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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Rünstlerpostkarten

stisches von Koko Moser, was noch am ehesten der eigentlichen Postkarte entsprechen
kann. Alles in allem eine wirklich erfreuliche kleine Bildersammlung, die für die
liebe Jugend ein so billiges, hübsches und instruktives Sammelmaterial giebt, wie
es wohl nicht noch einmal vorhanden ist, und dafür gebührt Herrn Ackermann
besondrer Dank. Er könnte aber die ganze Sache vielleicht gelegentlich von der
Postkartenfessel befreien, da sie viel mehr wert ist, als dieser ganze Sport.

Und nun kommt das daran, womit ich mein zweites Album begonnen,
und was ich mir bis zuletzt aufgespart habe, das sich aber kein Sammler entgehen
lassen darf. Das ist die Sammlung von hundertfünfzig Karten -- so viele habe
ich bis jetzt erhalten -- aus dem Verlage von Philipp und Kramer in Wien.
Sezession! So wienerisch und so sezessionistisch wie möglich. Zum Teil sehr
simpel in der Technik, zum Teil brillant, zum Teil sehr geschmackvoll, wenn auch
wunderlich, zum Teil so albern, wie die Sezession nur sein kann. Aber das ganze
Arsenal der Sezessioniflen auf den kleinsten Raum zusammengedrängt. Man kann
bei vielem wirklich nicht anders sagen als! Famos! So macht es wirklich Spaß,
und mau fragt sich: Warum beschränkt sich die Sezession nicht auf Postkarten?
Da ist ihr Gebiet!

Dies bezieht sich hauptsächlich auf etwa die erste Hälfte; die neunte Serie
-- Tierkarrikaturen -- ist sehr Witz- und geschmacklos. Die achte und die fünf¬
zehnte enthalten Szenen von den österreichischen Alpenseen von A. Hlavacek und
von der Riviera von G. Holub, an sich ganz interessante und zum Teil nette
Blätter, die aber nnter dem rohen Dreifarbendruck leide".

Daß aber auch hier noch ein Übertrumpfen möglich war, zeigen die mit der
größten technischen Vollendung hergestellten beiden Sammlungen von zehn und zwölf
Blättern von Gerlach und Schenk in Wien. Wer die künstlerischen Urheber der
einzelnen Blätter sind, ist nicht angegeben; es kommt auch nichts darauf an, denn
eins ist so verrückt wie das andre, im schönsten Kalligraphenstil der Japaner.
Da sieht man überhaupt nicht mehr, was die Bilder darstellen sollen. Das ist
der Triumph der Sezession und der Postkarte. Und indem ich das anerkenne,
will ich meine Übersicht als abgeschlossen betrachten -- ob mir etwas entgangen
z. G. ist, was der Aufzeichnung wert gewesen wäre, weiß ich nicht/')





Etwas kommt noch in der zwölften Stunde, das mein letztes Wort zu schänden macht!
Die Herren Dietrich und Komp. in Brüssel hatten eine Serie von zehn Karten von H, Mennier
mitgeschickt, japanisch sezessionistische kakelbunte ziemlich flache Franenhalbfignren, die weder durch
Originalität noch besondre Abscheulichkeit zur Erwähnung herausforderten. Jetzt lassen sie aber
die Probedrucke einer Serie Iiss Llvmonts x-rr (tuere (!?omdaü folgen, die so toll ist, das;
sie alles andre übertrifft, und das; man nur starr staunen kann. Japanische Schnörkel in den
knalligsten Farben mit schwer erkennbaren Tieren und Gegenständen im extravagantesten Orna-
mentcnstil, die die vier Elemente, vermutlich des Planeten Mars, versinnbildlichen sollen. Dem
gegenüber müssen sich die Japaner selbst geschlagen fühlen! Und dieselbe Firma schickt uns zugleich
eine Sammlung I>a Hollands xittorosqus, zwölf bunte Aanarcllc von Cassiers, die so fein
und zierlich sind, das; sie sich neben das Beste stellen können, was bei uns in Deutschland
bis jetzt gemacht worden ist! Ganz allerliebste Landschaftsbildchen, die den Zauber holländischer
Szenerien und Stimmungen glücklich wiedergeben. Unsre Sammler werden nach beiden greisen,
nach dem einen wegen der Schönheit, nach dem andern wegen der Verrücktheit.
Rünstlerpostkarten

stisches von Koko Moser, was noch am ehesten der eigentlichen Postkarte entsprechen
kann. Alles in allem eine wirklich erfreuliche kleine Bildersammlung, die für die
liebe Jugend ein so billiges, hübsches und instruktives Sammelmaterial giebt, wie
es wohl nicht noch einmal vorhanden ist, und dafür gebührt Herrn Ackermann
besondrer Dank. Er könnte aber die ganze Sache vielleicht gelegentlich von der
Postkartenfessel befreien, da sie viel mehr wert ist, als dieser ganze Sport.

