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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Die versicherungsbedingungen der privaten Leuerversicherungsgesellschaften

anzuzeigen. Ist diese Verpflichtung nicht erfüllt, so hat die Gesellschaft keine
Entschädigungsverpflichtung." -- Daß alle bezüglichen Angaben gewissenhaft zu
machen sind, ist gewiß eine berechtigte Forderung. Aber trotzdem ist diese Be¬
dingung durchaus nicht so harmlos, wie sie vielleicht von manchem angesehen
wird. Man erwäge nur, wie schwierig es für den Laien, d. h. in diesem Falle
für jeden Nichtversicherungsmann, ist, zu beurteilen, welche Umstände auf die
Feuergefährlichkeit einwirken. In den Antragsformularen der Versicherungs¬
gesellschaften wird außer vielen Fragen andern Inhalts Auskunft verlangt über
die Gewerbe, die in dem in Frage kommenden Gehöft selbst und in den Nachbar¬
gebäuden bis zu dreißig und mehr Metern hin betrieben werden; ferner Aus¬
kunft über die im Gehöft etwa lagernden leicht Feuer fangenden Gegenstände,
insofern sie den gewöhnlichen Wirtschaftsgebrauch übersteigen u. a. in. Ein recht
vorsichtiger Antragsteller wird in der Regel alle diese Fragen mit "Ich weiß es
nicht" zu beantworten haben; denn wie kann er, insbesondre in den umfang¬
reichen Miethäusern der größern Städte, wissen, ob nicht irgendwo in der Nach¬
barschaft ein Chemiker Experimente mit feuergefährlichen Stoffen veranstaltet;
ob nicht im Hause selber ein Handschuhwäscher wohnt, der in seinem Betriebe
Benzin verwendet usw. -- und wenn er es weiß, ist es noch fraglich, ob er die
Feuersgefahr des Betriebes kennt. Kommt aber nun ein Brand durch den be¬
treffenden Gewerbebetrieb aus, und erleidet auch er Schaden an den versicherten
Gegenständen, so muß er gewärtig sein, daß die Versicherungsgesellschaft, gestützt
auf den Schlußsatz jener Bedingung, ihm die Vergütung verweigert. Von den
Versicherungsgesellschaften wird hiergegen gewiß eingewandt werden, daß das
ja nicht so streng genommen werde und die "Konkurrenz" der Gesellschaften
unter sich den Versicherten gegen Übervorteilung schütze. Aber -- und dies
möge gleich für die weitern Ausführungen hier ein für allemal bemerkt sein --
der Satz steht in den Bedingungen drin und würde nicht aufgenommen worden
sein, wenn die Gesellschaften nicht auch Gebrauch davon machen wollten und
auch wirklich machten. Die Konkurrenz wird zwar bewirken können, daß die
Versicherung zu günstigern Bedingungen (zu müßigem Prämien usw.) abge¬
schlossen wird, hat aber sehr selten auf die Schadenregulirung Einfluß.

Nun wird man sagen können: Die Umstünde, die die Feuersgefahr be¬
einflussen, sind aber doch anzugeben, schon weil es sonst der Gesellschaft an
dem richtigen Maßstabe für die Prümienbemesfung fehlt! Zugegeben; aber
-- und darin gipfelt unser Verbessernngsvorschlag: der Agent der Versiche¬
rungsgesellschaft, der den Antrag aufnimmt, muß die Verpflichtung für die
Nichtigkeit der Angaben im Antrage übernehmen, soweit sie nicht die Person
des Versicherten selbst betreffen, und damit füllt auch dann der Schlußsatz der
Bedingung, wonach die Gesellschaft bei unrichtigen Angaben über die die
Feuersgefahr beeinflussenden Umstünde keine Entschädigung zu zahlen hat.

