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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Auiistsammler in Berlin

erst alle diese Werke der Kleinkunst aufgetaucht, die uns einen überraschend
tiefen Einblick in den Zusammenhang der italienischen Kunst mit dem italie¬
nischen Volks- und Staatsleben gewähren und zugleich, besonders was die
Bronzemedaillen und Bronzetafelchen betrifft, der Staaten-, Dynasten- und
Kulturgeschichte ein wichtiges Material zuführen. Unter den Künstern, die
diese Kleinbronzen, Medaillen usw. geschaffen haben, sind nicht wenige, die
neben Donatello, Ghiberti, Luca della Robbia, Mino da Fiesole genannt zu
werden verdienen. Aber der Kunstfreund kann alle diese Namen nicht mehr
aufnehmen. Er steht schon jetzt ratlos vor den langen Namenreihen da, deren
Kenntnis man heute von einem gebildeten Manne erwartet. Auch wir wollen
unsre Leser nicht mit neuen Namen beschweren. Es mag genügen, daß wir
feststellen, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser kleinen Kunstwerke der
Renaissance in Berliner Privatbesitz übergegangen ist. Daß auch hier Paris
wie in vielen andern Dingen dieser Art den Ton angegeben hat, darf uns in
dieser Freude nicht stören. Es ist sogar ein kleiner Triumph dabei, da Herr
James Simon beinahe schon so viele Medaillen und Plaketten zusammengebracht
hat wie Herr Drehfuß in Paris, der auf diesem Gebiete des Kunstsammelns
den Eiffelturm vertritt.

Wie man früher mit Leidenschaft italienische Majoliken des fünfzehnten
und sechzehnten Jahrhunderts, Deister Faiencen, Porzellan mit Marken aller
Fabriken des achtzehnten Jahrhunderts sammelte, so macht man jetzt Jagd
auf die italienischen Kleinbronzen. Jede einseitige Sammelwut hat etwas Lächer¬
liches. Wer aber die Auswüchse nicht beachtet, wer das Sammelwesen nur
als ein Mittel zu großen Zwecken ansieht und darnach seinen Wert bemißt,
der wird sich auch kleiner Erfolge freuen, die durch große Anstrengungen er¬
rungen worden sind. Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet wird auch die
Berliner Renaissanccausstellung, die mehr die engern Kreise der Kunstkenner
als die große Gemeinde der Kunstfreunde, die keine Spezialistin sind, interessirt
zu haben scheint, für die Zukunft nachwirken. Sie wird unzweifelhaft den
Sammeleifer weiter anspornen, sie wird aber auch der Kunstwissenschaft nicht
geringe Dienste leisten, zumal da ihr Hauptinhalt in einem groß angelegten
Werke durch Bild und Wort als Material für die vergleichende Forschung
aufbewahrt werden soll.




Auiistsammler in Berlin

erst alle diese Werke der Kleinkunst aufgetaucht, die uns einen überraschend
tiefen Einblick in den Zusammenhang der italienischen Kunst mit dem italie¬
nischen Volks- und Staatsleben gewähren und zugleich, besonders was die
Bronzemedaillen und Bronzetafelchen betrifft, der Staaten-, Dynasten- und
Kulturgeschichte ein wichtiges Material zuführen. Unter den Künstern, die
diese Kleinbronzen, Medaillen usw. geschaffen haben, sind nicht wenige, die
neben Donatello, Ghiberti, Luca della Robbia, Mino da Fiesole genannt zu
werden verdienen. Aber der Kunstfreund kann alle diese Namen nicht mehr
aufnehmen. Er steht schon jetzt ratlos vor den langen Namenreihen da, deren
Kenntnis man heute von einem gebildeten Manne erwartet. Auch wir wollen
unsre Leser nicht mit neuen Namen beschweren. Es mag genügen, daß wir
feststellen, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser kleinen Kunstwerke der
Renaissance in Berliner Privatbesitz übergegangen ist. Daß auch hier Paris
wie in vielen andern Dingen dieser Art den Ton angegeben hat, darf uns in
dieser Freude nicht stören. Es ist sogar ein kleiner Triumph dabei, da Herr
James Simon beinahe schon so viele Medaillen und Plaketten zusammengebracht
hat wie Herr Drehfuß in Paris, der auf diesem Gebiete des Kunstsammelns
den Eiffelturm vertritt.

