Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.Friedrich der Große und England in England gegen Friedrichs Wunsch eine Abberufung Mitchells für nötig ge¬ Dorre hatte aber noch ein besonders feines Argument in pstto gehabt -- Dorre hat offenbar die Sache nun noch schlauer ansaugen wollen. War Grcnzlu'K'N N 1898 8
Friedrich der Große und England in England gegen Friedrichs Wunsch eine Abberufung Mitchells für nötig ge¬ Dorre hatte aber noch ein besonders feines Argument in pstto gehabt — Dorre hat offenbar die Sache nun noch schlauer ansaugen wollen. War Grcnzlu'K'N N 1898 8
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227701"/> <fw type="header" place="top"> Friedrich der Große und England</fw><lb/> <p xml:id="ID_157" prev="#ID_156"> in England gegen Friedrichs Wunsch eine Abberufung Mitchells für nötig ge¬<lb/> halten hatte; Jorkes Wirksamkeit war aber von kurzer Dauer, Mitchell kehrte<lb/> »och in demselben Jahre auf seinen Posten zurück. Friedrich kannte Uorles Ehr¬<lb/> geiz und seine manchmal hitzige Art aus jeuer Zeit. Auch die Andeutungen<lb/> Jorkes ließ der König jetzt, am 2>'!. September 1765, durch Thulemeier in<lb/> dem Sinne beantworten, wie er den Prinzen Ferdinand beschieden hatte, mit<lb/> dem Hinweis auf das Verhalten der Engländer beim letzten Friedensschluß.<lb/> Er ließ ihm weiter sagen: Man könne zwar mit einem englischen Ministerium<lb/> eine Allianz schließe», aber nicht mit der englischen Nation; denn sobald das<lb/> Ministerium eine Änderung erleide, würden die von ihm eingegangnen Ver¬<lb/> pflichtungen als nichtig und nicht geschehen angesehen, falls sie dein neuen<lb/> Ministerium nicht paßten. Und als Uorke, Thulemeier gegenüber, wieder auf<lb/> die Angelegenheit zurückkam, ließ ihm der König erwidern, am 10. Oktober<lb/> 1765: Korne man denn ans die Beständigkeit des jetzigen Ministeriums rechnen?<lb/> Was während des letzten Krieges geschehen sei, könne sich wiederholen, das<lb/> gute System könne gestürzt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_158"> Dorre hatte aber noch ein besonders feines Argument in pstto gehabt —<lb/> wir werden diesem Argument noch weiter begegnen. Er ließ nämlich durch¬<lb/> blicken, daß England sich ja wieder mit Osterreich verbünden könne. Es ging<lb/> Doree, wie es so vielen geschickten Diplomaten Friedrich gegenüber — nebenbei<lb/> gesagt, auch Bismarck gegenüber — gegangen ist: sie glaubten seine Schwäche<lb/> zu kennen, seine sanguinische Art wie seine Neigung zum Argwohn, darum<lb/> nahmen sie an, wenn man nur recht geschickt operire, dann sei auch er schlie߬<lb/> lich nur ein Mensch und lasse sich fangen. Die Schwäche Friedrichs sahen<lb/> seine Zeitgenossen in seinem schlechten Gewissen gegen Österreich; es gelte nur<lb/> seinen Argwohn gegen diesen seinen intimen Gegner zu erwecke», so müßte er<lb/> aus Vorsicht gegen den Feind thun, was er aus Neigung für den Freund<lb/> nicht thun wollte. Das mochte etwa auch der Gedankengang Dortes und der<lb/> englischen Minister gewesen sein. Aber Friedrich that ihnen nicht den Gefallen.<lb/> Die Annäherung Englands an Osterreich, so schrieb er kurz und bündig an<lb/> Thulemeier, ist unmöglich, denn die beiden Staaten haben im Augenblick gänzlich<lb/> entgegengesetzte Interessen.</p><lb/> <p xml:id="ID_159"> Dorre hat offenbar die Sache nun noch schlauer ansaugen wollen. War<lb/> es mit der Furcht vor Österreich allein nicht gethan, so gab es ja für Preußen<lb/> noch eine zarte Stelle, die Treue und Aufrichtigkeit Rußlands, des jetzigen<lb/> Bundesgenossen. Daß man die Russen immerzu streicheln mußte, um sie bei<lb/> guter Laune zu erhalten, hatte ja Friedrich in den anderthalb Jahren seines<lb/> Bündnisses mit ihnen schon genügend selbst erfahren; auch daß bei ihnen el»<lb/> leitender Grundsatz lautete: kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Und<lb/> so wußten die Zuschauer natürlich anch, wie ängstlich und eifersüchtig Friedrich<lb/> darüber wachte, daß ihm niemand die Gunst der nordischen Semiramis stehle.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grcnzlu'K'N N 1898 8</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
