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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Gelegentliche Beobachtungen über den Kleinhandel

Daraus geht hervor eine

Zunahme der Kolonialwarengeschäfto etwa um , , 20 Prozent
" Delikateßgeschäfte....... 33^ "
" " Tabak- und Cigarrenhandlungen , , Lg "
" " Fischhandlungcn....... 30
" " Droguenhandlungcn ...... 40
" " Farbwnrenhandlungen..... 100 "
" Wem- und Spirituosenhandlungen . 40

Die Spezialgeschäfte weisen also schon nach dieser Aufstellung eine viel
stärkere Vermehrung auf als das Kolonialwarengeschäft.

In der Konfektionsbranche haben sich die Geschäfte wie folgt vermehrt:

1830/81 1894/95
Manufaktur- und Modewaren...... 17 21
Manufaktur- und Weißwaren...... 8 16
Damenkonfektion.......... -- 15
Herrenkleidcrmagnzine......... 12 16
Handschuhgeschäfte und Bandagisten .... 5 8
Galanterie-, Kurz- und Wollwarenhandlungen , 34 34

Ein andrer Vorgang, der die Rentabilität des Kleinhandels und in erster
Linie des Kolonialwarenhandels beschneidet, ist die Art der Zahlung und des
Warenbezugs -- wir meinen die längst bekannte Thatsache, daß die Vorg-
wirtschaft in einer vom oberflächlichen Beobachter kaum geahnten Weise im
Kleinhandel ausgebreitet ist, eine Thatsache, die zum Teil den Konsumvereinen
ein so großes Übergewicht sichert. Andre Verluste treten dadurch ein, daß
sich die sogenannten Kundenbücher eingebürgert haben. Diese Art des Waren¬
bezugs ist deshalb bei den Kaufleuten sehr beliebt, weil sie die Kunden enger
ans Geschüft fesselt; denn wenn in einer Familie die Waren "auf Buch" be¬
zogen werden, kommt es selten vor, daß ein Teil der Waren hier, ein andrer
dort entnommen wird. In der Familie läßt sich die Hausfrau gern darauf
ein, weil sie so der Notwendigkeit enthoben ist, den Dienstboten bares Geld in
kleinern Beträgen in die Hand zu geben, was zu Unterschleifen führen könnte.
Ganz abgesehen nun davon, daß sich auf diesem Wege das Borgen dennoch
einschleicht, indem statt der ursprünglich verabredeten monatlichen Bezahlung
leicht die viertel- und halbjährige eintritt, wenn nicht die Fristen noch länger
werden, und daß der Kaufmann mindestens einen Monat lang des Zins-
gennsses und der Verfügung über sein Geld beraubt ist -- es wird auch vor
allem öfter, als man glaubt, im Geschäfte vergessen, diese oder jene Ware,
die abgeholt worden ist, anzuschreiben. Verschiedne vertrauenswürdige Kauf¬
leute haben uns versichert, daß die auf diese Weise unter Umstünden aus¬
fallenden Summen bei regem Geschäftsverkehr an gewissen Tagen die Höhe
von zehn Mark und mehr bei einer Buchkundenzahl von etwa zweihundert


Gelegentliche Beobachtungen über den Kleinhandel

Daraus geht hervor eine

Zunahme der Kolonialwarengeschäfto etwa um , , 20 Prozent
„ Delikateßgeschäfte....... 33^ „
„ „ Tabak- und Cigarrenhandlungen , , Lg „
„ „ Fischhandlungcn....... 30
„ „ Droguenhandlungcn ...... 40
„ „ Farbwnrenhandlungen..... 100 „
„ Wem- und Spirituosenhandlungen . 40

Die Spezialgeschäfte weisen also schon nach dieser Aufstellung eine viel
stärkere Vermehrung auf als das Kolonialwarengeschäft.

In der Konfektionsbranche haben sich die Geschäfte wie folgt vermehrt:

1830/81 1894/95
Manufaktur- und Modewaren...... 17 21
Manufaktur- und Weißwaren...... 8 16
Damenkonfektion.......... — 15
Herrenkleidcrmagnzine......... 12 16
Handschuhgeschäfte und Bandagisten .... 5 8
Galanterie-, Kurz- und Wollwarenhandlungen , 34 34

