Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Staatsangehörigkeit als Mittel zu der Erhaltung des Deutschtums

Neigung zeigt, die alte Nationalität wieder aufzunehmen, Nordamerika nicht
ausgeschlossen, muß sie amtlich gefördert werden. Das Stammesbewußtsein
des Deutschen ist nicht so stark, daß diplomatische Schwierigkeiten zu fürchten
sind. Mit der Union stehen wir aber nicht nur wirtschaftlich im Kampf,
fondern wir werden noch nationalpolitisch Partei ergreifen müssen, wenn die
Entscheidung naht, ob Nordamerika in Sprache und Sitte unter dem Trugbild
einer nicht vorhandnen amerikanischen Nation englisch bleiben, oder ob auch
unserm Volkstum sein gutes Recht in Staat und Schule werden soll. In
Washington selbst haben die irischen Katholiken einen guten deutschen Glaubens¬
genossen um seines Volkstums willen aus seinem Amte als Hochschullehrer
verdrängt. Wäre es in diesem Falle nicht richtiger gewesen, man hätte, statt
ihm in Münster einen Lehrstuhl als Freistatt zu gewähren, durch diplomatischen
Druck sein Verbleiben an der amerikanischen Universität erzwungen? Eine
solche politische Einmischung wäre doch wohl nicht zu vergleichen mit der
dünkelhaften und anmaßenden Monroedoktrin, die sich in Spaniens kubanische
Verhältnisse ohne jeden staatsrechtlichen Grund einmischt. Europa aber steht
einem Angehörigen des eignen Staatensystems nur mit guten Ratschlägen zur
Nachgiebigkeit bei! Wir hoffen aber, die spanischen Waffen werden nur die
Vorläufer besserer europäischer Wehrkräfte sein, wenn der Hochmut der Union
es darauf ankommen lassen sollte. Das deutsche Element dürfte dann dem
Nankee, d. h. dem republikanischen Engländer auf amerikanischem Festlande,
doch unbequem werden, wenn das deutsche Mutterland seine Pflicht begreift,
der Schutz und Schirm des gesamten Volkstums, des größern Deutschlands
M werden.

Die Regelung der Wehrpflicht für die auswärtigen Reichsangehörigen
bleibt der wunde Punkt, dessen Heilung weder bureaukratisch noch nach lediglich
militärischen Rücksichten erfolgen darf. Daß die Sache für Südwestafrika zum
Teil gelöst ist, ist nur ein Notbehelf für eine verschwindende Minderheit aus¬
wärtiger Deutscher. Herabsetzung der Dienstpflicht und Entbindung davon
müssen gewährt werden, zumal da die Leistung der Heerespflicht im Auslande
doch nicht erzwungen werden kann. Andrerseits wird sich die Möglichkeit
eines militärischen Dienstes im Ausland immer mehr herausstellen; es sei nur an
Kiautschou erinnert. Es gilt zur Zeit nur der Anschauung überhaupt Ein¬
gang zu verschaffen, daß das Reich ein hohes Interesse an der Erhaltung
seines eignen Volkstums im Auslande hat, dessen Auswanderung es nicht
hindern kann und für die deutsche Weltstellung nicht einmal als unerwünscht
anseh ". ". Se. en darf.




Die Staatsangehörigkeit als Mittel zu der Erhaltung des Deutschtums

Neigung zeigt, die alte Nationalität wieder aufzunehmen, Nordamerika nicht
ausgeschlossen, muß sie amtlich gefördert werden. Das Stammesbewußtsein
des Deutschen ist nicht so stark, daß diplomatische Schwierigkeiten zu fürchten
sind. Mit der Union stehen wir aber nicht nur wirtschaftlich im Kampf,
fondern wir werden noch nationalpolitisch Partei ergreifen müssen, wenn die
Entscheidung naht, ob Nordamerika in Sprache und Sitte unter dem Trugbild
einer nicht vorhandnen amerikanischen Nation englisch bleiben, oder ob auch
unserm Volkstum sein gutes Recht in Staat und Schule werden soll. In
Washington selbst haben die irischen Katholiken einen guten deutschen Glaubens¬
genossen um seines Volkstums willen aus seinem Amte als Hochschullehrer
verdrängt. Wäre es in diesem Falle nicht richtiger gewesen, man hätte, statt
ihm in Münster einen Lehrstuhl als Freistatt zu gewähren, durch diplomatischen
Druck sein Verbleiben an der amerikanischen Universität erzwungen? Eine
solche politische Einmischung wäre doch wohl nicht zu vergleichen mit der
dünkelhaften und anmaßenden Monroedoktrin, die sich in Spaniens kubanische
Verhältnisse ohne jeden staatsrechtlichen Grund einmischt. Europa aber steht
einem Angehörigen des eignen Staatensystems nur mit guten Ratschlägen zur
Nachgiebigkeit bei! Wir hoffen aber, die spanischen Waffen werden nur die
Vorläufer besserer europäischer Wehrkräfte sein, wenn der Hochmut der Union
es darauf ankommen lassen sollte. Das deutsche Element dürfte dann dem
Nankee, d. h. dem republikanischen Engländer auf amerikanischem Festlande,
doch unbequem werden, wenn das deutsche Mutterland seine Pflicht begreift,
der Schutz und Schirm des gesamten Volkstums, des größern Deutschlands
M werden.

