Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.Skizzen aus unserm heutigen Volksleben Bretterplcmke zwischen seinem Hofe und der alten Scheune errichten ließ. Der Freilich so, wie sich die Kapelle darstellte, war sie zu eiuer Kirche für den Inzwischen hatte sich beim Wegbrechen eingebauter Lehmwände gefunden, daß Die Staatsbehörde hatte sich bei der Abtretung der Kapelle vorbehalten, die Skizzen aus unserm heutigen Volksleben Bretterplcmke zwischen seinem Hofe und der alten Scheune errichten ließ. Der Freilich so, wie sich die Kapelle darstellte, war sie zu eiuer Kirche für den Inzwischen hatte sich beim Wegbrechen eingebauter Lehmwände gefunden, daß Die Staatsbehörde hatte sich bei der Abtretung der Kapelle vorbehalten, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0479" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228781"/> <fw type="header" place="top"> Skizzen aus unserm heutigen Volksleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_1638" prev="#ID_1637"> Bretterplcmke zwischen seinem Hofe und der alten Scheune errichten ließ. Der<lb/> Gemeindekircheurat nahm feierlich Besitz von der Kirche, und der Herr Oberpfarrer<lb/> hielt eine vorläufige, schöne, leider nur zu lang gerntne Einweihungsrede. Für die<lb/> Frau Oberpfarrer aber begannen traurige Zeiten. Ihr lieber Mann kroch vor¬<lb/> mittags und nachmittags in der staubigen Scheune herum, er war weder zum Früh¬<lb/> stück, noch zum Mittagbrote zur rechten Zeit zu Hause, und seine schönen schwarzen<lb/> Kleider sahen zum Erbarmen aus. Alle Augenblicke kam ein Baubeflissener oder<lb/> Kunstfreund, der sich die Perle in der schmutzigen Schale ansehen wollte, und der<lb/> Herr Oberpfarrer ließ es sich nicht nehmen, einen jeden in eigner Person herum¬<lb/> zuführen. Als aber die Wände niedergerissen wurden, in denen die Kapelle ver¬<lb/> steckt war, kam der Herr Oberprediger überhaupt uicht mehr nach Hause, und der<lb/> Herr Küster mußte seinen Oberhirten mehr als einmal vom Ban zu seinen Amts¬<lb/> handlungen rufen. Und in der That, was zum Vorscheine kam, war überraschend<lb/> schön. Doktor Blütgen hatte uicht zu viel gesagt, als er vou einer Perle mittel¬<lb/> alterlicher Kunst redete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1639"> Freilich so, wie sich die Kapelle darstellte, war sie zu eiuer Kirche für den<lb/> Mönkeberg nicht recht geeignet. Sie war offenbar zu kurz, die Feuster waren aus¬<lb/> fallend klein, und die Gewölbe gingen mit ihren Diensten auffallend tief herab.<lb/> Der Herr Stadtbaumeister, der vom Gemeiudekircheurat beauftragt war, einen<lb/> Wiederherstellungsentwurf auszuarbeiten, trug diesen Mängeln Rechnung. Er zeich¬<lb/> nete als Verlängerung der Kapelle ein Stück Kirche modern gotischen Stils mit<lb/> hübsch hoher Wölbung und hübsch großen Fenstern und setzte oben einen Turm<lb/> auf, in dem zwei Glocken Platz hatten. Die Fenster erhielten einfach weißes Glas,<lb/> die Gestühle sollten ans Tannenholz gefertigt werden, ebenso die Empore an der<lb/> Westseite. Hier sollte eine kleine Orgel Platz haben. Dieser Anschlag gefiel all¬<lb/> gemein, einesteils weil er praktisch, andernteils weil er billig war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1640"> Inzwischen hatte sich beim Wegbrechen eingebauter Lehmwände gefunden, daß<lb/> noch in zwei Fenstern Reste von Glasmalerei vorhanden waren. Die Arbeiter<lb/> waren schon dabei, diese Reste, einen Haufen fast schwarzer, verwitterter und mit<lb/> einer dicken Kruste vou Schmutz überzogner Glasstückchen, herauszunehmen und in<lb/> eine Kiste zu werfen, als der kleine Blütgen ankam und in erregten Worten Veto ein¬<lb/> legte. Er sei vom Landeskonservator für Kunst und Altertümer beauftragt, darüber<lb/> zu wachen, daß an der Kapelle nichts beschädigt werde oder abhanden komme, er<lb/> mache den Herrn Bauführer verantwortlich für jedes Glasstück, das etwa zerbrochen<lb/> würde. Der Herr Bauführer kriegte keinen schlechten Schreck und jagte seine Leute<lb/> von den Fenstern weg. Die Glasmalereien blieben also vorläufig hängen und<lb/> liegen, wurden skizzirt und photographirt, numerirt und katalvgisirt und dann mit<lb/> größter Vorsicht herausgenommen und unter Verwendung vieler Tafeln Watte<lb/> eingepackt. Auch das alte Blei, das noch in Fetzen an den Rahmen hing, wurde<lb/> sorgfältig losgelöst und aufbewahrt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1641" next="#ID_1642"> Die Staatsbehörde hatte sich bei der Abtretung der Kapelle vorbehalten, die<lb/> Wiedcrherstelluugspläne zu prüfen