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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Auf der Akademie

weil der Großvater so nachgeforscht hat, daß ihm Angst geworden ist. Dann hat
der Großvater zu lachen angefangen, hat sichs noch einmal sagen lassen und so
gelacht, daß es ihn ordentlich zusammengeschüttete hat, und dann ist die Schwäche
wieder gekommen, aber so stark wie nie. Die Bäuerin hat heimlich mit dem Knecht
gesprochen, ob mau zum Doktor sollte, da hat der Großvater die Augen aufgemacht
und streng geblickt wie immer. Mit einer ganz lauten Stimme hat er befohlen,
sie sollten sich an die Arbeit machen. Um seinen Tod brauchte niemand Sorge zu
tragen, Wenns Zeit wäre, wollte er schon rufen.

Er hat am Fenster gesessen wie immer, und drüben auf der Tenne haben sie
gedroschen, bis es scharf zwischen die Schläge hineinklang, und das Fenster zu klirren
anfing. Das thut der Großvater, der klopft mit seinem harten Finger an die
Scheiben: Es ist Zeit, der Tod ist da!

Man hat noch gesehen, wie er gewinkt hat, sie sollten fort machen, er brauchte
sie nicht alle. Aber seine Stimme hat nicht durchdringen können, und das Gesinde
ist fort gewesen, wie wenn der Sturm zwischen die Spreu fährt.

Wie die Mutter hinein gekommen ist, hat sie den Großvater schon verändert
gefunden, aber die Gedanken hat er klar zusammengehalten, zäh bis zuletzt.

Er hat bestimmt, was die nächsten Wochen auf dem Feld gethan werden soll,
und zuletzt hat er hinter sich gegriffen, wo das bunte gewürfelte Kissen lag. Da
hat er sein buntes Sacktuch herausgehoben: So, das ist für den Wilhelm, hat er
gesagt. Das mit dem Bild hat mir gefallen, sag ihm das vom Großvater. --
Dann ist er hin gewesen.

Das Sacktuch war schwer, Rainer, Geld genug hätt ich jetzt -- Rainer, hörst
du nicht?

Der hatte die Augen starr auf etwas Blankes gerichtet, einen Nagelkopf, der
vom Fenster her einen Lichtstrahl gefangen hatte. Freilich höre ichs, sagte er,
ohne die Blicke abzuwenden. Aber was ist da weiter zu sagen? Freu dich doch!
du kannst es jetzt und ansehen. Ich sage ja immer, wenn einer nur gesund ist und
ganze Strümpfe hat! Und du hast ja außerdem noch Geld.

Nein, Rainer, wenn du so sprichst, das halt ich nicht aus. Mir hat selber
gegraut vor dem vielen Geld, wie ichs hente nacht neben mein Bett hingelegt
habe. Und dann hab ich denken müssen, jetzt wenns wahr wäre, daß ich Talent
habe, jetzt könnt es drauf losgehen und was werden. Verdienen brauch ich nicht
mehr. Jetzt könnt ich Modell nehmen, soviel ich will, und machen, was mir ein¬
fällt. Aber das ist es ja gerade, du sagst, das ist nichts, und wenn ich denke, ich
soll in meinem Leben nichts zusammenbringen, als was dem schwarzen Heyse seiner
Weltmacht gleicht, dann lieber mit dem Joseph draußen auf dem Mist stehn!

Wilhelm schwieg und sah bedrückt zu Renner hinüber: Du sagst auch gar
nichts!

Rainer trat auf die Wand zu und faßte den Nagelkopf, als wenn ihm das
die Handhabe zu einem Entschluß geben könnte. Dann wandte er sich um und
sagte: Höre, mein Junge, das mit dem Geld ist in der Ordnung, das kannst du
brauchen. Der Großvater hat sein Porträt nicht zu teuer bezahlt, denn merk dir
etwas: Ich habe es gleich am ersten Tage gewußt, als du mir deine Sachen
brachtest. Du weißt schou, ich will die da drüben in der Akademie überleben.
Nicht mit den Jahren, das ist mir einerlei. Aber ich will meinen Namen zwischen
sie legen, wie man einen Fettstein in einen Sandhaufen schmeißt. Wenn der Sand
lauge verweht ist, bleibt doch der Stein. Und daß dus nur weißt: Du wiegst
uicht leichter als ich.




