Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.ihnen vertretnen Grundanschciuungen von Staat und Gesellschaft sind Heinrich Der Standpunkt, den ein Buch wie das Bcrnhardische zu der in der Man überläßt sich einer seltsamen Täuschung, wenn man annehmen zu ihnen vertretnen Grundanschciuungen von Staat und Gesellschaft sind Heinrich Der Standpunkt, den ein Buch wie das Bcrnhardische zu der in der Man überläßt sich einer seltsamen Täuschung, wenn man annehmen zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0129" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229077"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_271" prev="#ID_270"> ihnen vertretnen Grundanschciuungen von Staat und Gesellschaft sind Heinrich<lb/> von Treitschke und von den neusten der Österreicher Ratzenhofer. Der Staats¬<lb/> mann dieser Richtung ist Fürst Vismarck, und weil seine Politik auf einer von<lb/> Grund aus verschiednen Anschauung von Staat und Gesellschaft beruht, weil<lb/> er seine Aufgabe nicht darin fand, dem gegenwärtig lebenden Geschlecht Ruhe,<lb/> Behagen und Reichtum zu schaffen, sondern den Mut hatte, große Opfer von<lb/> der Gegenwart für ideale Güter und für die Zukunft zu fordern, darum<lb/> beginnt mit ihm eine ganz neue Art von Politik. Es ist geradezu unver¬<lb/> ständlich, wie es möglich ist, den Manchestermann Gladstone mit Bismarck zu¬<lb/> sammenzustellen, der eine der Vertreter einer schlaffen, abgelebten, eudümoni-<lb/> stischcn Weltanschauung, der andre der Genius, der einer neuen durch und<lb/> durch männlichen und kräftigen Auffassung vom Staat und seinen Zwecken die<lb/> Thore gewaltsam aufgebrochen hat. Gerade in dem Bruch mit dem sogenannten<lb/> wahren Parlamentarismus, d. h. einer Majoritätstyrannei, sehen wir eins seiner<lb/> größten Verdienste um unser Vaterland.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head/><lb/> <p xml:id="ID_272"> Der Standpunkt, den ein Buch wie das Bcrnhardische zu der in der<lb/> Theorie und der Praxis herrschenden Zeitströmung einnimmt, führt dazu, daß<lb/> es Polemisch gehalten ist; die Folge dieses polemischen Charakters aber ist<lb/> wiederum, daß man bei Bernhardt ebenso wie bei Carlyle ihre maßgebenden<lb/> Grundans'chauungen nicht in zusammenhängender logischer Entwicklung hübsch<lb/> bei einander findet, sondern aus der Gesamtheit ihrer Ausführungen zusammen¬<lb/> zustellen genötigt ist. Die Auffassungen seiner Gegner, die oft auf das ein¬<lb/> gehendste angeführt und auseinandergelegt werden, um ihre Grundgedanken<lb/> herauszuschälen, geben der Arbeit eine nicht gerade bequeme Breite; ihre<lb/> Widerlegung im einzelnen macht dabei häufige Wiederholungen nötig. Die<lb/> Arbeit des Lesers bei dem einen volkswirtschaftlichen Werk Bernhardts ist<lb/> "'dessen viel leichter als bei Carlyle; das wesentlichste findet sich in § 21:<lb/> «die ganz freie Teilbarkeit und Veräußerlichkeit des Grundeigentums," wo es<lb/> die Gelegenheit mit sich bringt, die absolute Freiheit des Verkehrs mit all<lb/> ihren Voraussetzungen und Folgen zu beleuchten und namentlich zu zeigen,<lb/> daß diese Freiheit weder wünschenswert noch überhaupt möglich ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_273" next="#ID_274"> Man überläßt sich einer seltsamen Täuschung, wenn man annehmen zu<lb/> dürsen glaubt, so sührt Bernhardt aus. völlige Entfesselung könne nur einen<lb/> bestimmten und zwar den vollkommensten Zustand hervorrufen, ber dem es<lb/> dann als bei einem endlichen und letzten sein Bewenden haben werde. Konnte<lb/> '""n die Dinge ihrer eignen Schwerkraft wirklich überlassen, so folgt daraus<lb/> noch keineswegs, daß sie sich in dem gewünschten Sinn entwickeln mußten. Es<lb/> Angl hier Täuschung zu Grunde; die Zustände, die man lediglich aus der<lb/> Natur der Dinge nach einem Gesetz innerer Notwendigkeit hervorgegangen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0129]