Es ist in hohem Grade bedenklich, der Versicherungsgesellschaft eine solche
Waffe gegen die Versicherten bei einem Brandschäden in die Hand zu geben,


Die versicherungsbedingungen der privaten Leuerversicherungsgesellschaften

anzuzeigen. Ist diese Verpflichtung nicht erfüllt, so hat die Gesellschaft keine
Entschädigungsverpflichtung." — Daß alle bezüglichen Angaben gewissenhaft zu
machen sind, ist gewiß eine berechtigte Forderung. Aber trotzdem ist diese Be¬
dingung durchaus nicht so harmlos, wie sie vielleicht von manchem angesehen
wird. Man erwäge nur, wie schwierig es für den Laien, d. h. in diesem Falle
für jeden Nichtversicherungsmann, ist, zu beurteilen, welche Umstände auf die
Feuergefährlichkeit einwirken. In den Antragsformularen der Versicherungs¬
gesellschaften wird außer vielen Fragen andern Inhalts Auskunft verlangt über
die Gewerbe, die in dem in Frage kommenden Gehöft selbst und in den Nachbar¬
gebäuden bis zu dreißig und mehr Metern hin betrieben werden; ferner Aus¬
kunft über die im Gehöft etwa lagernden leicht Feuer fangenden Gegenstände,
insofern sie den gewöhnlichen Wirtschaftsgebrauch übersteigen u. a. in. Ein recht
vorsichtiger Antragsteller wird in der Regel alle diese Fragen mit „Ich weiß es
nicht" zu beantworten haben; denn wie kann er, insbesondre in den umfang¬
reichen Miethäusern der größern Städte, wissen, ob nicht irgendwo in der Nach¬
barschaft ein Chemiker Experimente mit feuergefährlichen Stoffen veranstaltet;
ob nicht im Hause selber ein Handschuhwäscher wohnt, der in seinem Betriebe
Benzin verwendet usw. — und wenn er es weiß, ist es noch fraglich, ob er die
Feuersgefahr des Betriebes kennt. Kommt aber nun ein Brand durch den be¬
treffenden Gewerbebetrieb aus, und erleidet auch er Schaden an den versicherten
Gegenständen, so muß er gewärtig sein, daß die Versicherungsgesellschaft, gestützt
auf den Schlußsatz jener Bedingung, ihm die Vergütung verweigert. Von den
Versicherungsgesellschaften wird hiergegen gewiß eingewandt werden, daß das
ja nicht so streng genommen werde und die „Konkurrenz" der Gesellschaften
unter sich den Versicherten gegen Übervorteilung schütze. Aber — und dies
möge gleich für die weitern Ausführungen hier ein für allemal bemerkt sein —
der Satz steht in den Bedingungen drin und würde nicht aufgenommen worden
sein, wenn die Gesellschaften nicht auch Gebrauch davon machen wollten und
auch wirklich machten. Die Konkurrenz wird zwar bewirken können, daß die
Versicherung zu günstigern Bedingungen (zu müßigem Prämien usw.) abge¬
schlossen wird, hat aber sehr selten auf die Schadenregulirung Einfluß.

Nun wird man sagen können: Die Umstünde, die die Feuersgefahr be¬
einflussen, sind aber doch anzugeben, schon weil es sonst der Gesellschaft an
dem richtigen Maßstabe für die Prümienbemesfung fehlt! Zugegeben; aber
— und darin gipfelt unser Verbessernngsvorschlag: der Agent der Versiche¬
rungsgesellschaft, der den Antrag aufnimmt, muß die Verpflichtung für die
Nichtigkeit der Angaben im Antrage übernehmen, soweit sie nicht die Person
des Versicherten selbst betreffen, und damit füllt auch dann der Schlußsatz der
Bedingung, wonach die Gesellschaft bei unrichtigen Angaben über die die
Feuersgefahr beeinflussenden Umstünde keine Entschädigung zu zahlen hat.