Auf der Akademie

weil der Großvater so nachgeforscht hat, daß ihm Angst geworden ist. Dann hat
der Großvater zu lachen angefangen, hat sichs noch einmal sagen lassen und so
gelacht, daß es ihn ordentlich zusammengeschüttete hat, und dann ist die Schwäche
wieder gekommen, aber so stark wie nie. Die Bäuerin hat heimlich mit dem Knecht
gesprochen, ob mau zum Doktor sollte, da hat der Großvater die Augen aufgemacht
und streng geblickt wie immer. Mit einer ganz lauten Stimme hat er befohlen,
sie sollten sich an die Arbeit machen. Um seinen Tod brauchte niemand Sorge zu
tragen, Wenns Zeit wäre, wollte er schon rufen.

Er hat am Fenster gesessen wie immer, und drüben auf der Tenne haben sie
gedroschen, bis es scharf zwischen die Schläge hineinklang, und das Fenster zu klirren
anfing. Das thut der Großvater, der klopft mit seinem harten Finger an die
Scheiben: Es ist Zeit, der Tod ist da!

Man hat noch gesehen, wie er gewinkt hat, sie sollten fort machen, er brauchte
sie nicht alle. Aber seine Stimme hat nicht durchdringen können, und das Gesinde
ist fort gewesen, wie wenn der Sturm zwischen die Spreu fährt.

Wie die Mutter hinein gekommen ist, hat sie den Großvater schon verändert
gefunden, aber die Gedanken hat er klar zusammengehalten, zäh bis zuletzt.

Er hat bestimmt, was die nächsten Wochen auf dem Feld gethan werden soll,
und zuletzt hat er hinter sich gegriffen, wo das bunte gewürfelte Kissen lag. Da
hat er sein buntes Sacktuch herausgehoben: So, das ist für den Wilhelm, hat er
gesagt. Das mit dem Bild hat mir gefallen, sag ihm das vom Großvater. —
Dann ist er hin gewesen.

Das Sacktuch war schwer, Rainer, Geld genug hätt ich jetzt — Rainer, hörst
du nicht?

Der hatte die Augen starr auf etwas Blankes gerichtet, einen Nagelkopf, der
vom Fenster her einen Lichtstrahl gefangen hatte. Freilich höre ichs, sagte er,
ohne die Blicke abzuwenden. Aber was ist da weiter zu sagen? Freu dich doch!
du kannst es jetzt und ansehen. Ich sage ja immer, wenn einer nur gesund ist und
ganze Strümpfe hat! Und du hast ja außerdem noch Geld.

Nein, Rainer, wenn du so sprichst, das halt ich nicht aus. Mir hat selber
gegraut vor dem vielen Geld, wie ichs hente nacht neben mein Bett hingelegt
habe. Und dann hab ich denken müssen, jetzt wenns wahr wäre, daß ich Talent
habe, jetzt könnt es drauf losgehen und was werden. Verdienen brauch ich nicht
mehr. Jetzt könnt ich Modell nehmen, soviel ich will, und machen, was mir ein¬
fällt. Aber das ist es ja gerade, du sagst, das ist nichts, und wenn ich denke, ich
soll in meinem Leben nichts zusammenbringen, als was dem schwarzen Heyse seiner
Weltmacht gleicht, dann lieber mit dem Joseph draußen auf dem Mist stehn!

Wilhelm schwieg und sah bedrückt zu Renner hinüber: Du sagst auch gar
nichts!

Rainer trat auf die Wand zu und faßte den Nagelkopf, als wenn ihm das
die Handhabe zu einem Entschluß geben könnte. Dann wandte er sich um und
sagte: Höre, mein Junge, das mit dem Geld ist in der Ordnung, das kannst du
brauchen. Der Großvater hat sein Porträt nicht zu teuer bezahlt, denn merk dir
etwas: Ich habe es gleich am ersten Tage gewußt, als du mir deine Sachen
brachtest. Du weißt schou, ich will die da drüben in der Akademie überleben.
Nicht mit den Jahren, das ist mir einerlei. Aber ich will meinen Namen zwischen
sie legen, wie man einen Fettstein in einen Sandhaufen schmeißt. Wenn der Sand
lauge verweht ist, bleibt doch der Stein. Und daß dus nur weißt: Du wiegst
uicht leichter als ich.




