Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.Die Staatsangehörigkeit als Mittel zu der Erhaltung des Deutschtums war es die Mutter, so bedarf es nur noch einer besondern Erklärung über die Ausschlaggebend aber ist für die künftige Weltstellung des Deutschtums Die Staatsangehörigkeit als Mittel zu der Erhaltung des Deutschtums war es die Mutter, so bedarf es nur noch einer besondern Erklärung über die Ausschlaggebend aber ist für die künftige Weltstellung des Deutschtums <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228707"/> <fw type="header" place="top"> Die Staatsangehörigkeit als Mittel zu der Erhaltung des Deutschtums</fw><lb/> <p xml:id="ID_1424" prev="#ID_1423"> war es die Mutter, so bedarf es nur noch einer besondern Erklärung über die<lb/> Wahl der Staatsangehörigkeit. Zahlreiche Ober- und niederdeutsche, vor allem<lb/> Elsässer und Belgier, werden auf diese Weise halb unbewußt Franzosen und<lb/> gewahren der alternden Mavcls nation die nötige Blutzufuhr zur Steigerung<lb/> der Bevölkerungszahl, die sonst schon abnehmen würde. In den amerikanischen<lb/> Raubstaaten mit ihrer dünnen und ewig unruhigen Bevölkerung gelten ähnliche<lb/> Bestimmungen, zum Teil sogar schärferer Art, und dadurch siud besonders in<lb/> Südbrasilien seit dem Sturz des Kaisertums viele Deutsche dem Reiche ver¬<lb/> loren gegangen, obschon endlich auch amtlich den deutschen Siedlungen im sub¬<lb/> tropischen Brasilien einige Aufmerksamkeit geschenkt wird und die Kolonisations¬<lb/> thätigkeit der fünfziger Jahre wieder aufgenommen worden ist. Eine deutsch -<lb/> nationale Einwanderung hat das Reich nur aus Rußland, und zwar bilden<lb/> Bauern von der Wolga und Techniker und Handwerker aus Russisch-Polen<lb/> den Zufluß, den wir auch gern aufnehmen- Freilich ist es nicht wünschenswert,<lb/> daß sich der Stamm deutscher Ansiedler in Südrußland und deutscher Kaufleute,<lb/> Großgewerbtreibeuder und gelernter Arbeiter in Polen allzu sehr lichtet, da<lb/> die Überbleibsel um so schneller der Russifizirung unterliegen. Fällt einmal<lb/> der Kriegswürfel im Osten, so dürfen wir erwarten, daß auch das alte Ordens¬<lb/> land der baltischen Lande dem deutschen Mutterlands zurückgegeben wird, und<lb/> dann ist reichlicher Raum für die zahlreichen deutschen Elemente des russischen<lb/> Reichs geschaffen. In einzelnen polnischen Grenzbezirken ist ohnehin die deutsche<lb/> Bevölkerung stärker vertreten als diesseits der schwarz-weißen Grenzpfähle.</p><lb/> <p xml:id="ID_1425" next="#ID_1426"> Ausschlaggebend aber ist für die künftige Weltstellung des Deutschtums<lb/> die Lösung der Frage über den Verlust der Neichsangehörigkeit. England<lb/> bietet das erfolgreiche Muster für eine sachgemäße Regelung, die den nationalen<lb/> Interessen besser Rechnung trägt als unsre zur Zeit geltenden Bestimmungen.<lb/> Jeder Engländer, auch die Gattin eines Ausländers, bleibt Unterthan der<lb/> Königin, wenn er nicht förmlich seinen Austritt aus dem Staatsverband erklärt,<lb/> mögen auch schon ganze Geschlechter auf fremdem Boden wohnen, und mag<lb/> sich auch der britische Löwe nie um diese Schützlinge gekümmert haben. Selbst<lb/> die Angehörigkeit zu einem fremden Staate hebt die zu England nicht auf,<lb/> wenn sie nicht ausdrücklich aufgegeben worden ist. Besorgte Diplomaten und<lb/> Bureaukraten werden sich bei dem Gedanken entsetzen, daß auch wir in solcher<lb/> Weise unser Volkstum schützen sollen, und sie werden überall böse Zusammen¬<lb/> stöße mit fremden Mächten wittern. England hat nie darunter gelitten und<lb/> sich sehr wohl gehütet, bei solchem Widerstreit nach dem Buchstaben des Gesetzes<lb/> zu Verfahren, wenn es dem Staatswohl widersprach. Erklärlicherweise wird<lb/> ein Deutscher, der, ohne förmlich der Neichsangehörigkeit zu entsagen, eine<lb/> fremde Nationalität erworben hat, von seinem alten Vaterlande weder Schutz<lb/> verlangen, noch würde das Reich den Abtrünnigen ohne triftigste Gründe in<lb/> Anspruch nehmen. Die Verletzung der Wehrpflicht wird im Auslande nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0405]