und zu genehmigen. Der Plan des Herrn<lb/> Stadtbaumeister wurde also an die Königliche Regierung eingesandt. Nach gemessener<lb/> Zeit kam er zurück mit der Antwort, der Plan sei völlig unannehmbar. Der<lb/> Anbau sei gänzlich unorganisch angefügt, die Maße des Gebäudes seien willkürlich<lb/> geändert, die neuen Fenster im Verhältnisse zu den alten zu groß, das Gewölbe<lb/> zu hoch. Eine hölzerne Empore dürfe nicht eingebaut werden. Wenn der West¬<lb/> giebel hinausgerttckt werden solle, wogegen ernstliche Bedenken geltend gemacht werden<lb/> könnten, so müßte das alte Material beim Aufbau wieder verwandt werden und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0479]
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
Bretterplcmke zwischen seinem Hofe und der alten Scheune errichten ließ. Der
Gemeindekircheurat nahm feierlich Besitz von der Kirche, und der Herr Oberpfarrer
hielt eine vorläufige, schöne, leider nur zu lang gerntne Einweihungsrede. Für die
Frau Oberpfarrer aber begannen traurige Zeiten. Ihr lieber Mann kroch vor¬
mittags und nachmittags in der staubigen Scheune herum, er war weder zum Früh¬
stück, noch zum Mittagbrote zur rechten Zeit zu Hause, und seine schönen schwarzen
Kleider sahen zum Erbarmen aus. Alle Augenblicke kam ein Baubeflissener oder
Kunstfreund, der sich die Perle in der schmutzigen Schale ansehen wollte, und der
Herr Oberpfarrer ließ es sich nicht nehmen, einen jeden in eigner Person herum¬
zuführen. Als aber die Wände niedergerissen wurden, in denen die Kapelle ver¬
steckt war, kam der Herr Oberprediger überhaupt uicht mehr nach Hause, und der
Herr Küster mußte seinen Oberhirten mehr als einmal vom Ban zu seinen Amts¬
handlungen rufen. Und in der That, was zum Vorscheine kam, war überraschend
schön. Doktor Blütgen hatte uicht zu viel gesagt, als er vou einer Perle mittel¬
alterlicher Kunst redete.
Freilich so, wie sich die Kapelle darstellte, war sie zu eiuer Kirche für den
Mönkeberg nicht recht geeignet. Sie war offenbar zu kurz, die Feuster waren aus¬
fallend klein, und die Gewölbe gingen mit ihren Diensten auffallend tief herab.
Der Herr Stadtbaumeister, der vom Gemeiudekircheurat beauftragt war, einen
Wiederherstellungsentwurf auszuarbeiten, trug diesen Mängeln Rechnung. Er zeich¬
nete als Verlängerung der Kapelle ein Stück Kirche modern gotischen Stils mit
hübsch hoher Wölbung und hübsch großen Fenstern und setzte oben einen Turm
auf, in dem zwei Glocken Platz hatten. Die Fenster erhielten einfach weißes Glas,
die Gestühle sollten ans Tannenholz gefertigt werden, ebenso die Empore an der
Westseite. Hier sollte eine kleine Orgel Platz haben. Dieser Anschlag gefiel all¬
gemein, einesteils weil er praktisch, andernteils weil er billig war.
Inzwischen hatte sich beim Wegbrechen eingebauter Lehmwände gefunden, daß
noch in zwei Fenstern Reste von Glasmalerei vorhanden waren. Die Arbeiter
waren schon dabei, diese Reste, einen Haufen fast schwarzer, verwitterter und mit
einer dicken Kruste vou Schmutz überzogner Glasstückchen, herauszunehmen und in
eine Kiste zu werfen, als der kleine Blütgen ankam und in erregten Worten Veto ein¬
legte. Er sei vom Landeskonservator für Kunst und Altertümer beauftragt, darüber
zu wachen, daß an der Kapelle nichts beschädigt werde oder abhanden komme, er
mache den Herrn Bauführer verantwortlich für jedes Glasstück, das etwa zerbrochen
würde. Der Herr Bauführer kriegte keinen schlechten Schreck und jagte seine Leute
von den Fenstern weg. Die Glasmalereien blieben also vorläufig hängen und
liegen, wurden skizzirt und photographirt, numerirt und katalvgisirt und dann mit
größter Vorsicht herausgenommen und unter Verwendung vieler Tafeln Watte
eingepackt. Auch das alte Blei, das noch in Fetzen an den Rahmen hing, wurde
sorgfältig losgelöst und aufbewahrt.
Die Staatsbehörde hatte sich bei der Abtretung der Kapelle vorbehalten, die
Wiedcrherstelluugspläne zu prüfen und zu genehmigen. Der Plan des Herrn
Stadtbaumeister wurde also an die Königliche Regierung eingesandt. Nach gemessener
Zeit kam er zurück mit der Antwort, der Plan sei völlig unannehmbar. Der
Anbau sei gänzlich unorganisch angefügt, die Maße des Gebäudes seien willkürlich
geändert, die neuen Fenster im Verhältnisse zu den alten zu groß, das Gewölbe
zu hoch. Eine hölzerne Empore dürfe nicht eingebaut werden. Wenn der West¬
giebel hinausgerttckt werden solle, wogegen ernstliche Bedenken geltend gemacht werden
könnten, so müßte das alte Material beim Aufbau wieder verwandt werden und
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