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[0658] Auf der Akademie weil der Großvater so nachgeforscht hat, daß ihm Angst geworden ist. Dann hat der Großvater zu lachen angefangen, hat sichs noch einmal sagen lassen und so gelacht, daß es ihn ordentlich zusammengeschüttete hat, und dann ist die Schwäche wieder gekommen, aber so stark wie nie. Die Bäuerin hat heimlich mit dem Knecht gesprochen, ob mau zum Doktor sollte, da hat der Großvater die Augen aufgemacht und streng geblickt wie immer. Mit einer ganz lauten Stimme hat er befohlen, sie sollten sich an die Arbeit machen. Um seinen Tod brauchte niemand Sorge zu tragen, Wenns Zeit wäre, wollte er schon rufen. Er hat am Fenster gesessen wie immer, und drüben auf der Tenne haben sie gedroschen, bis es scharf zwischen die Schläge hineinklang, und das Fenster zu klirren anfing. Das thut der Großvater, der klopft mit seinem harten Finger an die Scheiben: Es ist Zeit, der Tod ist da! Man hat noch gesehen, wie er gewinkt hat, sie sollten fort machen, er brauchte sie nicht alle. Aber seine Stimme hat nicht durchdringen können, und das Gesinde ist fort gewesen, wie wenn der Sturm zwischen die Spreu fährt. Wie die Mutter hinein gekommen ist, hat sie den Großvater schon verändert gefunden, aber die Gedanken hat er klar zusammengehalten, zäh bis zuletzt. Er hat bestimmt, was die nächsten Wochen auf dem Feld gethan werden soll, und zuletzt hat er hinter sich gegriffen, wo das bunte gewürfelte Kissen lag. Da hat er sein buntes Sacktuch herausgehoben: So, das ist für den Wilhelm, hat er gesagt. Das mit dem Bild hat mir gefallen, sag ihm das vom Großvater. — Dann ist er hin gewesen. Das Sacktuch war schwer, Rainer, Geld genug hätt ich jetzt — Rainer, hörst du nicht? Der hatte die Augen starr auf etwas Blankes gerichtet, einen Nagelkopf, der vom Fenster her einen Lichtstrahl gefangen hatte. Freilich höre ichs, sagte er, ohne die Blicke abzuwenden. Aber was ist da weiter zu sagen? Freu dich doch! du kannst es jetzt und ansehen. Ich sage ja immer, wenn einer nur gesund ist und ganze Strümpfe hat! Und du hast ja außerdem noch Geld. Nein, Rainer, wenn du so sprichst, das halt ich nicht aus. Mir hat selber gegraut vor dem vielen Geld, wie ichs hente nacht neben mein Bett hingelegt habe. Und dann hab ich denken müssen, jetzt wenns wahr wäre, daß ich Talent habe, jetzt könnt es drauf losgehen und was werden. Verdienen brauch ich nicht mehr. Jetzt könnt ich Modell nehmen, soviel ich will, und machen, was mir ein¬ fällt. Aber das ist es ja gerade, du sagst, das ist nichts, und wenn ich denke, ich soll in meinem Leben nichts zusammenbringen, als was dem schwarzen Heyse seiner Weltmacht gleicht, dann lieber mit dem Joseph draußen auf dem Mist stehn! Wilhelm schwieg und sah bedrückt zu Renner hinüber: Du sagst auch gar nichts! Rainer trat auf die Wand zu und faßte den Nagelkopf, als wenn ihm das die Handhabe zu einem Entschluß geben könnte. Dann wandte er sich um und sagte: Höre, mein Junge, das mit dem Geld ist in der Ordnung, das kannst du brauchen. Der Großvater hat sein Porträt nicht zu teuer bezahlt, denn merk dir etwas: Ich habe es gleich am ersten Tage gewußt, als du mir deine Sachen brachtest. Du weißt schou, ich will die da drüben in der Akademie überleben. Nicht mit den Jahren, das ist mir einerlei. Aber ich will meinen Namen zwischen sie legen, wie man einen Fettstein in einen Sandhaufen schmeißt. Wenn der Sand lauge verweht ist, bleibt doch der Stein. Und daß dus nur weißt: Du wiegst uicht leichter als ich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/658>, abgerufen am 27.12.2024.