Es ist in hohem Grade bedenklich, der Versicherungsgesellschaft eine solche
Waffe gegen die Versicherten bei einem Brandschäden in die Hand zu geben,


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[0347] Die versicherungsbedingungen der privaten Leuerversicherungsgesellschaften anzuzeigen. Ist diese Verpflichtung nicht erfüllt, so hat die Gesellschaft keine Entschädigungsverpflichtung." — Daß alle bezüglichen Angaben gewissenhaft zu machen sind, ist gewiß eine berechtigte Forderung. Aber trotzdem ist diese Be¬ dingung durchaus nicht so harmlos, wie sie vielleicht von manchem angesehen wird. Man erwäge nur, wie schwierig es für den Laien, d. h. in diesem Falle für jeden Nichtversicherungsmann, ist, zu beurteilen, welche Umstände auf die Feuergefährlichkeit einwirken. In den Antragsformularen der Versicherungs¬ gesellschaften wird außer vielen Fragen andern Inhalts Auskunft verlangt über die Gewerbe, die in dem in Frage kommenden Gehöft selbst und in den Nachbar¬ gebäuden bis zu dreißig und mehr Metern hin betrieben werden; ferner Aus¬ kunft über die im Gehöft etwa lagernden leicht Feuer fangenden Gegenstände, insofern sie den gewöhnlichen Wirtschaftsgebrauch übersteigen u. a. in. Ein recht vorsichtiger Antragsteller wird in der Regel alle diese Fragen mit „Ich weiß es nicht" zu beantworten haben; denn wie kann er, insbesondre in den umfang¬ reichen Miethäusern der größern Städte, wissen, ob nicht irgendwo in der Nach¬ barschaft ein Chemiker Experimente mit feuergefährlichen Stoffen veranstaltet; ob nicht im Hause selber ein Handschuhwäscher wohnt, der in seinem Betriebe Benzin verwendet usw. — und wenn er es weiß, ist es noch fraglich, ob er die Feuersgefahr des Betriebes kennt. Kommt aber nun ein Brand durch den be¬ treffenden Gewerbebetrieb aus, und erleidet auch er Schaden an den versicherten Gegenständen, so muß er gewärtig sein, daß die Versicherungsgesellschaft, gestützt auf den Schlußsatz jener Bedingung, ihm die Vergütung verweigert. Von den Versicherungsgesellschaften wird hiergegen gewiß eingewandt werden, daß das ja nicht so streng genommen werde und die „Konkurrenz" der Gesellschaften unter sich den Versicherten gegen Übervorteilung schütze. Aber — und dies möge gleich für die weitern Ausführungen hier ein für allemal bemerkt sein — der Satz steht in den Bedingungen drin und würde nicht aufgenommen worden sein, wenn die Gesellschaften nicht auch Gebrauch davon machen wollten und auch wirklich machten. Die Konkurrenz wird zwar bewirken können, daß die Versicherung zu günstigern Bedingungen (zu müßigem Prämien usw.) abge¬ schlossen wird, hat aber sehr selten auf die Schadenregulirung Einfluß. Nun wird man sagen können: Die Umstünde, die die Feuersgefahr be¬ einflussen, sind aber doch anzugeben, schon weil es sonst der Gesellschaft an dem richtigen Maßstabe für die Prümienbemesfung fehlt! Zugegeben; aber — und darin gipfelt unser Verbessernngsvorschlag: der Agent der Versiche¬ rungsgesellschaft, der den Antrag aufnimmt, muß die Verpflichtung für die Nichtigkeit der Angaben im Antrage übernehmen, soweit sie nicht die Person des Versicherten selbst betreffen, und damit füllt auch dann der Schlußsatz der Bedingung, wonach die Gesellschaft bei unrichtigen Angaben über die die Feuersgefahr beeinflussenden Umstünde keine Entschädigung zu zahlen hat. Es ist in hohem Grade bedenklich, der Versicherungsgesellschaft eine solche Waffe gegen die Versicherten bei einem Brandschäden in die Hand zu geben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/347>, abgerufen am 28.07.2024.