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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wir kehren zu dem am Anfang dieser Abhandlung geschriebnen Kennwort
zurück und wiederholen, was wir schon gesagt haben: Noth Buch ist ein
unehrliches Buch. Wir sind weit entfernt, zu behaupten, daß alles, was er
am Menschen und Dichter Goethe auszusetzen hat, unrichtig und unberechtigt
sei, und daß nicht vielmehr mancher der Punkte, in denen wir Not bekämpft
haben, strittig sei; aber gerade in der ausschließlich nach dem tadelnswerten
und dem Schatten ausspähenden und dabei vor Entstellungen und Unter¬
schiebungen nicht zurückschreckenden Kampfesweise Roth, in dem ängstlichen Be¬
mühen, sich dem Lichte zu verschließen, das Goethes Geist ausstrahlt, liegt die
Unehrlichkeit seines Angriffs, zeigt sich deutlich das Bestreben, Goethes Ein¬
fluß namentlich in Frankreich, wenn auch auf Kosten der Wahrheit, zurück-
zubannen. Daß Rod damit Erfolg haben wird, befürchten wir nicht im
geringsten, denn inmitten des Krähens der dem Dichter "ungeneigter" Elstern,
Krähen und Dohlen, wie Stolzing singt:

und die Beckmesser, seien sie nun Stadtschreiber oder espritvolle Franzosen,
haben noch niemals auf der Welt das letzte Wort behalten. Trotzdem erschien
es uns hier nicht als nutzlos, bei ihrem Gröhlen einmal nach Art von Nürn¬
bergs teueren Sachs mit einigen kräftigen Sohlenstreichen den Merker zu
spielen.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Aus

Das Ereignis der Woche ist für Württemberg natürlich
die Abhaltung des sozialdemokratischen Parteitags in den Mauern der schwäbischen
Residenz. Er begann Montag den 3. Oktober und schloß Samstag den 8. Oktober.
Die Zahl der Delegierten der sozialdemokratischen Partei betrug 215, die aus
196 Wahlkreisen entsandt worden waren; dazu kamen noch 37 sozialdemokratische
Abgeordnete des deutschen Reichstags, sowie einige Gäste: der Schweizer Greulich,
die Österreicher Ellenbogen und Dasezinsti, der Franzose Guesde, der schon 13ö0
auf dem ersten Tag nach dem Erlöschen des Ausnahmegesetzes in Halle im Namen
der xarti ouvrie-r von Frankreich die deutschen Genossen begrüßt hatte. Der Vorsitz
wurde, wie bisher, dem Reichstagsabgeordneten Singer übertragen, der im vollen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wir kehren zu dem am Anfang dieser Abhandlung geschriebnen Kennwort
zurück und wiederholen, was wir schon gesagt haben: Noth Buch ist ein
unehrliches Buch. Wir sind weit entfernt, zu behaupten, daß alles, was er
am Menschen und Dichter Goethe auszusetzen hat, unrichtig und unberechtigt
sei, und daß nicht vielmehr mancher der Punkte, in denen wir Not bekämpft
haben, strittig sei; aber gerade in der ausschließlich nach dem tadelnswerten
und dem Schatten ausspähenden und dabei vor Entstellungen und Unter¬
schiebungen nicht zurückschreckenden Kampfesweise Roth, in dem ängstlichen Be¬
mühen, sich dem Lichte zu verschließen, das Goethes Geist ausstrahlt, liegt die
Unehrlichkeit seines Angriffs, zeigt sich deutlich das Bestreben, Goethes Ein¬
fluß namentlich in Frankreich, wenn auch auf Kosten der Wahrheit, zurück-
zubannen. Daß Rod damit Erfolg haben wird, befürchten wir nicht im
geringsten, denn inmitten des Krähens der dem Dichter „ungeneigter" Elstern,
Krähen und Dohlen, wie Stolzing singt:

und die Beckmesser, seien sie nun Stadtschreiber oder espritvolle Franzosen,
haben noch niemals auf der Welt das letzte Wort behalten. Trotzdem erschien
es uns hier nicht als nutzlos, bei ihrem Gröhlen einmal nach Art von Nürn¬
bergs teueren Sachs mit einigen kräftigen Sohlenstreichen den Merker zu
spielen.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Aus

