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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben

Wagen, der eine Ladung Pöklinge hatte. Sogleich warf man ihm den eisernen
Topf um, riß das Feuer aus einander und trat es ans. Darauf begann ein
tumultnarisches Verhör, das zu nichts führte. Hier erschien der Herr Schulze, schob
die Leute aus einander, pflanzte sich gravitätisch auf und fragte den Fuhrmann,
wie er sich unterstehen könne, den Pulverwagen so nahe ans Dorf heranzufnhren?
-- Ja warum denn nicht? er habe ja kein Pulver auf dein Wagen, sondern Pök¬
linge. -- Warum er Pöklinge auf dem Pulverwagen habe. -- Das sei ganz ein¬
fach, er fahre Pulver nach Hermnnnshall und bringe ans der Rückfahrt Waren
mit, wer ihm das verbieten wolle? Da war der Schulze mit seinem Latein zu
Ende. Zum Glück kam ihm hier der Herr Kantor zu Hilfe, der fragte weiter:
Warum er denn hier auf dem Anger und nicht im Kruge ausgespannt habe.
-- Seine Pferde hätten die Influenza, er wolle damit nicht in den Krugstall gehen. --
Wer ihm erlaubt habe, hier Feuer anzumachen? -- Wenn es Zigeunern und
Kesselflickern erlaubt sei, hier zu lagern, warum uicht auch ihm? -- Warum er
denn die Fahne mit dem aufgesteckt habe? -- Alle Hagel-Donnerwetter!
Die habe er vergessen wegzunehmen. Das schadete aber nichts, sie könnten ja das
I' als Abkürzung für Pöklinge ansehe".

Der Witz hätte gewiß Beifall gefunden und zur friedlichen Lösung der An¬
gelegenheit geführt, wenn nicht in diesem Augenblick der Herr Gendarm erschienen
wäre. Der griff sogleich schneidig ein, nahm den Delinquenten erst einmal beim
Kragen, schüttelte ihn und redete ihn hart an: Wie er sich unterstehen könne, der
Obrigkeit gegenüber schlechte Witze zu machen. Das sei Beleidigung im Amte und
werde mit Gefängnis nicht unter acht Tagen gestraft. Jetzt wurde Schwarzlose
auch ärgerlich und verbat sich polizeiliche Eingriffe, wo er gar nichts unerlaubtes
gethan habe. Und den Topf mit Essen habe man ihm auch umgekippt, wer ihm
jetzt sein Essen bezahle? Aber da kam er schön an. Schwarzlose habe nichts un¬
gesetzliches gethan? Er habe ruhige Bürger mit seinem Pulverwagen und Feuer
in Angst und Unruhe versetzt, das sei grober Unfug, und dafür werde er belangt
werden, er solle nur gleich mitkommen.

Als der Herr Gendarm mit seinem Gefangnen und gefolgt von der ganzen
Versammlung "am Thore" anlangte, kam der Herr Landrat mit dem Herrn Be¬
zirkskommandeur im Wagen die Dorfstraße herauf. Der Herr Landrat ließ halten,
und der Herr Gendarm trat stramm an den Wagen heran und meldete dienstlich,
daß er den Delinquenten eben abführe, und daß alle Gefahr beseitigt sei.

Es ist doch ein tüchtiger Mensch, dieser Wachtmeister, sagte der Landrat zum
Herrn Bezirkskommandeur, ich werde ihn zum nächsten Ordensfeste für das All¬
gemeine Ehrenzeichen vormerken.




Skizzen aus unserm heutigen Volksleben

Wagen, der eine Ladung Pöklinge hatte. Sogleich warf man ihm den eisernen
Topf um, riß das Feuer aus einander und trat es ans. Darauf begann ein
tumultnarisches Verhör, das zu nichts führte. Hier erschien der Herr Schulze, schob
die Leute aus einander, pflanzte sich gravitätisch auf und fragte den Fuhrmann,
wie er sich unterstehen könne, den Pulverwagen so nahe ans Dorf heranzufnhren?
— Ja warum denn nicht? er habe ja kein Pulver auf dein Wagen, sondern Pök¬
linge. — Warum er Pöklinge auf dem Pulverwagen habe. — Das sei ganz ein¬
fach, er fahre Pulver nach Hermnnnshall und bringe ans der Rückfahrt Waren
mit, wer ihm das verbieten wolle? Da war der Schulze mit seinem Latein zu
Ende. Zum Glück kam ihm hier der Herr Kantor zu Hilfe, der fragte weiter:
Warum er denn hier auf dem Anger und nicht im Kruge ausgespannt habe.
— Seine Pferde hätten die Influenza, er wolle damit nicht in den Krugstall gehen. —
Wer ihm erlaubt habe, hier Feuer anzumachen? — Wenn es Zigeunern und
Kesselflickern erlaubt sei, hier zu lagern, warum uicht auch ihm? — Warum er
denn die Fahne mit dem aufgesteckt habe? — Alle Hagel-Donnerwetter!
Die habe er vergessen wegzunehmen. Das schadete aber nichts, sie könnten ja das
I' als Abkürzung für Pöklinge ansehe».

