Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die versicherungsbedingungen der privaten Fnierversicherungsgesellschaften

sie werden neue Begründungen zu erschweren suchen und werden dabei ver¬
sichern, daß sie es thäten, um das Publikum vor der Schädigung durch un¬
solide Versicherungsunternehmungen zu schützen. Es würde aber einen hohen
Grad von Selbstverleugnung erfordern, wenn sie auch in eine wirklich objektive
Prüfung des Verhältnisses der Gesellschaften gegenüber den Versicherten ein¬
treten und den letztern größere Rechte einräumen würden, als dies bisher der
Fall gewesen ist. Und doch ist eine Besserung nach dieser Seite hin gerade
notwendig, und hierfür einen Beleg zu bringen ist der Zweck der folgenden
Darstellung.

Wollte man die Versicherungsbedingungen aller Zweige des Versicherungs¬
wesens (Lebens-, Feuer-, Hagel-, Vieh-, Transport- usw. Versicherung) einer
Kritik unterziehen, so würde dies eine Arbeit werden, die über den Rahmen
einer Abhandlung in einer Wochenschrift weit hinaufginge. Wir beschränken
uns daher auf die Bedingungen des am allgemeinsten verbreiteten Teiles des
Versicherungswesens, das ist die Feuerversicherung.

Dabei ist zu berücksichtigen, daß, abgesehen von den behördlich verwalteten
öffentlichen Feuersozietüten und den kleinen Privatversicherungsvereinen, etwa
vierzig Feuerversicherungsgesellschaften in Deutschland arbeiten. Die zuerst
genannten "Sozietäten" sind staatlicher, provinzieller oder kommunaler Natur;
ihre Wirksamkeit dient lediglich der allgemeinen öffentlichen Wohlfahrt ohne
Wahrnehmung irgend welcher Sonderinteressen. Sie können daher hier ganz
außer Frage bleiben, ebenso die kleinen Privatversichernngsvereine, die ihrer
Geringfügigkeit wegen nicht in Betracht zu ziehen sind. Die übrigen Gesell¬
schaften aber, insbesondre die Aktien-Feuerversichcrnngsgesellschasten, sind nach
den von dem Verbände deutscher Privat-Feuerversicherungsgesellschaften gemein¬
schaftlich vereinbarten allgemeinen Versicherungsbedingungen zu beurteilen.

Diese Bedingungen stammen aus dem Jahre 1886. Zwar haben sich
seitdem in den Policen der einzelnen Gesellschaften Abweichungen dieser und
jener Art eingeschlichen, die jedenfalls Zweckmüßigkeitsgründen entsprungen sind.
Ebenso sind auch in den Versicherungsbedingungen der nicht zum Verbände
gehörigen Gesellschaften hie und da Abweichungen vorhanden. Diese sind aber
im allgemeinen unerheblich und können unberücksichtigt bleiben. Wir halten uns
daher an den durch den Verband vereinbarten Wortlaut. Nun sollen auch nicht
die Bedingungen in ihrer Gesamtheit einer Kritik unterzogen werden, sondern die
vorliegende Darstellung soll sich darauf beschränken, die Bestimmungen hervor¬
zuheben, die ganz besonders geeignet sind, den Versicherten zu schädigen, und
die darthun, wie einseitig die Rechte und Pflichten in dem Versicherungs¬
verträge zwischen Versicherern und Versicherten verteilt sind.