ihnen vertretnen Grundanschciuungen von Staat und Gesellschaft sind Heinrich
von Treitschke und von den neusten der Österreicher Ratzenhofer. Der Staats¬
mann dieser Richtung ist Fürst Vismarck, und weil seine Politik auf einer von
Grund aus verschiednen Anschauung von Staat und Gesellschaft beruht, weil
er seine Aufgabe nicht darin fand, dem gegenwärtig lebenden Geschlecht Ruhe,
Behagen und Reichtum zu schaffen, sondern den Mut hatte, große Opfer von
der Gegenwart für ideale Güter und für die Zukunft zu fordern, darum
beginnt mit ihm eine ganz neue Art von Politik. Es ist geradezu unver¬
ständlich, wie es möglich ist, den Manchestermann Gladstone mit Bismarck zu¬
sammenzustellen, der eine der Vertreter einer schlaffen, abgelebten, eudümoni-
stischcn Weltanschauung, der andre der Genius, der einer neuen durch und
durch männlichen und kräftigen Auffassung vom Staat und seinen Zwecken die
Thore gewaltsam aufgebrochen hat. Gerade in dem Bruch mit dem sogenannten
wahren Parlamentarismus, d. h. einer Majoritätstyrannei, sehen wir eins seiner
größten Verdienste um unser Vaterland.
Der Standpunkt, den ein Buch wie das Bcrnhardische zu der in der
Theorie und der Praxis herrschenden Zeitströmung einnimmt, führt dazu, daß
es Polemisch gehalten ist; die Folge dieses polemischen Charakters aber ist
wiederum, daß man bei Bernhardt ebenso wie bei Carlyle ihre maßgebenden
Grundans'chauungen nicht in zusammenhängender logischer Entwicklung hübsch
bei einander findet, sondern aus der Gesamtheit ihrer Ausführungen zusammen¬
zustellen genötigt ist. Die Auffassungen seiner Gegner, die oft auf das ein¬
gehendste angeführt und auseinandergelegt werden, um ihre Grundgedanken
herauszuschälen, geben der Arbeit eine nicht gerade bequeme Breite; ihre
Widerlegung im einzelnen macht dabei häufige Wiederholungen nötig. Die
Arbeit des Lesers bei dem einen volkswirtschaftlichen Werk Bernhardts ist
"'dessen viel leichter als bei Carlyle; das wesentlichste findet sich in § 21:
«die ganz freie Teilbarkeit und Veräußerlichkeit des Grundeigentums," wo es
die Gelegenheit mit sich bringt, die absolute Freiheit des Verkehrs mit all
ihren Voraussetzungen und Folgen zu beleuchten und namentlich zu zeigen,
daß diese Freiheit weder wünschenswert noch überhaupt möglich ist.
Man überläßt sich einer seltsamen Täuschung, wenn man annehmen zu
dürsen glaubt, so sührt Bernhardt aus. völlige Entfesselung könne nur einen
bestimmten und zwar den vollkommensten Zustand hervorrufen, ber dem es
dann als bei einem endlichen und letzten sein Bewenden haben werde. Konnte
'""n die Dinge ihrer eignen Schwerkraft wirklich überlassen, so folgt daraus
noch keineswegs, daß sie sich in dem gewünschten Sinn entwickeln mußten. Es
Angl hier Täuschung zu Grunde; die Zustände, die man lediglich aus der
Natur der Dinge nach einem Gesetz innerer Notwendigkeit hervorgegangen
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