Ein andrer Vorgang, der die Rentabilität des Kleinhandels und in erster
Linie des Kolonialwarenhandels beschneidet, ist die Art der Zahlung und des
Warenbezugs — wir meinen die längst bekannte Thatsache, daß die Vorg-
wirtschaft in einer vom oberflächlichen Beobachter kaum geahnten Weise im
Kleinhandel ausgebreitet ist, eine Thatsache, die zum Teil den Konsumvereinen
ein so großes Übergewicht sichert. Andre Verluste treten dadurch ein, daß
sich die sogenannten Kundenbücher eingebürgert haben. Diese Art des Waren¬
bezugs ist deshalb bei den Kaufleuten sehr beliebt, weil sie die Kunden enger
ans Geschüft fesselt; denn wenn in einer Familie die Waren „auf Buch" be¬
zogen werden, kommt es selten vor, daß ein Teil der Waren hier, ein andrer
dort entnommen wird. In der Familie läßt sich die Hausfrau gern darauf
ein, weil sie so der Notwendigkeit enthoben ist, den Dienstboten bares Geld in
kleinern Beträgen in die Hand zu geben, was zu Unterschleifen führen könnte.
Ganz abgesehen nun davon, daß sich auf diesem Wege das Borgen dennoch
einschleicht, indem statt der ursprünglich verabredeten monatlichen Bezahlung
leicht die viertel- und halbjährige eintritt, wenn nicht die Fristen noch länger
werden, und daß der Kaufmann mindestens einen Monat lang des Zins-
gennsses und der Verfügung über sein Geld beraubt ist — es wird auch vor
allem öfter, als man glaubt, im Geschäfte vergessen, diese oder jene Ware,
die abgeholt worden ist, anzuschreiben. Verschiedne vertrauenswürdige Kauf¬
leute haben uns versichert, daß die auf diese Weise unter Umstünden aus¬
fallenden Summen bei regem Geschäftsverkehr an gewissen Tagen die Höhe
von zehn Mark und mehr bei einer Buchkundenzahl von etwa zweihundert


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[0272] Gelegentliche Beobachtungen über den Kleinhandel Daraus geht hervor eine Zunahme der Kolonialwarengeschäfto etwa um , , 20 Prozent „ Delikateßgeschäfte....... 33^ „ „ „ Tabak- und Cigarrenhandlungen , , Lg „ „ „ Fischhandlungcn....... 30 „ „ Droguenhandlungcn ...... 40 „ „ Farbwnrenhandlungen..... 100 „ „ Wem- und Spirituosenhandlungen . 40 Die Spezialgeschäfte weisen also schon nach dieser Aufstellung eine viel stärkere Vermehrung auf als das Kolonialwarengeschäft. In der Konfektionsbranche haben sich die Geschäfte wie folgt vermehrt: 1830/81 1894/95 Manufaktur- und Modewaren...... 17 21 Manufaktur- und Weißwaren...... 8 16 Damenkonfektion.......... — 15 Herrenkleidcrmagnzine......... 12 16 Handschuhgeschäfte und Bandagisten .... 5 8 Galanterie-, Kurz- und Wollwarenhandlungen , 34 34 Ein andrer Vorgang, der die Rentabilität des Kleinhandels und in erster Linie des Kolonialwarenhandels beschneidet, ist die Art der Zahlung und des Warenbezugs — wir meinen die längst bekannte Thatsache, daß die Vorg- wirtschaft in einer vom oberflächlichen Beobachter kaum geahnten Weise im Kleinhandel ausgebreitet ist, eine Thatsache, die zum Teil den Konsumvereinen ein so großes Übergewicht sichert. Andre Verluste treten dadurch ein, daß sich die sogenannten Kundenbücher eingebürgert haben. Diese Art des Waren¬ bezugs ist deshalb bei den Kaufleuten sehr beliebt, weil sie die Kunden enger ans Geschüft fesselt; denn wenn in einer Familie die Waren „auf Buch" be¬ zogen werden, kommt es selten vor, daß ein Teil der Waren hier, ein andrer dort entnommen wird. In der Familie läßt sich die Hausfrau gern darauf ein, weil sie so der Notwendigkeit enthoben ist, den Dienstboten bares Geld in kleinern Beträgen in die Hand zu geben, was zu Unterschleifen führen könnte. Ganz abgesehen nun davon, daß sich auf diesem Wege das Borgen dennoch einschleicht, indem statt der ursprünglich verabredeten monatlichen Bezahlung leicht die viertel- und halbjährige eintritt, wenn nicht die Fristen noch länger werden, und daß der Kaufmann mindestens einen Monat lang des Zins- gennsses und der Verfügung über sein Geld beraubt ist — es wird auch vor allem öfter, als man glaubt, im Geschäfte vergessen, diese oder jene Ware, die abgeholt worden ist, anzuschreiben. Verschiedne vertrauenswürdige Kauf¬ leute haben uns versichert, daß die auf diese Weise unter Umstünden aus¬ fallenden Summen bei regem Geschäftsverkehr an gewissen Tagen die Höhe von zehn Mark und mehr bei einer Buchkundenzahl von etwa zweihundert

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/272>, abgerufen am 28.07.2024.