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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Ltwas über Transvaal und den "Anfall des I)r. Jameson

Auf dem öden baumlosen Rand entstand in zehn Jahren Johannesburg, eine
Stadt von mehr als 100000 Einwohnern mit langen Straßen, hohen Häusern,
Tramways, elektrischer Beleuchtung, großen Magazinen und allem modernen
Luxus. Dort entstanden oder vergrößerten sich auch noch andre Städte. Das
Eisenbahnnetz erweiterte sich immer mehr. Der "Jsraelit," Zeitung sür das
orthodoxe Judentum (Redakteur Rabbiner Lehmann in Mainz), zählte kürzlich
die Synagogen und jüdischen Bethüuser in Transvaal auf, wobei er erwähnte,
daß am Tage der Eröffnung der Eisenbahn nach Buluwayo im Matabeleland
dort eine große Synagoge eröffnet worden sei.

Die "Uitlaender," denen die Regierung die Erteilung des Bürgerrechts ver¬
weigert, und die also nicht in den Volksraad kommen können, erstreben schon
lange dieses Recht, auf das sie einen Anspruch zu haben behaupten, da sie es
seien, denen das Land all den ungeheuern Fortschritt, seine Industrie und
seinen Wohlstand zu verdanken habe, wogegen die Boers erwidern, daß die
Uitlacnder bis auf die oben benannten Millionäre ganz arm hingekommen
seien und aus ihren Goldminen ihr Vermögen erworben, alles, was sie be¬
säßen, also ihnen zu verdanken hätten. Die Uitlaender wollen den Volksraad
"verbessern," um "Reformen" durchzusetzen. Sie haben sich nämlich über
mancherlei zu beklagen. Den neuen Verwickeltern Verhältnissen waren die bis¬
herigen Organe der Verwaltung nicht gewachsen. Die Uitlaender wollten nun,
daß wegen ihrer überlegnen Intelligenz die erforderlichen Verwaltungsbeamten
aus ihnen genommen würden. Die Negierung hat das nicht gethan, sondern
Beamte aus Holland hingezogen, und diese haben nicht die Partei der
Uitlaender genommen, sondern die der Boers, die ja doch ihre Lands¬
leute sind.

Was ihre materiellen Beschwerden betrifft, so sieht man deutlich, daß
ihnen das Gesetz, wonach die Metalle Eigentum des Staates sind, ein Dorn
im Auge ist. Ihre ausgesprochnen, zum Teil auch in den Zeitungen erwähnten
Klagen sind folgende: Die oben erwähnte Taxe, die von den olaims zu zahlen
ist, ist überall dieselbe, ob der Goldertrag der oliüins hoch oder gering ist, ob
deren Lage günstig ist oder nicht, ob die Eisenbahn bis dorthin führt, oder ob
Kohlen, Maschinen, Holz, Lebensmittel mit Ochsenkarren hingebracht werden
müssen. Das sei eine Unbilligkeit. Die Taxe müsse je nach dem Goldgehalt
und nach diesen zu berücksichtigenden Umständen verhältnismäßig immer ver¬
schieden sein. Auch sei die Taxe für die erste Zeit, wo noch gar kein Ertrag
erzielt werde, viel zu hoch. Zudem sei die Regierung in Betreff des Baues
der Eisenbahnen von unglaublicher Langsamkeit. Der Präsident Krüger habe
einmal gesagt, er habe an einem Johannesburg genug und wolle nicht noch
ein zweites haben. Ferner: Der Gebrauch von Dynamik ist den Mineuren
unentbehrlich. Nun hat die Regierung einer holländischen Gesellschaft ein
Dynamitmonopol erteilt, und das Dynamik ist infolgedessen teurer als im


Ltwas über Transvaal und den «Anfall des I)r. Jameson

Auf dem öden baumlosen Rand entstand in zehn Jahren Johannesburg, eine
Stadt von mehr als 100000 Einwohnern mit langen Straßen, hohen Häusern,
Tramways, elektrischer Beleuchtung, großen Magazinen und allem modernen
Luxus. Dort entstanden oder vergrößerten sich auch noch andre Städte. Das
Eisenbahnnetz erweiterte sich immer mehr. Der „Jsraelit," Zeitung sür das
orthodoxe Judentum (Redakteur Rabbiner Lehmann in Mainz), zählte kürzlich
die Synagogen und jüdischen Bethüuser in Transvaal auf, wobei er erwähnte,
daß am Tage der Eröffnung der Eisenbahn nach Buluwayo im Matabeleland
dort eine große Synagoge eröffnet worden sei.

Die „Uitlaender," denen die Regierung die Erteilung des Bürgerrechts ver¬
weigert, und die also nicht in den Volksraad kommen können, erstreben schon
lange dieses Recht, auf das sie einen Anspruch zu haben behaupten, da sie es
seien, denen das Land all den ungeheuern Fortschritt, seine Industrie und
seinen Wohlstand zu verdanken habe, wogegen die Boers erwidern, daß die
Uitlacnder bis auf die oben benannten Millionäre ganz arm hingekommen
seien und aus ihren Goldminen ihr Vermögen erworben, alles, was sie be¬
säßen, also ihnen zu verdanken hätten. Die Uitlaender wollen den Volksraad
„verbessern," um „Reformen" durchzusetzen. Sie haben sich nämlich über
mancherlei zu beklagen. Den neuen Verwickeltern Verhältnissen waren die bis¬
herigen Organe der Verwaltung nicht gewachsen. Die Uitlaender wollten nun,
daß wegen ihrer überlegnen Intelligenz die erforderlichen Verwaltungsbeamten
aus ihnen genommen würden. Die Negierung hat das nicht gethan, sondern
Beamte aus Holland hingezogen, und diese haben nicht die Partei der
Uitlaender genommen, sondern die der Boers, die ja doch ihre Lands¬
leute sind.