Und nun kommt das daran, womit ich mein zweites Album begonnen,
und was ich mir bis zuletzt aufgespart habe, das sich aber kein Sammler entgehen
lassen darf. Das ist die Sammlung von hundertfünfzig Karten — so viele habe
ich bis jetzt erhalten — aus dem Verlage von Philipp und Kramer in Wien.
Sezession! So wienerisch und so sezessionistisch wie möglich. Zum Teil sehr
simpel in der Technik, zum Teil brillant, zum Teil sehr geschmackvoll, wenn auch
wunderlich, zum Teil so albern, wie die Sezession nur sein kann. Aber das ganze
Arsenal der Sezessioniflen auf den kleinsten Raum zusammengedrängt. Man kann
bei vielem wirklich nicht anders sagen als! Famos! So macht es wirklich Spaß,
und mau fragt sich: Warum beschränkt sich die Sezession nicht auf Postkarten?
Da ist ihr Gebiet!

Dies bezieht sich hauptsächlich auf etwa die erste Hälfte; die neunte Serie
— Tierkarrikaturen — ist sehr Witz- und geschmacklos. Die achte und die fünf¬
zehnte enthalten Szenen von den österreichischen Alpenseen von A. Hlavacek und
von der Riviera von G. Holub, an sich ganz interessante und zum Teil nette
Blätter, die aber nnter dem rohen Dreifarbendruck leide».

Daß aber auch hier noch ein Übertrumpfen möglich war, zeigen die mit der
größten technischen Vollendung hergestellten beiden Sammlungen von zehn und zwölf
Blättern von Gerlach und Schenk in Wien. Wer die künstlerischen Urheber der
einzelnen Blätter sind, ist nicht angegeben; es kommt auch nichts darauf an, denn
eins ist so verrückt wie das andre, im schönsten Kalligraphenstil der Japaner.
Da sieht man überhaupt nicht mehr, was die Bilder darstellen sollen. Das ist
der Triumph der Sezession und der Postkarte. Und indem ich das anerkenne,
will ich meine Übersicht als abgeschlossen betrachten — ob mir etwas entgangen
z. G. ist, was der Aufzeichnung wert gewesen wäre, weiß ich nicht/')





