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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Friedrich der Große und Lngland

in keiner Weise andre Verbündete suche. Er wünsche nichts weiter als den
Frieden zu erhalten, so weit das von ihm abhänge, zum Heil für seine Staaten
und für Deutschland. Daher wäre ein Bund mit England für ihn eine große
Thorheit, da England ihn voraussichtlich in einen Krieg hineinziehen werde,
der ihn nichts angehe; für ihn wie für Rußland könne es gleichgiltig sein,
ob die Franzosen oder die Engländer die Herren in Kanada oder Se. Do-
mingo seien.

Bei der Nachricht von dem vorläufigen Abschluß des erwähnten Handels¬
vertrags hatte sich Friedrich beeilt, einer neuen Anfrage Paulus vorzubeugen,
in einer Ordre an Solms vom 5. September 1765, die seine Gründe kurz
wiederholt. Trotzdem machte Pcmin, wie gesagt, jetzt, im Oktober 1765, einen
neuen Versuch, deu König umzustimmen, natürlich ohne Erfolg: er wolle, läßt
ihm Friedrich erwidern, der Kaiserin alles mögliche zu Gefallen thun, ebenso
Parm, aber in dieser Sache müsse er bitten, ihn aus dem Spiele zu lassen;
sie sei ihm zu gefährlich, sie könne ihn in große Verlegenheit bringen, um
nicht zu sagen, daß sie der Würde seiner Krone widerstrebe (pour ruz pas eure
^u'vllo Lsrii.it vvlltriüi'g ü, in, äiMits as UM ocmronns).

Den preußischen Gesandten, den Grafen Solms, hatte Parm vollständig
für seine Ideen gewonnen. Es steht mit den hier geschilderten Dingen in
engem Zusammenhang, daß Solms in einem ausführlichen Bericht vom
7. März 1766 deu König aus eigner Initiative für das "nordische System"
zu gewinnen sucht. Was er vorbringt, sind genau die Gedanken Paulus, nur
macht er noch darauf aufmerksam, daß es immerhin fraglich sei, ob Rußland,
namentlich im Fall eines Thronwechsels, völlig zuverlässig sei. Der König
liebte solche Ratschläge von Seiten seiner Gesandten überhaupt nicht sehr.
Die Antwort, die er eigenhändig entworfen hat -- ein Zeichen, daß ihm die
Sache doch wichtig erschien ^, zeigt seinen Unwillen; sie ist vom 25. März
1766 datirt. "Ich merke, schreibt er. daß Sie den Plan meiner Politik nicht
ganz verstehen. Ich sehe die Notwendigkeit, Sie zu unterrichten, was jetzt in
Bezug auf die Russen und die Engländer, so weit es Allianzen anbelangt,
möglich ist. Die Allianz mit den Russen genügt mir. Denn selbst wenn ich
von ihnen im Fall eines Kriegs keine Hilfe zu erwarten hätte, so ist es doch
auf alle Fälle ein Gewinn, daß diese Nation, im Bündnis mit mir, sich nicht
gegen mich erklären wird. Das genügt mir. Was die Engländer angeht, so
haben die jetzt alles von den Franzosen und Spaniern zu fürchten; mit ihnen
Bündnis in dieser Lage zu schließen, das heißt: sich leichten Herzens (as g'-üsts
do oosur) in einen neuen Krieg stürzen, an dem im Grunde Preußen keinerlei
Interesse hat; während, wenn ich mit Rußland vereint bleibe, mich alle Welt
in Ruhe lassen wird und ich den Friede" erhalte. Das sind die allgemeinen
Ideen, von denen mich zu entfernen ich durchaus keine Lust habe; und ich
könnte mir unter der Bedingung in ein Bündnis mit England willigen, daß


Friedrich der Große und Lngland

in keiner Weise andre Verbündete suche. Er wünsche nichts weiter als den
Frieden zu erhalten, so weit das von ihm abhänge, zum Heil für seine Staaten
und für Deutschland. Daher wäre ein Bund mit England für ihn eine große
Thorheit, da England ihn voraussichtlich in einen Krieg hineinziehen werde,
der ihn nichts angehe; für ihn wie für Rußland könne es gleichgiltig sein,
ob die Franzosen oder die Engländer die Herren in Kanada oder Se. Do-
mingo seien.

Bei der Nachricht von dem vorläufigen Abschluß des erwähnten Handels¬
vertrags hatte sich Friedrich beeilt, einer neuen Anfrage Paulus vorzubeugen,
in einer Ordre an Solms vom 5. September 1765, die seine Gründe kurz
wiederholt. Trotzdem machte Pcmin, wie gesagt, jetzt, im Oktober 1765, einen
neuen Versuch, deu König umzustimmen, natürlich ohne Erfolg: er wolle, läßt
ihm Friedrich erwidern, der Kaiserin alles mögliche zu Gefallen thun, ebenso
Parm, aber in dieser Sache müsse er bitten, ihn aus dem Spiele zu lassen;
sie sei ihm zu gefährlich, sie könne ihn in große Verlegenheit bringen, um
nicht zu sagen, daß sie der Würde seiner Krone widerstrebe (pour ruz pas eure
^u'vllo Lsrii.it vvlltriüi'g ü, in, äiMits as UM ocmronns).

Den preußischen Gesandten, den Grafen Solms, hatte Parm vollständig
für seine Ideen gewonnen. Es steht mit den hier geschilderten Dingen in
engem Zusammenhang, daß Solms in einem ausführlichen Bericht vom
7. März 1766 deu König aus eigner Initiative für das „nordische System"
zu gewinnen sucht. Was er vorbringt, sind genau die Gedanken Paulus, nur
macht er noch darauf aufmerksam, daß es immerhin fraglich sei, ob Rußland,
namentlich im Fall eines Thronwechsels, völlig zuverlässig sei. Der König
liebte solche Ratschläge von Seiten seiner Gesandten überhaupt nicht sehr.
Die Antwort, die er eigenhändig entworfen hat — ein Zeichen, daß ihm die
Sache doch wichtig erschien ^, zeigt seinen Unwillen; sie ist vom 25. März
1766 datirt. „Ich merke, schreibt er. daß Sie den Plan meiner Politik nicht
ganz verstehen. Ich sehe die Notwendigkeit, Sie zu unterrichten, was jetzt in
Bezug auf die Russen und die Engländer, so weit es Allianzen anbelangt,
möglich ist. Die Allianz mit den Russen genügt mir. Denn selbst wenn ich
von ihnen im Fall eines Kriegs keine Hilfe zu erwarten hätte, so ist es doch
auf alle Fälle ein Gewinn, daß diese Nation, im Bündnis mit mir, sich nicht
gegen mich erklären wird. Das genügt mir. Was die Engländer angeht, so
haben die jetzt alles von den Franzosen und Spaniern zu fürchten; mit ihnen
Bündnis in dieser Lage zu schließen, das heißt: sich leichten Herzens (as g'-üsts
do oosur) in einen neuen Krieg stürzen, an dem im Grunde Preußen keinerlei
Interesse hat; während, wenn ich mit Rußland vereint bleibe, mich alle Welt
in Ruhe lassen wird und ich den Friede» erhalte. Das sind die allgemeinen
Ideen, von denen mich zu entfernen ich durchaus keine Lust habe; und ich
könnte mir unter der Bedingung in ein Bündnis mit England willigen, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/67>, abgerufen am 23.07.2024.