Was ihre materiellen Beschwerden betrifft, so sieht man deutlich, daß
ihnen das Gesetz, wonach die Metalle Eigentum des Staates sind, ein Dorn
im Auge ist. Ihre ausgesprochnen, zum Teil auch in den Zeitungen erwähnten
Klagen sind folgende: Die oben erwähnte Taxe, die von den olaims zu zahlen
ist, ist überall dieselbe, ob der Goldertrag der oliüins hoch oder gering ist, ob
deren Lage günstig ist oder nicht, ob die Eisenbahn bis dorthin führt, oder ob
Kohlen, Maschinen, Holz, Lebensmittel mit Ochsenkarren hingebracht werden
müssen. Das sei eine Unbilligkeit. Die Taxe müsse je nach dem Goldgehalt
und nach diesen zu berücksichtigenden Umständen verhältnismäßig immer ver¬
schieden sein. Auch sei die Taxe für die erste Zeit, wo noch gar kein Ertrag
erzielt werde, viel zu hoch. Zudem sei die Regierung in Betreff des Baues
der Eisenbahnen von unglaublicher Langsamkeit. Der Präsident Krüger habe
einmal gesagt, er habe an einem Johannesburg genug und wolle nicht noch
ein zweites haben. Ferner: Der Gebrauch von Dynamik ist den Mineuren
unentbehrlich. Nun hat die Regierung einer holländischen Gesellschaft ein
Dynamitmonopol erteilt, und das Dynamik ist infolgedessen teurer als im


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[0636] Ltwas über Transvaal und den «Anfall des I)r. Jameson Auf dem öden baumlosen Rand entstand in zehn Jahren Johannesburg, eine Stadt von mehr als 100000 Einwohnern mit langen Straßen, hohen Häusern, Tramways, elektrischer Beleuchtung, großen Magazinen und allem modernen Luxus. Dort entstanden oder vergrößerten sich auch noch andre Städte. Das Eisenbahnnetz erweiterte sich immer mehr. Der „Jsraelit," Zeitung sür das orthodoxe Judentum (Redakteur Rabbiner Lehmann in Mainz), zählte kürzlich die Synagogen und jüdischen Bethüuser in Transvaal auf, wobei er erwähnte, daß am Tage der Eröffnung der Eisenbahn nach Buluwayo im Matabeleland dort eine große Synagoge eröffnet worden sei. Die „Uitlaender," denen die Regierung die Erteilung des Bürgerrechts ver¬ weigert, und die also nicht in den Volksraad kommen können, erstreben schon lange dieses Recht, auf das sie einen Anspruch zu haben behaupten, da sie es seien, denen das Land all den ungeheuern Fortschritt, seine Industrie und seinen Wohlstand zu verdanken habe, wogegen die Boers erwidern, daß die Uitlacnder bis auf die oben benannten Millionäre ganz arm hingekommen seien und aus ihren Goldminen ihr Vermögen erworben, alles, was sie be¬ säßen, also ihnen zu verdanken hätten. Die Uitlaender wollen den Volksraad „verbessern," um „Reformen" durchzusetzen. Sie haben sich nämlich über mancherlei zu beklagen. Den neuen Verwickeltern Verhältnissen waren die bis¬ herigen Organe der Verwaltung nicht gewachsen. Die Uitlaender wollten nun, daß wegen ihrer überlegnen Intelligenz die erforderlichen Verwaltungsbeamten aus ihnen genommen würden. Die Negierung hat das nicht gethan, sondern Beamte aus Holland hingezogen, und diese haben nicht die Partei der Uitlaender genommen, sondern die der Boers, die ja doch ihre Lands¬ leute sind. Was ihre materiellen Beschwerden betrifft, so sieht man deutlich, daß ihnen das Gesetz, wonach die Metalle Eigentum des Staates sind, ein Dorn im Auge ist. Ihre ausgesprochnen, zum Teil auch in den Zeitungen erwähnten Klagen sind folgende: Die oben erwähnte Taxe, die von den olaims zu zahlen ist, ist überall dieselbe, ob der Goldertrag der oliüins hoch oder gering ist, ob deren Lage günstig ist oder nicht, ob die Eisenbahn bis dorthin führt, oder ob Kohlen, Maschinen, Holz, Lebensmittel mit Ochsenkarren hingebracht werden müssen. Das sei eine Unbilligkeit. Die Taxe müsse je nach dem Goldgehalt und nach diesen zu berücksichtigenden Umständen verhältnismäßig immer ver¬ schieden sein. Auch sei die Taxe für die erste Zeit, wo noch gar kein Ertrag erzielt werde, viel zu hoch. Zudem sei die Regierung in Betreff des Baues der Eisenbahnen von unglaublicher Langsamkeit. Der Präsident Krüger habe einmal gesagt, er habe an einem Johannesburg genug und wolle nicht noch ein zweites haben. Ferner: Der Gebrauch von Dynamik ist den Mineuren unentbehrlich. Nun hat die Regierung einer holländischen Gesellschaft ein Dynamitmonopol erteilt, und das Dynamik ist infolgedessen teurer als im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/636>, abgerufen am 23.07.2024.