Das Ereignis der Woche ist für Württemberg natürlich
die Abhaltung des sozialdemokratischen Parteitags in den Mauern der schwäbischen
Residenz. Er begann Montag den 3. Oktober und schloß Samstag den 8. Oktober.
Die Zahl der Delegierten der sozialdemokratischen Partei betrug 215, die aus
196 Wahlkreisen entsandt worden waren; dazu kamen noch 37 sozialdemokratische
Abgeordnete des deutschen Reichstags, sowie einige Gäste: der Schweizer Greulich,
die Österreicher Ellenbogen und Dasezinsti, der Franzose Guesde, der schon 13ö0
auf dem ersten Tag nach dem Erlöschen des Ausnahmegesetzes in Halle im Namen
der xarti ouvrie-r von Frankreich die deutschen Genossen begrüßt hatte. Der Vorsitz
wurde, wie bisher, dem Reichstagsabgeordneten Singer übertragen, der im vollen


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[0171] Maßgebliches und Unmaßgebliches Wir kehren zu dem am Anfang dieser Abhandlung geschriebnen Kennwort zurück und wiederholen, was wir schon gesagt haben: Noth Buch ist ein unehrliches Buch. Wir sind weit entfernt, zu behaupten, daß alles, was er am Menschen und Dichter Goethe auszusetzen hat, unrichtig und unberechtigt sei, und daß nicht vielmehr mancher der Punkte, in denen wir Not bekämpft haben, strittig sei; aber gerade in der ausschließlich nach dem tadelnswerten und dem Schatten ausspähenden und dabei vor Entstellungen und Unter¬ schiebungen nicht zurückschreckenden Kampfesweise Roth, in dem ängstlichen Be¬ mühen, sich dem Lichte zu verschließen, das Goethes Geist ausstrahlt, liegt die Unehrlichkeit seines Angriffs, zeigt sich deutlich das Bestreben, Goethes Ein¬ fluß namentlich in Frankreich, wenn auch auf Kosten der Wahrheit, zurück- zubannen. Daß Rod damit Erfolg haben wird, befürchten wir nicht im geringsten, denn inmitten des Krähens der dem Dichter „ungeneigter" Elstern, Krähen und Dohlen, wie Stolzing singt: und die Beckmesser, seien sie nun Stadtschreiber oder espritvolle Franzosen, haben noch niemals auf der Welt das letzte Wort behalten. Trotzdem erschien es uns hier nicht als nutzlos, bei ihrem Gröhlen einmal nach Art von Nürn¬ bergs teueren Sachs mit einigen kräftigen Sohlenstreichen den Merker zu spielen. Maßgebliches und Unmaßgebliches Aus Das Ereignis der Woche ist für Württemberg natürlich die Abhaltung des sozialdemokratischen Parteitags in den Mauern der schwäbischen Residenz. Er begann Montag den 3. Oktober und schloß Samstag den 8. Oktober. Die Zahl der Delegierten der sozialdemokratischen Partei betrug 215, die aus 196 Wahlkreisen entsandt worden waren; dazu kamen noch 37 sozialdemokratische Abgeordnete des deutschen Reichstags, sowie einige Gäste: der Schweizer Greulich, die Österreicher Ellenbogen und Dasezinsti, der Franzose Guesde, der schon 13ö0 auf dem ersten Tag nach dem Erlöschen des Ausnahmegesetzes in Halle im Namen der xarti ouvrie-r von Frankreich die deutschen Genossen begrüßt hatte. Der Vorsitz wurde, wie bisher, dem Reichstagsabgeordneten Singer übertragen, der im vollen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/171>, abgerufen am 12.12.2024.