Wie man früher mit Leidenschaft italienische Majoliken des fünfzehnten
und sechzehnten Jahrhunderts, Deister Faiencen, Porzellan mit Marken aller
Fabriken des achtzehnten Jahrhunderts sammelte, so macht man jetzt Jagd
auf die italienischen Kleinbronzen. Jede einseitige Sammelwut hat etwas Lächer¬
liches. Wer aber die Auswüchse nicht beachtet, wer das Sammelwesen nur
als ein Mittel zu großen Zwecken ansieht und darnach seinen Wert bemißt,
der wird sich auch kleiner Erfolge freuen, die durch große Anstrengungen er¬
rungen worden sind. Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet wird auch die
Berliner Renaissanccausstellung, die mehr die engern Kreise der Kunstkenner
als die große Gemeinde der Kunstfreunde, die keine Spezialistin sind, interessirt
zu haben scheint, für die Zukunft nachwirken. Sie wird unzweifelhaft den
Sammeleifer weiter anspornen, sie wird aber auch der Kunstwissenschaft nicht
geringe Dienste leisten, zumal da ihr Hauptinhalt in einem groß angelegten
Werke durch Bild und Wort als Material für die vergleichende Forschung
aufbewahrt werden soll.




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[0192] Auiistsammler in Berlin erst alle diese Werke der Kleinkunst aufgetaucht, die uns einen überraschend tiefen Einblick in den Zusammenhang der italienischen Kunst mit dem italie¬ nischen Volks- und Staatsleben gewähren und zugleich, besonders was die Bronzemedaillen und Bronzetafelchen betrifft, der Staaten-, Dynasten- und Kulturgeschichte ein wichtiges Material zuführen. Unter den Künstern, die diese Kleinbronzen, Medaillen usw. geschaffen haben, sind nicht wenige, die neben Donatello, Ghiberti, Luca della Robbia, Mino da Fiesole genannt zu werden verdienen. Aber der Kunstfreund kann alle diese Namen nicht mehr aufnehmen. Er steht schon jetzt ratlos vor den langen Namenreihen da, deren Kenntnis man heute von einem gebildeten Manne erwartet. Auch wir wollen unsre Leser nicht mit neuen Namen beschweren. Es mag genügen, daß wir feststellen, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser kleinen Kunstwerke der Renaissance in Berliner Privatbesitz übergegangen ist. Daß auch hier Paris wie in vielen andern Dingen dieser Art den Ton angegeben hat, darf uns in dieser Freude nicht stören. Es ist sogar ein kleiner Triumph dabei, da Herr James Simon beinahe schon so viele Medaillen und Plaketten zusammengebracht hat wie Herr Drehfuß in Paris, der auf diesem Gebiete des Kunstsammelns den Eiffelturm vertritt. Wie man früher mit Leidenschaft italienische Majoliken des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts, Deister Faiencen, Porzellan mit Marken aller Fabriken des achtzehnten Jahrhunderts sammelte, so macht man jetzt Jagd auf die italienischen Kleinbronzen. Jede einseitige Sammelwut hat etwas Lächer¬ liches. Wer aber die Auswüchse nicht beachtet, wer das Sammelwesen nur als ein Mittel zu großen Zwecken ansieht und darnach seinen Wert bemißt, der wird sich auch kleiner Erfolge freuen, die durch große Anstrengungen er¬ rungen worden sind. Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet wird auch die Berliner Renaissanccausstellung, die mehr die engern Kreise der Kunstkenner als die große Gemeinde der Kunstfreunde, die keine Spezialistin sind, interessirt zu haben scheint, für die Zukunft nachwirken. Sie wird unzweifelhaft den Sammeleifer weiter anspornen, sie wird aber auch der Kunstwissenschaft nicht geringe Dienste leisten, zumal da ihr Hauptinhalt in einem groß angelegten Werke durch Bild und Wort als Material für die vergleichende Forschung aufbewahrt werden soll.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/192>, abgerufen am 27.07.2024.