Der Witz hätte gewiß Beifall gefunden und zur friedlichen Lösung der An¬
gelegenheit geführt, wenn nicht in diesem Augenblick der Herr Gendarm erschienen
wäre. Der griff sogleich schneidig ein, nahm den Delinquenten erst einmal beim
Kragen, schüttelte ihn und redete ihn hart an: Wie er sich unterstehen könne, der
Obrigkeit gegenüber schlechte Witze zu machen. Das sei Beleidigung im Amte und
werde mit Gefängnis nicht unter acht Tagen gestraft. Jetzt wurde Schwarzlose
auch ärgerlich und verbat sich polizeiliche Eingriffe, wo er gar nichts unerlaubtes
gethan habe. Und den Topf mit Essen habe man ihm auch umgekippt, wer ihm
jetzt sein Essen bezahle? Aber da kam er schön an. Schwarzlose habe nichts un¬
gesetzliches gethan? Er habe ruhige Bürger mit seinem Pulverwagen und Feuer
in Angst und Unruhe versetzt, das sei grober Unfug, und dafür werde er belangt
werden, er solle nur gleich mitkommen.

Als der Herr Gendarm mit seinem Gefangnen und gefolgt von der ganzen
Versammlung „am Thore" anlangte, kam der Herr Landrat mit dem Herrn Be¬
zirkskommandeur im Wagen die Dorfstraße herauf. Der Herr Landrat ließ halten,
und der Herr Gendarm trat stramm an den Wagen heran und meldete dienstlich,
daß er den Delinquenten eben abführe, und daß alle Gefahr beseitigt sei.

Es ist doch ein tüchtiger Mensch, dieser Wachtmeister, sagte der Landrat zum
Herrn Bezirkskommandeur, ich werde ihn zum nächsten Ordensfeste für das All¬
gemeine Ehrenzeichen vormerken.




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[0531] Skizzen aus unserm heutigen Volksleben Wagen, der eine Ladung Pöklinge hatte. Sogleich warf man ihm den eisernen Topf um, riß das Feuer aus einander und trat es ans. Darauf begann ein tumultnarisches Verhör, das zu nichts führte. Hier erschien der Herr Schulze, schob die Leute aus einander, pflanzte sich gravitätisch auf und fragte den Fuhrmann, wie er sich unterstehen könne, den Pulverwagen so nahe ans Dorf heranzufnhren? — Ja warum denn nicht? er habe ja kein Pulver auf dein Wagen, sondern Pök¬ linge. — Warum er Pöklinge auf dem Pulverwagen habe. — Das sei ganz ein¬ fach, er fahre Pulver nach Hermnnnshall und bringe ans der Rückfahrt Waren mit, wer ihm das verbieten wolle? Da war der Schulze mit seinem Latein zu Ende. Zum Glück kam ihm hier der Herr Kantor zu Hilfe, der fragte weiter: Warum er denn hier auf dem Anger und nicht im Kruge ausgespannt habe. — Seine Pferde hätten die Influenza, er wolle damit nicht in den Krugstall gehen. — Wer ihm erlaubt habe, hier Feuer anzumachen? — Wenn es Zigeunern und Kesselflickern erlaubt sei, hier zu lagern, warum uicht auch ihm? — Warum er denn die Fahne mit dem aufgesteckt habe? — Alle Hagel-Donnerwetter! Die habe er vergessen wegzunehmen. Das schadete aber nichts, sie könnten ja das I' als Abkürzung für Pöklinge ansehe». Der Witz hätte gewiß Beifall gefunden und zur friedlichen Lösung der An¬ gelegenheit geführt, wenn nicht in diesem Augenblick der Herr Gendarm erschienen wäre. Der griff sogleich schneidig ein, nahm den Delinquenten erst einmal beim Kragen, schüttelte ihn und redete ihn hart an: Wie er sich unterstehen könne, der Obrigkeit gegenüber schlechte Witze zu machen. Das sei Beleidigung im Amte und werde mit Gefängnis nicht unter acht Tagen gestraft. Jetzt wurde Schwarzlose auch ärgerlich und verbat sich polizeiliche Eingriffe, wo er gar nichts unerlaubtes gethan habe. Und den Topf mit Essen habe man ihm auch umgekippt, wer ihm jetzt sein Essen bezahle? Aber da kam er schön an. Schwarzlose habe nichts un¬ gesetzliches gethan? Er habe ruhige Bürger mit seinem Pulverwagen und Feuer in Angst und Unruhe versetzt, das sei grober Unfug, und dafür werde er belangt werden, er solle nur gleich mitkommen. Als der Herr Gendarm mit seinem Gefangnen und gefolgt von der ganzen Versammlung „am Thore" anlangte, kam der Herr Landrat mit dem Herrn Be¬ zirkskommandeur im Wagen die Dorfstraße herauf. Der Herr Landrat ließ halten, und der Herr Gendarm trat stramm an den Wagen heran und meldete dienstlich, daß er den Delinquenten eben abführe, und daß alle Gefahr beseitigt sei. Es ist doch ein tüchtiger Mensch, dieser Wachtmeister, sagte der Landrat zum Herrn Bezirkskommandeur, ich werde ihn zum nächsten Ordensfeste für das All¬ gemeine Ehrenzeichen vormerken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/531>, abgerufen am 27.07.2024.