Etwas kommt noch in der zwölften Stunde, das mein letztes Wort zu schänden macht!
Die Herren Dietrich und Komp. in Brüssel hatten eine Serie von zehn Karten von H, Mennier
mitgeschickt, japanisch sezessionistische kakelbunte ziemlich flache Franenhalbfignren, die weder durch
Originalität noch besondre Abscheulichkeit zur Erwähnung herausforderten. Jetzt lassen sie aber
die Probedrucke einer Serie Iiss Llvmonts x-rr (tuere (!?omdaü folgen, die so toll ist, das;
sie alles andre übertrifft, und das; man nur starr staunen kann. Japanische Schnörkel in den
knalligsten Farben mit schwer erkennbaren Tieren und Gegenständen im extravagantesten Orna-
mentcnstil, die die vier Elemente, vermutlich des Planeten Mars, versinnbildlichen sollen. Dem
gegenüber müssen sich die Japaner selbst geschlagen fühlen! Und dieselbe Firma schickt uns zugleich
eine Sammlung I>a Hollands xittorosqus, zwölf bunte Aanarcllc von Cassiers, die so fein
und zierlich sind, das; sie sich neben das Beste stellen können, was bei uns in Deutschland
bis jetzt gemacht worden ist! Ganz allerliebste Landschaftsbildchen, die den Zauber holländischer
Szenerien und Stimmungen glücklich wiedergeben. Unsre Sammler werden nach beiden greisen,
nach dem einen wegen der Schönheit, nach dem andern wegen der Verrücktheit.
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[0651] Rünstlerpostkarten stisches von Koko Moser, was noch am ehesten der eigentlichen Postkarte entsprechen kann. Alles in allem eine wirklich erfreuliche kleine Bildersammlung, die für die liebe Jugend ein so billiges, hübsches und instruktives Sammelmaterial giebt, wie es wohl nicht noch einmal vorhanden ist, und dafür gebührt Herrn Ackermann besondrer Dank. Er könnte aber die ganze Sache vielleicht gelegentlich von der Postkartenfessel befreien, da sie viel mehr wert ist, als dieser ganze Sport. Und nun kommt das daran, womit ich mein zweites Album begonnen, und was ich mir bis zuletzt aufgespart habe, das sich aber kein Sammler entgehen lassen darf. Das ist die Sammlung von hundertfünfzig Karten — so viele habe ich bis jetzt erhalten — aus dem Verlage von Philipp und Kramer in Wien. Sezession! So wienerisch und so sezessionistisch wie möglich. Zum Teil sehr simpel in der Technik, zum Teil brillant, zum Teil sehr geschmackvoll, wenn auch wunderlich, zum Teil so albern, wie die Sezession nur sein kann. Aber das ganze Arsenal der Sezessioniflen auf den kleinsten Raum zusammengedrängt. Man kann bei vielem wirklich nicht anders sagen als! Famos! So macht es wirklich Spaß, und mau fragt sich: Warum beschränkt sich die Sezession nicht auf Postkarten? Da ist ihr Gebiet! Dies bezieht sich hauptsächlich auf etwa die erste Hälfte; die neunte Serie — Tierkarrikaturen — ist sehr Witz- und geschmacklos. Die achte und die fünf¬ zehnte enthalten Szenen von den österreichischen Alpenseen von A. Hlavacek und von der Riviera von G. Holub, an sich ganz interessante und zum Teil nette Blätter, die aber nnter dem rohen Dreifarbendruck leide». Daß aber auch hier noch ein Übertrumpfen möglich war, zeigen die mit der größten technischen Vollendung hergestellten beiden Sammlungen von zehn und zwölf Blättern von Gerlach und Schenk in Wien. Wer die künstlerischen Urheber der einzelnen Blätter sind, ist nicht angegeben; es kommt auch nichts darauf an, denn eins ist so verrückt wie das andre, im schönsten Kalligraphenstil der Japaner. Da sieht man überhaupt nicht mehr, was die Bilder darstellen sollen. Das ist der Triumph der Sezession und der Postkarte. Und indem ich das anerkenne, will ich meine Übersicht als abgeschlossen betrachten — ob mir etwas entgangen z. G. ist, was der Aufzeichnung wert gewesen wäre, weiß ich nicht/') Etwas kommt noch in der zwölften Stunde, das mein letztes Wort zu schänden macht! Die Herren Dietrich und Komp. in Brüssel hatten eine Serie von zehn Karten von H, Mennier mitgeschickt, japanisch sezessionistische kakelbunte ziemlich flache Franenhalbfignren, die weder durch Originalität noch besondre Abscheulichkeit zur Erwähnung herausforderten. Jetzt lassen sie aber die Probedrucke einer Serie Iiss Llvmonts x-rr (tuere (!?omdaü folgen, die so toll ist, das; sie alles andre übertrifft, und das; man nur starr staunen kann. Japanische Schnörkel in den knalligsten Farben mit schwer erkennbaren Tieren und Gegenständen im extravagantesten Orna- mentcnstil, die die vier Elemente, vermutlich des Planeten Mars, versinnbildlichen sollen. Dem gegenüber müssen sich die Japaner selbst geschlagen fühlen! Und dieselbe Firma schickt uns zugleich eine Sammlung I>a Hollands xittorosqus, zwölf bunte Aanarcllc von Cassiers, die so fein und zierlich sind, das; sie sich neben das Beste stellen können, was bei uns in Deutschland bis jetzt gemacht worden ist! Ganz allerliebste Landschaftsbildchen, die den Zauber holländischer Szenerien und Stimmungen glücklich wiedergeben. Unsre Sammler werden nach beiden greisen, nach dem einen wegen der Schönheit, nach dem andern wegen der Verrücktheit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/651>, abgerufen am 27.12.2024.