Da springt denn zunächst der Z 3 ins Auge. Dieser lautet (unter Weg-
lassung der nicht interessirenden Teile): "Wer eine Versicherung beantragt, ist
verpflichtet, im Versicherungsantrage nach Anleitung seines eingedruckten In¬
halts usw. die auf die Feuergefährlichkeit einwirkenden Umstände gewissenhaft


Die versicherungsbedingungen der privaten Fnierversicherungsgesellschaften

sie werden neue Begründungen zu erschweren suchen und werden dabei ver¬
sichern, daß sie es thäten, um das Publikum vor der Schädigung durch un¬
solide Versicherungsunternehmungen zu schützen. Es würde aber einen hohen
Grad von Selbstverleugnung erfordern, wenn sie auch in eine wirklich objektive
Prüfung des Verhältnisses der Gesellschaften gegenüber den Versicherten ein¬
treten und den letztern größere Rechte einräumen würden, als dies bisher der
Fall gewesen ist. Und doch ist eine Besserung nach dieser Seite hin gerade
notwendig, und hierfür einen Beleg zu bringen ist der Zweck der folgenden
Darstellung.

Wollte man die Versicherungsbedingungen aller Zweige des Versicherungs¬
wesens (Lebens-, Feuer-, Hagel-, Vieh-, Transport- usw. Versicherung) einer
Kritik unterziehen, so würde dies eine Arbeit werden, die über den Rahmen
einer Abhandlung in einer Wochenschrift weit hinaufginge. Wir beschränken
uns daher auf die Bedingungen des am allgemeinsten verbreiteten Teiles des
Versicherungswesens, das ist die Feuerversicherung.

Dabei ist zu berücksichtigen, daß, abgesehen von den behördlich verwalteten
öffentlichen Feuersozietüten und den kleinen Privatversicherungsvereinen, etwa
vierzig Feuerversicherungsgesellschaften in Deutschland arbeiten. Die zuerst
genannten „Sozietäten" sind staatlicher, provinzieller oder kommunaler Natur;
ihre Wirksamkeit dient lediglich der allgemeinen öffentlichen Wohlfahrt ohne
Wahrnehmung irgend welcher Sonderinteressen. Sie können daher hier ganz
außer Frage bleiben, ebenso die kleinen Privatversichernngsvereine, die ihrer
Geringfügigkeit wegen nicht in Betracht zu ziehen sind. Die übrigen Gesell¬
schaften aber, insbesondre die Aktien-Feuerversichcrnngsgesellschasten, sind nach
den von dem Verbände deutscher Privat-Feuerversicherungsgesellschaften gemein¬
schaftlich vereinbarten allgemeinen Versicherungsbedingungen zu beurteilen.

Diese Bedingungen stammen aus dem Jahre 1886. Zwar haben sich
seitdem in den Policen der einzelnen Gesellschaften Abweichungen dieser und
jener Art eingeschlichen, die jedenfalls Zweckmüßigkeitsgründen entsprungen sind.
Ebenso sind auch in den Versicherungsbedingungen der nicht zum Verbände
gehörigen Gesellschaften hie und da Abweichungen vorhanden. Diese sind aber
im allgemeinen unerheblich und können unberücksichtigt bleiben. Wir halten uns
daher an den durch den Verband vereinbarten Wortlaut. Nun sollen auch nicht
die Bedingungen in ihrer Gesamtheit einer Kritik unterzogen werden, sondern die
vorliegende Darstellung soll sich darauf beschränken, die Bestimmungen hervor¬
zuheben, die ganz besonders geeignet sind, den Versicherten zu schädigen, und
die darthun, wie einseitig die Rechte und Pflichten in dem Versicherungs¬
verträge zwischen Versicherern und Versicherten verteilt sind.

Da springt denn zunächst der Z 3 ins Auge. Dieser lautet (unter Weg-
lassung der nicht interessirenden Teile): „Wer eine Versicherung beantragt, ist
verpflichtet, im Versicherungsantrage nach Anleitung seines eingedruckten In¬
halts usw. die auf die Feuergefährlichkeit einwirkenden Umstände gewissenhaft