Friedrich der Große und England
in England gegen Friedrichs Wunsch eine Abberufung Mitchells für nötig ge¬
halten hatte; Jorkes Wirksamkeit war aber von kurzer Dauer, Mitchell kehrte
»och in demselben Jahre auf seinen Posten zurück. Friedrich kannte Uorles Ehr¬
geiz und seine manchmal hitzige Art aus jeuer Zeit. Auch die Andeutungen
Jorkes ließ der König jetzt, am 2>'!. September 1765, durch Thulemeier in
dem Sinne beantworten, wie er den Prinzen Ferdinand beschieden hatte, mit
dem Hinweis auf das Verhalten der Engländer beim letzten Friedensschluß.
Er ließ ihm weiter sagen: Man könne zwar mit einem englischen Ministerium
eine Allianz schließe», aber nicht mit der englischen Nation; denn sobald das
Ministerium eine Änderung erleide, würden die von ihm eingegangnen Ver¬
pflichtungen als nichtig und nicht geschehen angesehen, falls sie dein neuen
Ministerium nicht paßten. Und als Uorke, Thulemeier gegenüber, wieder auf
die Angelegenheit zurückkam, ließ ihm der König erwidern, am 10. Oktober
1765: Korne man denn ans die Beständigkeit des jetzigen Ministeriums rechnen?
Was während des letzten Krieges geschehen sei, könne sich wiederholen, das
gute System könne gestürzt werden.
Dorre hatte aber noch ein besonders feines Argument in pstto gehabt —
wir werden diesem Argument noch weiter begegnen. Er ließ nämlich durch¬
blicken, daß England sich ja wieder mit Osterreich verbünden könne. Es ging
Doree, wie es so vielen geschickten Diplomaten Friedrich gegenüber — nebenbei
gesagt, auch Bismarck gegenüber — gegangen ist: sie glaubten seine Schwäche
zu kennen, seine sanguinische Art wie seine Neigung zum Argwohn, darum
nahmen sie an, wenn man nur recht geschickt operire, dann sei auch er schlie߬
lich nur ein Mensch und lasse sich fangen. Die Schwäche Friedrichs sahen
seine Zeitgenossen in seinem schlechten Gewissen gegen Österreich; es gelte nur
seinen Argwohn gegen diesen seinen intimen Gegner zu erwecke», so müßte er
aus Vorsicht gegen den Feind thun, was er aus Neigung für den Freund
nicht thun wollte. Das mochte etwa auch der Gedankengang Dortes und der
englischen Minister gewesen sein. Aber Friedrich that ihnen nicht den Gefallen.
Die Annäherung Englands an Osterreich, so schrieb er kurz und bündig an
Thulemeier, ist unmöglich, denn die beiden Staaten haben im Augenblick gänzlich
entgegengesetzte Interessen.
Dorre hat offenbar die Sache nun noch schlauer ansaugen wollen. War
es mit der Furcht vor Österreich allein nicht gethan, so gab es ja für Preußen
noch eine zarte Stelle, die Treue und Aufrichtigkeit Rußlands, des jetzigen
Bundesgenossen. Daß man die Russen immerzu streicheln mußte, um sie bei
guter Laune zu erhalten, hatte ja Friedrich in den anderthalb Jahren seines
Bündnisses mit ihnen schon genügend selbst erfahren; auch daß bei ihnen el»
leitender Grundsatz lautete: kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Und
so wußten die Zuschauer natürlich anch, wie ängstlich und eifersüchtig Friedrich
darüber wachte, daß ihm niemand die Gunst der nordischen Semiramis stehle.
Grcnzlu'K'N N 1898 8
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