Die Regelung der Wehrpflicht für die auswärtigen Reichsangehörigen
bleibt der wunde Punkt, dessen Heilung weder bureaukratisch noch nach lediglich
militärischen Rücksichten erfolgen darf. Daß die Sache für Südwestafrika zum
Teil gelöst ist, ist nur ein Notbehelf für eine verschwindende Minderheit aus¬
wärtiger Deutscher. Herabsetzung der Dienstpflicht und Entbindung davon
müssen gewährt werden, zumal da die Leistung der Heerespflicht im Auslande
doch nicht erzwungen werden kann. Andrerseits wird sich die Möglichkeit
eines militärischen Dienstes im Ausland immer mehr herausstellen; es sei nur an
Kiautschou erinnert. Es gilt zur Zeit nur der Anschauung überhaupt Ein¬
gang zu verschaffen, daß das Reich ein hohes Interesse an der Erhaltung
seines eignen Volkstums im Auslande hat, dessen Auswanderung es nicht
hindern kann und für die deutsche Weltstellung nicht einmal als unerwünscht
anseh «. ». Se. en darf.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0407" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228709"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Staatsangehörigkeit als Mittel zu der Erhaltung des Deutschtums</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1429" prev="#ID_1428"> Neigung zeigt, die alte Nationalität wieder aufzunehmen, Nordamerika nicht<lb/>
ausgeschlossen, muß sie amtlich gefördert werden. Das Stammesbewußtsein<lb/>
des Deutschen ist nicht so stark, daß diplomatische Schwierigkeiten zu fürchten<lb/>
sind. Mit der Union stehen wir aber nicht nur wirtschaftlich im Kampf,<lb/>
fondern wir werden noch nationalpolitisch Partei ergreifen müssen, wenn die<lb/>
Entscheidung naht, ob Nordamerika in Sprache und Sitte unter dem Trugbild<lb/>
einer nicht vorhandnen amerikanischen Nation englisch bleiben, oder ob auch<lb/>
unserm Volkstum sein gutes Recht in Staat und Schule werden soll. In<lb/>
Washington selbst haben die irischen Katholiken einen guten deutschen Glaubens¬<lb/>
genossen um seines Volkstums willen aus seinem Amte als Hochschullehrer<lb/>
verdrängt. Wäre es in diesem Falle nicht richtiger gewesen, man hätte, statt<lb/>
ihm in Münster einen Lehrstuhl als Freistatt zu gewähren, durch diplomatischen<lb/>
Druck sein Verbleiben an der amerikanischen Universität erzwungen? Eine<lb/>
solche politische Einmischung wäre doch wohl nicht zu vergleichen mit der<lb/>
dünkelhaften und anmaßenden Monroedoktrin, die sich in Spaniens kubanische<lb/>
Verhältnisse ohne jeden staatsrechtlichen Grund einmischt. Europa aber steht<lb/>
einem Angehörigen des eignen Staatensystems nur mit guten Ratschlägen zur<lb/>
Nachgiebigkeit bei! Wir hoffen aber, die spanischen Waffen werden nur die<lb/>
Vorläufer besserer europäischer Wehrkräfte sein, wenn der Hochmut der Union<lb/>
es darauf ankommen lassen sollte. Das deutsche Element dürfte dann dem<lb/>
Nankee, d. h. dem republikanischen Engländer auf amerikanischem Festlande,<lb/>
doch unbequem werden, wenn das deutsche Mutterland seine Pflicht begreift,<lb/>
der Schutz und Schirm des gesamten Volkstums, des größern Deutschlands<lb/>
M werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1430"> Die Regelung der Wehrpflicht für die auswärtigen Reichsangehörigen<lb/>
bleibt der wunde Punkt, dessen Heilung weder bureaukratisch noch nach lediglich<lb/>
militärischen Rücksichten erfolgen darf. Daß die Sache für Südwestafrika zum<lb/>
Teil gelöst ist, ist nur ein Notbehelf für eine verschwindende Minderheit aus¬<lb/>
wärtiger Deutscher. Herabsetzung der Dienstpflicht und Entbindung davon<lb/>