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228648"/>
          <fw type="header" place="top"> Die versicherungsbedingungen der privaten Fnierversicherungsgesellschaften</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1208" prev="#ID_1207"> sie werden neue Begründungen zu erschweren suchen und werden dabei ver¬<lb/>
sichern, daß sie es thäten, um das Publikum vor der Schädigung durch un¬<lb/>
solide Versicherungsunternehmungen zu schützen. Es würde aber einen hohen<lb/>
Grad von Selbstverleugnung erfordern, wenn sie auch in eine wirklich objektive<lb/>
Prüfung des Verhältnisses der Gesellschaften gegenüber den Versicherten ein¬<lb/>
treten und den letztern größere Rechte einräumen würden, als dies bisher der<lb/>
Fall gewesen ist. Und doch ist eine Besserung nach dieser Seite hin gerade<lb/>
notwendig, und hierfür einen Beleg zu bringen ist der Zweck der folgenden<lb/>
Darstellung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1209"> Wollte man die Versicherungsbedingungen aller Zweige des Versicherungs¬<lb/>
wesens (Lebens-, Feuer-, Hagel-, Vieh-, Transport- usw. Versicherung) einer<lb/>
Kritik unterziehen, so würde dies eine Arbeit werden, die über den Rahmen<lb/>
einer Abhandlung in einer Wochenschrift weit hinaufginge. Wir beschränken<lb/>
uns daher auf die Bedingungen des am allgemeinsten verbreiteten Teiles des<lb/>
Versicherungswesens, das ist die Feuerversicherung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1210"> Dabei ist zu berücksichtigen, daß, abgesehen von den behördlich verwalteten<lb/>
öffentlichen Feuersozietüten und den kleinen Privatversicherungsvereinen, etwa<lb/>
vierzig Feuerversicherungsgesellschaften in Deutschland arbeiten. Die zuerst<lb/>
genannten &#x201E;Sozietäten" sind staatlicher, provinzieller oder kommunaler Natur;<lb/>
ihre Wirksamkeit dient lediglich der allgemeinen öffentlichen Wohlfahrt ohne<lb/>
Wahrnehmung irgend welcher Sonderinteressen. Sie können daher hier ganz<lb/>
außer Frage bleiben, ebenso die kleinen Privatversichernngsvereine, die ihrer<lb/>
Geringfügigkeit wegen nicht in Betracht zu ziehen sind. Die übrigen Gesell¬<lb/>
schaften aber, insbesondre die Aktien-Feuerversichcrnngsgesellschasten, sind nach<lb/>
den von dem Verbände deutscher Privat-Feuerversicherungsgesellschaften gemein¬<lb/>
schaftlich vereinbarten allgemeinen Versicherungsbedingungen zu beurteilen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1211"> Diese Bedingungen stammen aus dem Jahre 1886. Zwar haben sich<lb/>
seitdem in den Policen der einzelnen Gesellschaften Abweichungen dieser und<lb/>
jener Art eingeschlichen, die jedenfalls Zweckmüßigkeitsgründen entsprungen sind.<lb/>
Ebenso sind auch in den Versicherungsbedingungen der nicht zum Verbände<lb/>
gehörigen Gesellschaften hie und da Abweichungen vorhanden. Diese sind aber<lb/>
im allgemeinen unerheblich und können unberücksichtigt bleiben. Wir halten uns<lb/>
daher an den durch den Verband vereinbarten Wortlaut. Nun sollen auch nicht<lb/>
die Bedingungen in ihrer Gesamtheit einer Kritik unterzogen werden, sondern die<lb/>
vorliegende Darstellung soll sich darauf beschränken, die Bestimmungen hervor¬<lb/>
zuheben, die ganz besonders geeignet sind, den Versicherten zu schädigen, und<lb/>
die darthun, wie einseitig die Rechte und Pflichten in dem Versicherungs¬<lb/>
verträge zwischen Versicherern und Versicherten verteilt sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1212" next="#ID_1213"> Da springt denn zunächst der Z 3 ins Auge. Dieser lautet (unter Weg-<lb/>
