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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Der japanische Farbenholzschnitt

lerischer Naturalismus, d. h. Impressionismus, also gerade das, was man
damals wollte, was man als höchstes Ideal erstrebte.

Natürlich konnte sich bei dieser Auffassung das Interesse der französischen
Maler nur auf die japanischen Meister des neunzehnten Jahrhunderts richten,
auf die Hvkusai (1760 bis 1849) und Hirvshige (1797 bis 1858), allenfalls
noch auf ihren unmittelbaren Vorgänger Utämaro (1754 bis 1806), in deren
Genredarstellungen, Tieren und Landschaften gerade dieser japanische Natura¬
lismus seine höchsten Triumphe gefeiert hatte. In der That erkannte man in
diesen drei Meistern die Hauptvertreter der japanischen Kunst. Ihre Art, die
Natur zu sehen, ihre lebendige Charakteristik, ihr Naturalismus und Impressio¬
nismus galten als charakteristisch für die japanische Malerei überhaupt. So
sah man also in die japanische Kunst gewissermaßen das hinein, was man
nach dem Staude der damaligen Entwicklung in sie hineinsehen mußte. Man
fand sich selbst in ihren Vertretern wieder, erkannte in ihrer Art, die Natur
zu sehen, eine Bestätigung seiner eignen naturalistischen Theorien.

Es ist also wohl zu merken, daß der erste Grund für die Bewundrung
der japanischen Malerei durchaus nicht wie beim Kunstgewerbe in ihrem deko¬
rativen Charakter lag, sondern vielmehr in ihrem naturalistischen. Einzig und
allein von dieser Seite aus konnten die europäischen Maler in den sechziger
Jahren des Jahrhunderts einer so fremdartigen Erscheinung beikommen.

Das hat sich min seitdem vollkommen geändert. Nicht als ob die Be-
wundrung für den japanischen Holzschnitt geringer geworden wäre, im Gegen¬
teil, sie hat eher noch zugenommen. Größere Sammlungen japanischer Farben¬
holzschnitte waren nach Europa gelangt. Im Jahre 1882 stellte Professor
Gierde aus Vreslau, einer der besten ältern Kenner dieser Kunstgattung, der
auch die Absicht hatte, ihre Geschichte zu schreiben, woran er aber durch den Tod
verhindert wurde, seine etwa aus zweihundert Stuck bestehende Sammlung
japanischer Malereien im Kunstgewerbemuseum zu Berlin aus. In demselben
Jahre erwarb das Britische Museum in London von dem englischen Mediziner
Anderson, der jahrelang in Tokio gelebt hatte, und dem wir auch die ersten
wissenschaftlichen Werke über die japanische Kunst verdanken, eine etwa aus
zweitausend Nummern bestehende Sammlung chinesischer und japanischer Male¬
reien. In Paris, wo inzwischen mehrere Privatsammlungen entstanden waren,
wurde" 1883 und 1890 öffentliche Ausstellungen japanischer Drucke veranstaltet,
dann auch vom Staate die Sammlung Grandidier erworben, die sich jetzt im
Louvre befindet. Den Vogel aber schoß das Nu86um ok tius arts in Boston
ab, indem es die von Professor Fenollosa zusammengebrachten 400 Wand¬
schirme. 4000 Gemälde und 10000 Drucke erwarb.

Fenollosa war zwölf Jahre lang als japanischer Staatsbeamter in Japan
gewesen und hatte sich hier eine Kenntnis der japanischen Kunst erworben,
wie sie gegenwärtig kein zweiter Europäer hat. Schon 1835 hatte er das
betreffende Kapitel in Gonses I/art ^xona-is revidirt, 1897 dann unter dem


Der japanische Farbenholzschnitt

lerischer Naturalismus, d. h. Impressionismus, also gerade das, was man
damals wollte, was man als höchstes Ideal erstrebte.

Natürlich konnte sich bei dieser Auffassung das Interesse der französischen
Maler nur auf die japanischen Meister des neunzehnten Jahrhunderts richten,
auf die Hvkusai (1760 bis 1849) und Hirvshige (1797 bis 1858), allenfalls
noch auf ihren unmittelbaren Vorgänger Utämaro (1754 bis 1806), in deren
Genredarstellungen, Tieren und Landschaften gerade dieser japanische Natura¬
lismus seine höchsten Triumphe gefeiert hatte. In der That erkannte man in
diesen drei Meistern die Hauptvertreter der japanischen Kunst. Ihre Art, die
Natur zu sehen, ihre lebendige Charakteristik, ihr Naturalismus und Impressio¬
nismus galten als charakteristisch für die japanische Malerei überhaupt. So
sah man also in die japanische Kunst gewissermaßen das hinein, was man
nach dem Staude der damaligen Entwicklung in sie hineinsehen mußte. Man
fand sich selbst in ihren Vertretern wieder, erkannte in ihrer Art, die Natur
zu sehen, eine Bestätigung seiner eignen naturalistischen Theorien.

Es ist also wohl zu merken, daß der erste Grund für die Bewundrung
der japanischen Malerei durchaus nicht wie beim Kunstgewerbe in ihrem deko¬
rativen Charakter lag, sondern vielmehr in ihrem naturalistischen. Einzig und
allein von dieser Seite aus konnten die europäischen Maler in den sechziger
Jahren des Jahrhunderts einer so fremdartigen Erscheinung beikommen.

