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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Prells Gemälde für den Palazzo "Laffarelli in Rom

einem Jahrtausend in unserm Volkstum hinterlassen hat, wegwischen zu können, wie
man die Schreiberei eines Kindes auf einer Schiefertafel mit einem Schwamm aus¬
löscht. Es ist nicht gelungen, obwohl der Widerstand dagegen nur Passiv war.
An eine Zurückdrängung der andern, stärkern Macht denkt natürlich kein vernünf¬
tiger Mensch. So wird also nichts andres übrig bleiben, als die Versuche der
Wiederbelebung des nordischen Altertums entweder ganz aufzugeben oder doch nur
aus Frende an einigen für künstlerische Zwecke ergiebigen Einzelheiten zu betreiben.
Die griechischen Künstler haben jahrhundertelang an ihren Götteridealen gearbeitet,
und sie waren glaubenskrttftig. Woher soll aber unsern Künstlern der Glaube an
die nordischen Götter kommen, dem unser Volk seit tausend Jahren entfremdet
worden ist?

Durch diese Erwägungen wird natürlich das Verdienst der Prellschen Gemälde
nicht beeinträchtigt. Er hängt nicht am Stoffe, sondern er sucht jeden Stoff seiner
künstlerischen Eigenart anzuschmiegen oder unterzuordnen. Er wird in nächster Zeit
einen Titanensturz für das Albertiuum in Dresden malen, und er wird, wie er es
schon in einem der beiden Wandgemälde für Breslau gethan hat, diese aus der antiken
Gedankenwelt geschöpfte Aufgabe ebenso sicher bewältigen, wie jede andre. Er ist einer
von den wenigen Künstlern, in denen Kraft der Erfindung, Schwung der Phantasie
und ruhige Berechnung ein völliges Gleichgewicht gefunden haben. Er weiß ganz
genau, daß die Gestalten nicht viel über Lebensgröße hinausreichen dürfen, wenn ein
moderner Maler dieselbe Wirkung erzielen will, wie sie die Meister der Renaissance
erreicht haben. Einige neuere Künstler, wie z. B. der kürzlich verstorbne Friedrich
Geselschap, haben geglaubt, durch Vergrößerung des Maßstabes die Wirkung noch
steigern zu können. Die Folge ist aber gewesen, daß die Beschauer sich vor eine un¬
heimlich große Schilderei gestellt sahen, zu der sie kein persönliches Empfinden hinzog.
Dieser erkältende Abstand zwischen den Beschauern und dem Kunstwerke wird bei den
Bildern Prells nicht eintreten. Man hat sofort die Empfindung, daß jede einzelne
Figur aus einem wirklichen Menschen erwachsen ist. Der Künstler hat die glückliche
Mitte zwischen dem notwendigen Naturalismus des Modells und der schematischen
Abstraktion getroffen. Und daß der Beschauer eben menschliche Wesen vor sich sieht,
hilft ihm über seinen Mangel an Verständnis für die Einzelheiten hinweg.

Den letzten Sieg wird immer die Landschaft entscheiden, noch mehr als bei
uns bei den Italienern, die von monumentaler Landschaftsmalerei seit dem sieb¬
zehnten Jahrhundert nichts Erhebliches gesehen haben. Es waren niederdeutsche, die
die Landschaftsmalerei damals nach Rom brachten und auch Wttude mit Landschaften,
schmückten. Jetzt kommt wieder ein Deutscher mit solchen Malereien nach Rom, und
man möchte gern ans der Vergangenheit einen fröhlichen Schluß auf die Gegen¬
wart ziehen. Es ist aber thöricht darauf zu warten und am Ende auch gleich-
gMg, was das internationale Publikum Roms zu den Prellschen Gemälden sagt.
Wir haben sie schätzen und lieben gelernt und bedauern es schmerzlich, daß uns
di Adolf Rosenberg eses kostbare Kunstgut entführt wird.