müssen gewährt werden, zumal da die Leistung der Heerespflicht im Auslande<lb/>
doch nicht erzwungen werden kann. Andrerseits wird sich die Möglichkeit<lb/>
eines militärischen Dienstes im Ausland immer mehr herausstellen; es sei nur an<lb/>
Kiautschou erinnert. Es gilt zur Zeit nur der Anschauung überhaupt Ein¬<lb/>
gang zu verschaffen, daß das Reich ein hohes Interesse an der Erhaltung<lb/>
seines eignen Volkstums im Auslande hat, dessen Auswanderung es nicht<lb/>
hindern kann und für die deutsche Weltstellung nicht einmal als unerwünscht<lb/>
anseh<note type="byline"> «. ». Se.</note> en darf. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0407] Die Staatsangehörigkeit als Mittel zu der Erhaltung des Deutschtums Neigung zeigt, die alte Nationalität wieder aufzunehmen, Nordamerika nicht ausgeschlossen, muß sie amtlich gefördert werden. Das Stammesbewußtsein des Deutschen ist nicht so stark, daß diplomatische Schwierigkeiten zu fürchten sind. Mit der Union stehen wir aber nicht nur wirtschaftlich im Kampf, fondern wir werden noch nationalpolitisch Partei ergreifen müssen, wenn die Entscheidung naht, ob Nordamerika in Sprache und Sitte unter dem Trugbild einer nicht vorhandnen amerikanischen Nation englisch bleiben, oder ob auch unserm Volkstum sein gutes Recht in Staat und Schule werden soll. In Washington selbst haben die irischen Katholiken einen guten deutschen Glaubens¬ genossen um seines Volkstums willen aus seinem Amte als Hochschullehrer verdrängt. Wäre es in diesem Falle nicht richtiger gewesen, man hätte, statt ihm in Münster einen Lehrstuhl als Freistatt zu gewähren, durch diplomatischen Druck sein Verbleiben an der amerikanischen Universität erzwungen? Eine solche politische Einmischung wäre doch wohl nicht zu vergleichen mit der dünkelhaften und anmaßenden Monroedoktrin, die sich in Spaniens kubanische Verhältnisse ohne jeden staatsrechtlichen Grund einmischt. Europa aber steht einem Angehörigen des eignen Staatensystems nur mit guten Ratschlägen zur Nachgiebigkeit bei! Wir hoffen aber, die spanischen Waffen werden nur die Vorläufer besserer europäischer Wehrkräfte sein, wenn der Hochmut der Union es darauf ankommen lassen sollte. Das deutsche Element dürfte dann dem Nankee, d. h. dem republikanischen Engländer auf amerikanischem Festlande, doch unbequem werden, wenn das deutsche Mutterland seine Pflicht begreift, der Schutz und Schirm des gesamten Volkstums, des größern Deutschlands M werden. Die Regelung der Wehrpflicht für die auswärtigen Reichsangehörigen bleibt der wunde Punkt, dessen Heilung weder bureaukratisch noch nach lediglich militärischen Rücksichten erfolgen darf. Daß die Sache für Südwestafrika zum Teil gelöst ist, ist nur ein Notbehelf für eine verschwindende Minderheit aus¬ wärtiger Deutscher. Herabsetzung der Dienstpflicht und Entbindung davon müssen gewährt werden, zumal da die Leistung der Heerespflicht im Auslande doch nicht erzwungen werden kann. Andrerseits wird sich die Möglichkeit eines militärischen Dienstes im Ausland immer mehr herausstellen; es sei nur an Kiautschou erinnert. Es gilt zur Zeit nur der Anschauung überhaupt Ein¬ gang zu verschaffen, daß das Reich ein hohes Interesse an der Erhaltung seines eignen Volkstums im Auslande hat, dessen Auswanderung es nicht hindern kann und für die deutsche Weltstellung nicht einmal als unerwünscht anseh «. ». Se. en darf.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/407
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/407>, abgerufen am 27.07.2024.