Das hat sich min seitdem vollkommen geändert. Nicht als ob die Be-
wundrung für den japanischen Holzschnitt geringer geworden wäre, im Gegen¬
teil, sie hat eher noch zugenommen. Größere Sammlungen japanischer Farben¬
holzschnitte waren nach Europa gelangt. Im Jahre 1882 stellte Professor
Gierde aus Vreslau, einer der besten ältern Kenner dieser Kunstgattung, der
auch die Absicht hatte, ihre Geschichte zu schreiben, woran er aber durch den Tod
verhindert wurde, seine etwa aus zweihundert Stuck bestehende Sammlung
japanischer Malereien im Kunstgewerbemuseum zu Berlin aus. In demselben
Jahre erwarb das Britische Museum in London von dem englischen Mediziner
Anderson, der jahrelang in Tokio gelebt hatte, und dem wir auch die ersten
wissenschaftlichen Werke über die japanische Kunst verdanken, eine etwa aus
zweitausend Nummern bestehende Sammlung chinesischer und japanischer Male¬
reien. In Paris, wo inzwischen mehrere Privatsammlungen entstanden waren,
wurde» 1883 und 1890 öffentliche Ausstellungen japanischer Drucke veranstaltet,
dann auch vom Staate die Sammlung Grandidier erworben, die sich jetzt im
Louvre befindet. Den Vogel aber schoß das Nu86um ok tius arts in Boston
ab, indem es die von Professor Fenollosa zusammengebrachten 400 Wand¬
schirme. 4000 Gemälde und 10000 Drucke erwarb.

Fenollosa war zwölf Jahre lang als japanischer Staatsbeamter in Japan
gewesen und hatte sich hier eine Kenntnis der japanischen Kunst erworben,
wie sie gegenwärtig kein zweiter Europäer hat. Schon 1835 hatte er das
betreffende Kapitel in Gonses I/art ^xona-is revidirt, 1897 dann unter dem


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[0094] Der japanische Farbenholzschnitt lerischer Naturalismus, d. h. Impressionismus, also gerade das, was man damals wollte, was man als höchstes Ideal erstrebte. Natürlich konnte sich bei dieser Auffassung das Interesse der französischen Maler nur auf die japanischen Meister des neunzehnten Jahrhunderts richten, auf die Hvkusai (1760 bis 1849) und Hirvshige (1797 bis 1858), allenfalls noch auf ihren unmittelbaren Vorgänger Utämaro (1754 bis 1806), in deren Genredarstellungen, Tieren und Landschaften gerade dieser japanische Natura¬ lismus seine höchsten Triumphe gefeiert hatte. In der That erkannte man in diesen drei Meistern die Hauptvertreter der japanischen Kunst. Ihre Art, die Natur zu sehen, ihre lebendige Charakteristik, ihr Naturalismus und Impressio¬ nismus galten als charakteristisch für die japanische Malerei überhaupt. So sah man also in die japanische Kunst gewissermaßen das hinein, was man nach dem Staude der damaligen Entwicklung in sie hineinsehen mußte. Man fand sich selbst in ihren Vertretern wieder, erkannte in ihrer Art, die Natur zu sehen, eine Bestätigung seiner eignen naturalistischen Theorien. Es ist also wohl zu merken, daß der erste Grund für die Bewundrung der japanischen Malerei durchaus nicht wie beim Kunstgewerbe in ihrem deko¬ rativen Charakter lag, sondern vielmehr in ihrem naturalistischen. Einzig und allein von dieser Seite aus konnten die europäischen Maler in den sechziger Jahren des Jahrhunderts einer so fremdartigen Erscheinung beikommen. Das hat sich min seitdem vollkommen geändert. Nicht als ob die Be- wundrung für den japanischen Holzschnitt geringer geworden wäre, im Gegen¬ teil, sie hat eher noch zugenommen. Größere Sammlungen japanischer Farben¬ holzschnitte waren nach Europa gelangt. Im Jahre 1882 stellte Professor Gierde aus Vreslau, einer der besten ältern Kenner dieser Kunstgattung, der auch die Absicht hatte, ihre Geschichte zu schreiben, woran er aber durch den Tod verhindert wurde, seine etwa aus zweihundert Stuck bestehende Sammlung japanischer Malereien im Kunstgewerbemuseum zu Berlin aus. In demselben Jahre erwarb das Britische Museum in London von dem englischen Mediziner Anderson, der jahrelang in Tokio gelebt hatte, und dem wir auch die ersten wissenschaftlichen Werke über die japanische Kunst verdanken, eine etwa aus zweitausend Nummern bestehende Sammlung chinesischer und japanischer Male¬ reien. In Paris, wo inzwischen mehrere Privatsammlungen entstanden waren, wurde» 1883 und 1890 öffentliche Ausstellungen japanischer Drucke veranstaltet, dann auch vom Staate die Sammlung Grandidier erworben, die sich jetzt im Louvre befindet. Den Vogel aber schoß das Nu86um ok tius arts in Boston ab, indem es die von Professor Fenollosa zusammengebrachten 400 Wand¬ schirme. 4000 Gemälde und 10000 Drucke erwarb. Fenollosa war zwölf Jahre lang als japanischer Staatsbeamter in Japan gewesen und hatte sich hier eine Kenntnis der japanischen Kunst erworben, wie sie gegenwärtig kein zweiter Europäer hat. Schon 1835 hatte er das betreffende Kapitel in Gonses I/art ^xona-is revidirt, 1897 dann unter dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/94>, abgerufen am 01.09.2024.