Die Staatsangehörigkeit als Mittel zu der Erhaltung des Deutschtums
war es die Mutter, so bedarf es nur noch einer besondern Erklärung über die
Wahl der Staatsangehörigkeit. Zahlreiche Ober- und niederdeutsche, vor allem
Elsässer und Belgier, werden auf diese Weise halb unbewußt Franzosen und
gewahren der alternden Mavcls nation die nötige Blutzufuhr zur Steigerung
der Bevölkerungszahl, die sonst schon abnehmen würde. In den amerikanischen
Raubstaaten mit ihrer dünnen und ewig unruhigen Bevölkerung gelten ähnliche
Bestimmungen, zum Teil sogar schärferer Art, und dadurch siud besonders in
Südbrasilien seit dem Sturz des Kaisertums viele Deutsche dem Reiche ver¬
loren gegangen, obschon endlich auch amtlich den deutschen Siedlungen im sub¬
tropischen Brasilien einige Aufmerksamkeit geschenkt wird und die Kolonisations¬
thätigkeit der fünfziger Jahre wieder aufgenommen worden ist. Eine deutsch -
nationale Einwanderung hat das Reich nur aus Rußland, und zwar bilden
Bauern von der Wolga und Techniker und Handwerker aus Russisch-Polen
den Zufluß, den wir auch gern aufnehmen- Freilich ist es nicht wünschenswert,
daß sich der Stamm deutscher Ansiedler in Südrußland und deutscher Kaufleute,
Großgewerbtreibeuder und gelernter Arbeiter in Polen allzu sehr lichtet, da
die Überbleibsel um so schneller der Russifizirung unterliegen. Fällt einmal
der Kriegswürfel im Osten, so dürfen wir erwarten, daß auch das alte Ordens¬
land der baltischen Lande dem deutschen Mutterlands zurückgegeben wird, und
dann ist reichlicher Raum für die zahlreichen deutschen Elemente des russischen
Reichs geschaffen. In einzelnen polnischen Grenzbezirken ist ohnehin die deutsche
Bevölkerung stärker vertreten als diesseits der schwarz-weißen Grenzpfähle.
Ausschlaggebend aber ist für die künftige Weltstellung des Deutschtums
die Lösung der Frage über den Verlust der Neichsangehörigkeit. England
bietet das erfolgreiche Muster für eine sachgemäße Regelung, die den nationalen
Interessen besser Rechnung trägt als unsre zur Zeit geltenden Bestimmungen.
Jeder Engländer, auch die Gattin eines Ausländers, bleibt Unterthan der
Königin, wenn er nicht förmlich seinen Austritt aus dem Staatsverband erklärt,
mögen auch schon ganze Geschlechter auf fremdem Boden wohnen, und mag
sich auch der britische Löwe nie um diese Schützlinge gekümmert haben. Selbst
die Angehörigkeit zu einem fremden Staate hebt die zu England nicht auf,
wenn sie nicht ausdrücklich aufgegeben worden ist. Besorgte Diplomaten und
Bureaukraten werden sich bei dem Gedanken entsetzen, daß auch wir in solcher
Weise unser Volkstum schützen sollen, und sie werden überall böse Zusammen¬
stöße mit fremden Mächten wittern. England hat nie darunter gelitten und
sich sehr wohl gehütet, bei solchem Widerstreit nach dem Buchstaben des Gesetzes
zu Verfahren, wenn es dem Staatswohl widersprach. Erklärlicherweise wird
ein Deutscher, der, ohne förmlich der Neichsangehörigkeit zu entsagen, eine
fremde Nationalität erworben hat, von seinem alten Vaterlande weder Schutz
verlangen, noch würde das Reich den Abtrünnigen ohne triftigste Gründe in
Anspruch nehmen. Die Verletzung der Wehrpflicht wird im Auslande nicht
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