Prells Gemälde für den Palazzo «Laffarelli in Rom

einem Jahrtausend in unserm Volkstum hinterlassen hat, wegwischen zu können, wie
man die Schreiberei eines Kindes auf einer Schiefertafel mit einem Schwamm aus¬
löscht. Es ist nicht gelungen, obwohl der Widerstand dagegen nur Passiv war.
An eine Zurückdrängung der andern, stärkern Macht denkt natürlich kein vernünf¬
tiger Mensch. So wird also nichts andres übrig bleiben, als die Versuche der
Wiederbelebung des nordischen Altertums entweder ganz aufzugeben oder doch nur
aus Frende an einigen für künstlerische Zwecke ergiebigen Einzelheiten zu betreiben.
Die griechischen Künstler haben jahrhundertelang an ihren Götteridealen gearbeitet,
und sie waren glaubenskrttftig. Woher soll aber unsern Künstlern der Glaube an
die nordischen Götter kommen, dem unser Volk seit tausend Jahren entfremdet
worden ist?

Durch diese Erwägungen wird natürlich das Verdienst der Prellschen Gemälde
nicht beeinträchtigt. Er hängt nicht am Stoffe, sondern er sucht jeden Stoff seiner
künstlerischen Eigenart anzuschmiegen oder unterzuordnen. Er wird in nächster Zeit
einen Titanensturz für das Albertiuum in Dresden malen, und er wird, wie er es
schon in einem der beiden Wandgemälde für Breslau gethan hat, diese aus der antiken
Gedankenwelt geschöpfte Aufgabe ebenso sicher bewältigen, wie jede andre. Er ist einer
von den wenigen Künstlern, in denen Kraft der Erfindung, Schwung der Phantasie
und ruhige Berechnung ein völliges Gleichgewicht gefunden haben. Er weiß ganz
genau, daß die Gestalten nicht viel über Lebensgröße hinausreichen dürfen, wenn ein
moderner Maler dieselbe Wirkung erzielen will, wie sie die Meister der Renaissance
erreicht haben. Einige neuere Künstler, wie z. B. der kürzlich verstorbne Friedrich
Geselschap, haben geglaubt, durch Vergrößerung des Maßstabes die Wirkung noch
steigern zu können. Die Folge ist aber gewesen, daß die Beschauer sich vor eine un¬
heimlich große Schilderei gestellt sahen, zu der sie kein persönliches Empfinden hinzog.
Dieser erkältende Abstand zwischen den Beschauern und dem Kunstwerke wird bei den
Bildern Prells nicht eintreten. Man hat sofort die Empfindung, daß jede einzelne
Figur aus einem wirklichen Menschen erwachsen ist. Der Künstler hat die glückliche
Mitte zwischen dem notwendigen Naturalismus des Modells und der schematischen
Abstraktion getroffen. Und daß der Beschauer eben menschliche Wesen vor sich sieht,
hilft ihm über seinen Mangel an Verständnis für die Einzelheiten hinweg.

Den letzten Sieg wird immer die Landschaft entscheiden, noch mehr als bei
uns bei den Italienern, die von monumentaler Landschaftsmalerei seit dem sieb¬
zehnten Jahrhundert nichts Erhebliches gesehen haben. Es waren niederdeutsche, die
die Landschaftsmalerei damals nach Rom brachten und auch Wttude mit Landschaften,
schmückten. Jetzt kommt wieder ein Deutscher mit solchen Malereien nach Rom, und
man möchte gern ans der Vergangenheit einen fröhlichen Schluß auf die Gegen¬
wart ziehen. Es ist aber thöricht darauf zu warten und am Ende auch gleich-
gMg, was das internationale Publikum Roms zu den Prellschen Gemälden sagt.
Wir haben sie schätzen und lieben gelernt und bedauern es schmerzlich, daß uns
di Adolf Rosenberg eses kostbare Kunstgut entführt wird.




