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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

zesse und fehlt die Zeit zu eingehenden Erörterungen, so werden auch die tüchtigsten
Kräfte nur Ungenügendes leisten können. Und da muß denn endlich einmal offen
gesagt werden, daß die preußische Justizverwaltung bisher insbesondre die Straf¬
gerichte nicht ausreichend besetzt hat. Der Grund hierfür ist leicht zu erkennen:
es ist die Sparsamkeit. Wenn aber irgendwo in der Staatsverwaltung übermäßige
Sparsamkeit übel angebracht ist, so bei der Justiz. Eine schlechte Rechtsprechung
ist die teuerste und gefährlichste Staatshandlung, die sich denken läßt. Die preu¬
ßische Justizverwaltung wolle doch einmal das Gutachten des Reichsgerichts über
die Rechtsprechung Preußischer Strafkammern gewisser Bezirke einfordern, um über
deren Leistungen Kunde zu erhalten. Daß diese aber zum Teil ungenügend sind
-- was beim Reichsgericht öffentliches Geheimnis ist --, liegt selbstverständlich
keineswegs an geringerer Befähigung der preußischen Richter, sondern daran, daß
diese vielfach ganz außerordentlich überlastet sind. Als besonders mangelhaft hat
sich namentlich auch die Einrichtung der detachirten Strafkammern erwiesen, von
denen doch Preußen, wo sie unsers Wissens allein noch bestehen, endlich einmal
absehen sollte. Denn ihre geringere Leistungsfähigkeit ist nnn Wohl erwiesen.
Der Grund ist jedem Kundigen klar. Auch hierüber vermöchte das Reichsgericht
Auskunft zu geben.

Man verbessere also die untern Instanzen durch tüchtige und ausreichende
Besetzung, dann vermindert man am besten die Revisionen. Statt eines neuen
Senats am Reichsgerichte, der nur die Einheitlichkeit der Rechtsprechung weiter
gefährdete, denn verschiedne Entscheidungen verschiedner Senate werden niemals zu
vermeiden sein, vermehre mau lieber die Kammern, namentlich die Strafkammern
der Landgerichte in Preußen. Mit dem Gehalt von sieben Neichsgerichtsräten lassen
sich über zwanzig Landrichter besolden! Dann werden wenigstens die Revisionen
in Strafsachen zurückgehen, und auch das Verlangen nach Berufungsgerichten, das
allein in Preußen wegen der mangelhaften Besetzung der Strafkammern laut ge¬
worden ist, wird sich legen.

Möchte man doch ja recht beherzigen, daß eine gute und gerechte Rechtsprechung
eine der wirksamsten Waffen gegen die Sozialdemokratie ist. ^uLtitiu, est kulläa.-
nondum rvAnoruin. Vielleicht wird es besser, wenn das lebhafte Interesse des
Kaisers, das schon auf deu verschiedensten Gebieten des öffentlichen Lebens be¬
fruchtende Anregungen gegeben hat, sich auch einmal der Justizverwaltung besonders
zuwendet.






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

zesse und fehlt die Zeit zu eingehenden Erörterungen, so werden auch die tüchtigsten
Kräfte nur Ungenügendes leisten können. Und da muß denn endlich einmal offen
gesagt werden, daß die preußische Justizverwaltung bisher insbesondre die Straf¬
gerichte nicht ausreichend besetzt hat. Der Grund hierfür ist leicht zu erkennen:
es ist die Sparsamkeit. Wenn aber irgendwo in der Staatsverwaltung übermäßige
Sparsamkeit übel angebracht ist, so bei der Justiz. Eine schlechte Rechtsprechung
ist die teuerste und gefährlichste Staatshandlung, die sich denken läßt. Die preu¬
ßische Justizverwaltung wolle doch einmal das Gutachten des Reichsgerichts über
die Rechtsprechung Preußischer Strafkammern gewisser Bezirke einfordern, um über
deren Leistungen Kunde zu erhalten. Daß diese aber zum Teil ungenügend sind
— was beim Reichsgericht öffentliches Geheimnis ist —, liegt selbstverständlich
keineswegs an geringerer Befähigung der preußischen Richter, sondern daran, daß
diese vielfach ganz außerordentlich überlastet sind. Als besonders mangelhaft hat
sich namentlich auch die Einrichtung der detachirten Strafkammern erwiesen, von
denen doch Preußen, wo sie unsers Wissens allein noch bestehen, endlich einmal
absehen sollte. Denn ihre geringere Leistungsfähigkeit ist nnn Wohl erwiesen.
Der Grund ist jedem Kundigen klar. Auch hierüber vermöchte das Reichsgericht
Auskunft zu geben.

