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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Der Aampf um die Vorherrschaft in Deutschland

dem schönen Schlosse des Fürsten Rohan, am 2. erreichte er, über das Schlacht¬
feld des 29. Juni fahrend, Gitschin, wo er im "Goldner Löwen" Quartier
nahm. In diesem bescheidnen Gasthofe wurden in der Nacht des 2. Juli die
entscheidenden Beschlüsse zur Schlacht bei Königgrätz gefaßt.

Die Schilderung der ungeheuern Schlacht, der größten des neunzehnten
Jahrhunderts, ist ein Glanzstück des Fricdjungschen Buches. Benedek war
von den preußischen Stellungen soweit unterrichtet, daß er sachgemäße An¬
ordnungen treffen konnte; gleichwohl erfuhr er von dem Anmärsche des Kron¬
prinzen nicht etwa durch seine eignen Nekognoszirungspatrouillen, sondern
durch ein Telegramm des Kommandanten von Josephstadt, das erst um einhalb
zwölf Uhr mittags eintraf, also um die Zeit, wo der Kronprinz schon von der
Höhe bei Choteborek aus die Feuerlinien der vor ihm tobenden Schlacht und
die berühmten Linden von Horschenjowes erblickte und wenige Minuten,
bevor elf Uhr vierzig Minuten der erste Kanonenschuß der Garden fiel. Nun
war es allerdings nicht Benedeks Schuld, daß sein rechter, dem Kronprinzen
zugewandter Flügel so schlecht gesichert war; das veranlaßte der Ungehorsam
zweier Korpsgenerale, der Grafen Festetics und Thun. Statt nämlich nach
Benedeks Weisung sich in der Teile zwischen Maslowjed und Nedjelischt ver¬
deckt aufzustellen, besetzten sie den nördlich vorliegenden Höhenzug von Horschen¬
jowes, um einen bessern Ausblick zu gewinnen, und ließen sich dann verleiten,
auf eigne Faust ihre Bataillone in den furchtbaren Kampf um den Swiep-
wald gegen die heldenmütige (achte) Division Fransecly zu werfen, wo sie sich
nutzlos verbluteten. Als Benedek ihnen endlich gegen Mittag bestimmt befahl,
zurückzugehen, thaten sie das nur zögernd und zu spät; ja Graf Thun führte
sein übel zugerichtetes zweites Korps sofort nach der Elbe zurück, ohne sich
weiter um die Schlacht zu kümmern. Dies Versäumnis hatte die weitere
Folge, daß die Brigade Appiano, von Horschenjowes her heftig beschossen,
das hochgelegne China, den Schlüssel der Stellung, fast ganz räumte. So
wurde der Einbruch der Garden in das österreichische Zentrum möglich.
Persönlich verantwortlich ist dagegen Benedek dafür, daß er von der gewal¬
tigen Reserve, die er im Zentrum bereit hielt, 47000 Mann Infanterie,
11400 Reiter und 320 Geschütze, nicht rechtzeitig Gebrauch machte, um sich
entweder vor dem Eintreffen des Kronprinzen mit Übermacht ans die ermattete
erste Armee zu werfen oder die Lücke im rechten Flügel auszufüllen. Von
dem ersten mag ihn die Befürchtung, durch ein Vordringen nach Westen seine
Rückzugsliuie zu gefährden, abgehalten haben, zum zweiten war es vermutlich
zu spät. Auch als das Verderben über ihn hereinbrach, that Benedek zwar
das Äußerste, um an einzelnen Punkten zu verzweifelten Gegenstößen zu
treiben, aber darüber versäumte er es, Anordnungen für den Rückzug zu
treffen. So trieben die Truppen, zwischen zwei feindliche Feuerlinien einge¬
preßt, in zunehmender Auflösung führerlos nach der Elbe.


Der Aampf um die Vorherrschaft in Deutschland

dem schönen Schlosse des Fürsten Rohan, am 2. erreichte er, über das Schlacht¬
feld des 29. Juni fahrend, Gitschin, wo er im „Goldner Löwen" Quartier
nahm. In diesem bescheidnen Gasthofe wurden in der Nacht des 2. Juli die
entscheidenden Beschlüsse zur Schlacht bei Königgrätz gefaßt.

