgewinn als ein notwendiges
Übel darzustellen, das jedenfalls auf das geringste Maß zurückgeführt werden
müsse, wenn eben der Marktpreis der Arbeit doch immer unter ihrem eigent¬
lichen Werte steht?
Das ergiebt sich ganz folgerichtig aus dem Versuch, die Anschauung zu
begründen, das Heil der Welt beruhe auf einem hohen Gewinnsatz, das Steigen
der Grundrente und des Arbeitslohns seien zwar natürliche, aber unerwünschte
Erscheinungen des wirtschaftlichen Lebens. Öffentliche Wohlfahrt und hoher
Gewinnsatz sind zu gleichbedeutenden Worten geworden, und der Besitzer des
beweglichen Reichtums, der kapitalreiche Gewerbsherr nimmt infolge dessen die
erste Stelle in der Gesellschaft ein. Auf ihm beruht das Wohl des Ganzen,
das er im Grunde allein erhält, Grundbesitzer und Arbeiter müßten unter¬
gehen, wenn ihnen nicht der Kapitalist zu Hilfe käme. Der Gewerbsherr allein
erhält den Staat und giebt der Regierung die Mittel, die nationale Unab¬
hängigkeit zu wahren und ihre Macht zu steigern, dafür hat sie sich ihm ge-
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