Man verbessere also die untern Instanzen durch tüchtige und ausreichende
Besetzung, dann vermindert man am besten die Revisionen. Statt eines neuen
Senats am Reichsgerichte, der nur die Einheitlichkeit der Rechtsprechung weiter
gefährdete, denn verschiedne Entscheidungen verschiedner Senate werden niemals zu
vermeiden sein, vermehre mau lieber die Kammern, namentlich die Strafkammern
der Landgerichte in Preußen. Mit dem Gehalt von sieben Neichsgerichtsräten lassen
sich über zwanzig Landrichter besolden! Dann werden wenigstens die Revisionen
in Strafsachen zurückgehen, und auch das Verlangen nach Berufungsgerichten, das
allein in Preußen wegen der mangelhaften Besetzung der Strafkammern laut ge¬
worden ist, wird sich legen.

Möchte man doch ja recht beherzigen, daß eine gute und gerechte Rechtsprechung
eine der wirksamsten Waffen gegen die Sozialdemokratie ist. ^uLtitiu, est kulläa.-
nondum rvAnoruin. Vielleicht wird es besser, wenn das lebhafte Interesse des
Kaisers, das schon auf deu verschiedensten Gebieten des öffentlichen Lebens be¬
fruchtende Anregungen gegeben hat, sich auch einmal der Justizverwaltung besonders
zuwendet.






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0296] Maßgebliches und Unmaßgebliches zesse und fehlt die Zeit zu eingehenden Erörterungen, so werden auch die tüchtigsten Kräfte nur Ungenügendes leisten können. Und da muß denn endlich einmal offen gesagt werden, daß die preußische Justizverwaltung bisher insbesondre die Straf¬ gerichte nicht ausreichend besetzt hat. Der Grund hierfür ist leicht zu erkennen: es ist die Sparsamkeit. Wenn aber irgendwo in der Staatsverwaltung übermäßige Sparsamkeit übel angebracht ist, so bei der Justiz. Eine schlechte Rechtsprechung ist die teuerste und gefährlichste Staatshandlung, die sich denken läßt. Die preu¬ ßische Justizverwaltung wolle doch einmal das Gutachten des Reichsgerichts über die Rechtsprechung Preußischer Strafkammern gewisser Bezirke einfordern, um über deren Leistungen Kunde zu erhalten. Daß diese aber zum Teil ungenügend sind — was beim Reichsgericht öffentliches Geheimnis ist —, liegt selbstverständlich keineswegs an geringerer Befähigung der preußischen Richter, sondern daran, daß diese vielfach ganz außerordentlich überlastet sind. Als besonders mangelhaft hat sich namentlich auch die Einrichtung der detachirten Strafkammern erwiesen, von denen doch Preußen, wo sie unsers Wissens allein noch bestehen, endlich einmal absehen sollte. Denn ihre geringere Leistungsfähigkeit ist nnn Wohl erwiesen. Der Grund ist jedem Kundigen klar. Auch hierüber vermöchte das Reichsgericht Auskunft zu geben. Man verbessere also die untern Instanzen durch tüchtige und ausreichende Besetzung, dann vermindert man am besten die Revisionen. Statt eines neuen Senats am Reichsgerichte, der nur die Einheitlichkeit der Rechtsprechung weiter gefährdete, denn verschiedne Entscheidungen verschiedner Senate werden niemals zu vermeiden sein, vermehre mau lieber die Kammern, namentlich die Strafkammern der Landgerichte in Preußen. Mit dem Gehalt von sieben Neichsgerichtsräten lassen sich über zwanzig Landrichter besolden! Dann werden wenigstens die Revisionen in Strafsachen zurückgehen, und auch das Verlangen nach Berufungsgerichten, das allein in Preußen wegen der mangelhaften Besetzung der Strafkammern laut ge¬ worden ist, wird sich legen. Möchte man doch ja recht beherzigen, daß eine gute und gerechte Rechtsprechung eine der wirksamsten Waffen gegen die Sozialdemokratie ist. ^uLtitiu, est kulläa.- nondum rvAnoruin. Vielleicht wird es besser, wenn das lebhafte Interesse des Kaisers, das schon auf deu verschiedensten Gebieten des öffentlichen Lebens be¬ fruchtende Anregungen gegeben hat, sich auch einmal der Justizverwaltung besonders zuwendet. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/296>, abgerufen am 27.07.2024.