lassung der nicht interessirenden Teile): &#x201E;Wer eine Versicherung beantragt, ist<lb/>
verpflichtet, im Versicherungsantrage nach Anleitung seines eingedruckten In¬<lb/>
halts usw. die auf die Feuergefährlichkeit einwirkenden Umstände gewissenhaft</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0346] Die versicherungsbedingungen der privaten Fnierversicherungsgesellschaften sie werden neue Begründungen zu erschweren suchen und werden dabei ver¬ sichern, daß sie es thäten, um das Publikum vor der Schädigung durch un¬ solide Versicherungsunternehmungen zu schützen. Es würde aber einen hohen Grad von Selbstverleugnung erfordern, wenn sie auch in eine wirklich objektive Prüfung des Verhältnisses der Gesellschaften gegenüber den Versicherten ein¬ treten und den letztern größere Rechte einräumen würden, als dies bisher der Fall gewesen ist. Und doch ist eine Besserung nach dieser Seite hin gerade notwendig, und hierfür einen Beleg zu bringen ist der Zweck der folgenden Darstellung. Wollte man die Versicherungsbedingungen aller Zweige des Versicherungs¬ wesens (Lebens-, Feuer-, Hagel-, Vieh-, Transport- usw. Versicherung) einer Kritik unterziehen, so würde dies eine Arbeit werden, die über den Rahmen einer Abhandlung in einer Wochenschrift weit hinaufginge. Wir beschränken uns daher auf die Bedingungen des am allgemeinsten verbreiteten Teiles des Versicherungswesens, das ist die Feuerversicherung. Dabei ist zu berücksichtigen, daß, abgesehen von den behördlich verwalteten öffentlichen Feuersozietüten und den kleinen Privatversicherungsvereinen, etwa vierzig Feuerversicherungsgesellschaften in Deutschland arbeiten. Die zuerst genannten „Sozietäten" sind staatlicher, provinzieller oder kommunaler Natur; ihre Wirksamkeit dient lediglich der allgemeinen öffentlichen Wohlfahrt ohne Wahrnehmung irgend welcher Sonderinteressen. Sie können daher hier ganz außer Frage bleiben, ebenso die kleinen Privatversichernngsvereine, die ihrer Geringfügigkeit wegen nicht in Betracht zu ziehen sind. Die übrigen Gesell¬ schaften aber, insbesondre die Aktien-Feuerversichcrnngsgesellschasten, sind nach den von dem Verbände deutscher Privat-Feuerversicherungsgesellschaften gemein¬ schaftlich vereinbarten allgemeinen Versicherungsbedingungen zu beurteilen. Diese Bedingungen stammen aus dem Jahre 1886. Zwar haben sich seitdem in den Policen der einzelnen Gesellschaften Abweichungen dieser und jener Art eingeschlichen, die jedenfalls Zweckmüßigkeitsgründen entsprungen sind. Ebenso sind auch in den Versicherungsbedingungen der nicht zum Verbände gehörigen Gesellschaften hie und da Abweichungen vorhanden. Diese sind aber im allgemeinen unerheblich und können unberücksichtigt bleiben. Wir halten uns daher an den durch den Verband vereinbarten Wortlaut. Nun sollen auch nicht die Bedingungen in ihrer Gesamtheit einer Kritik unterzogen werden, sondern die vorliegende Darstellung soll sich darauf beschränken, die Bestimmungen hervor¬ zuheben, die ganz besonders geeignet sind, den Versicherten zu schädigen, und die darthun, wie einseitig die Rechte und Pflichten in dem Versicherungs¬ verträge zwischen Versicherern und Versicherten verteilt sind. Da springt denn zunächst der Z 3 ins Auge. Dieser lautet (unter Weg- lassung der nicht interessirenden Teile): „Wer eine Versicherung beantragt, ist verpflichtet, im Versicherungsantrage nach Anleitung seines eingedruckten In¬ halts usw. die auf die Feuergefährlichkeit einwirkenden Umstände gewissenhaft

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/346
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/346>, abgerufen am 27.07.2024.