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[0373] Prells Gemälde für den Palazzo «Laffarelli in Rom einem Jahrtausend in unserm Volkstum hinterlassen hat, wegwischen zu können, wie man die Schreiberei eines Kindes auf einer Schiefertafel mit einem Schwamm aus¬ löscht. Es ist nicht gelungen, obwohl der Widerstand dagegen nur Passiv war. An eine Zurückdrängung der andern, stärkern Macht denkt natürlich kein vernünf¬ tiger Mensch. So wird also nichts andres übrig bleiben, als die Versuche der Wiederbelebung des nordischen Altertums entweder ganz aufzugeben oder doch nur aus Frende an einigen für künstlerische Zwecke ergiebigen Einzelheiten zu betreiben. Die griechischen Künstler haben jahrhundertelang an ihren Götteridealen gearbeitet, und sie waren glaubenskrttftig. Woher soll aber unsern Künstlern der Glaube an die nordischen Götter kommen, dem unser Volk seit tausend Jahren entfremdet worden ist? Durch diese Erwägungen wird natürlich das Verdienst der Prellschen Gemälde nicht beeinträchtigt. Er hängt nicht am Stoffe, sondern er sucht jeden Stoff seiner künstlerischen Eigenart anzuschmiegen oder unterzuordnen. Er wird in nächster Zeit einen Titanensturz für das Albertiuum in Dresden malen, und er wird, wie er es schon in einem der beiden Wandgemälde für Breslau gethan hat, diese aus der antiken Gedankenwelt geschöpfte Aufgabe ebenso sicher bewältigen, wie jede andre. Er ist einer von den wenigen Künstlern, in denen Kraft der Erfindung, Schwung der Phantasie und ruhige Berechnung ein völliges Gleichgewicht gefunden haben. Er weiß ganz genau, daß die Gestalten nicht viel über Lebensgröße hinausreichen dürfen, wenn ein moderner Maler dieselbe Wirkung erzielen will, wie sie die Meister der Renaissance erreicht haben. Einige neuere Künstler, wie z. B. der kürzlich verstorbne Friedrich Geselschap, haben geglaubt, durch Vergrößerung des Maßstabes die Wirkung noch steigern zu können. Die Folge ist aber gewesen, daß die Beschauer sich vor eine un¬ heimlich große Schilderei gestellt sahen, zu der sie kein persönliches Empfinden hinzog. Dieser erkältende Abstand zwischen den Beschauern und dem Kunstwerke wird bei den Bildern Prells nicht eintreten. Man hat sofort die Empfindung, daß jede einzelne Figur aus einem wirklichen Menschen erwachsen ist. Der Künstler hat die glückliche Mitte zwischen dem notwendigen Naturalismus des Modells und der schematischen Abstraktion getroffen. Und daß der Beschauer eben menschliche Wesen vor sich sieht, hilft ihm über seinen Mangel an Verständnis für die Einzelheiten hinweg. Den letzten Sieg wird immer die Landschaft entscheiden, noch mehr als bei uns bei den Italienern, die von monumentaler Landschaftsmalerei seit dem sieb¬ zehnten Jahrhundert nichts Erhebliches gesehen haben. Es waren niederdeutsche, die die Landschaftsmalerei damals nach Rom brachten und auch Wttude mit Landschaften, schmückten. Jetzt kommt wieder ein Deutscher mit solchen Malereien nach Rom, und man möchte gern ans der Vergangenheit einen fröhlichen Schluß auf die Gegen¬ wart ziehen. Es ist aber thöricht darauf zu warten und am Ende auch gleich- gMg, was das internationale Publikum Roms zu den Prellschen Gemälden sagt. Wir haben sie schätzen und lieben gelernt und bedauern es schmerzlich, daß uns di Adolf Rosenberg eses kostbare Kunstgut entführt wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/373>, abgerufen am 27.07.2024.