Die Schilderung der ungeheuern Schlacht, der größten des neunzehnten
Jahrhunderts, ist ein Glanzstück des Fricdjungschen Buches. Benedek war
von den preußischen Stellungen soweit unterrichtet, daß er sachgemäße An¬
ordnungen treffen konnte; gleichwohl erfuhr er von dem Anmärsche des Kron¬
prinzen nicht etwa durch seine eignen Nekognoszirungspatrouillen, sondern
durch ein Telegramm des Kommandanten von Josephstadt, das erst um einhalb
zwölf Uhr mittags eintraf, also um die Zeit, wo der Kronprinz schon von der
Höhe bei Choteborek aus die Feuerlinien der vor ihm tobenden Schlacht und
die berühmten Linden von Horschenjowes erblickte und wenige Minuten,
bevor elf Uhr vierzig Minuten der erste Kanonenschuß der Garden fiel. Nun
war es allerdings nicht Benedeks Schuld, daß sein rechter, dem Kronprinzen
zugewandter Flügel so schlecht gesichert war; das veranlaßte der Ungehorsam
zweier Korpsgenerale, der Grafen Festetics und Thun. Statt nämlich nach
Benedeks Weisung sich in der Teile zwischen Maslowjed und Nedjelischt ver¬
deckt aufzustellen, besetzten sie den nördlich vorliegenden Höhenzug von Horschen¬
jowes, um einen bessern Ausblick zu gewinnen, und ließen sich dann verleiten,
auf eigne Faust ihre Bataillone in den furchtbaren Kampf um den Swiep-
wald gegen die heldenmütige (achte) Division Fransecly zu werfen, wo sie sich
nutzlos verbluteten. Als Benedek ihnen endlich gegen Mittag bestimmt befahl,
zurückzugehen, thaten sie das nur zögernd und zu spät; ja Graf Thun führte
sein übel zugerichtetes zweites Korps sofort nach der Elbe zurück, ohne sich
weiter um die Schlacht zu kümmern. Dies Versäumnis hatte die weitere
Folge, daß die Brigade Appiano, von Horschenjowes her heftig beschossen,
das hochgelegne China, den Schlüssel der Stellung, fast ganz räumte. So
wurde der Einbruch der Garden in das österreichische Zentrum möglich.
Persönlich verantwortlich ist dagegen Benedek dafür, daß er von der gewal¬
tigen Reserve, die er im Zentrum bereit hielt, 47000 Mann Infanterie,
11400 Reiter und 320 Geschütze, nicht rechtzeitig Gebrauch machte, um sich
entweder vor dem Eintreffen des Kronprinzen mit Übermacht ans die ermattete
erste Armee zu werfen oder die Lücke im rechten Flügel auszufüllen. Von
dem ersten mag ihn die Befürchtung, durch ein Vordringen nach Westen seine
Rückzugsliuie zu gefährden, abgehalten haben, zum zweiten war es vermutlich
zu spät. Auch als das Verderben über ihn hereinbrach, that Benedek zwar
das Äußerste, um an einzelnen Punkten zu verzweifelten Gegenstößen zu
treiben, aber darüber versäumte er es, Anordnungen für den Rückzug zu
treffen. So trieben die Truppen, zwischen zwei feindliche Feuerlinien einge¬
preßt, in zunehmender Auflösung führerlos nach der Elbe.


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[0619] Der Aampf um die Vorherrschaft in Deutschland dem schönen Schlosse des Fürsten Rohan, am 2. erreichte er, über das Schlacht¬ feld des 29. Juni fahrend, Gitschin, wo er im „Goldner Löwen" Quartier nahm. In diesem bescheidnen Gasthofe wurden in der Nacht des 2. Juli die entscheidenden Beschlüsse zur Schlacht bei Königgrätz gefaßt. Die Schilderung der ungeheuern Schlacht, der größten des neunzehnten Jahrhunderts, ist ein Glanzstück des Fricdjungschen Buches. Benedek war von den preußischen Stellungen soweit unterrichtet, daß er sachgemäße An¬ ordnungen treffen konnte; gleichwohl erfuhr er von dem Anmärsche des Kron¬ prinzen nicht etwa durch seine eignen Nekognoszirungspatrouillen, sondern durch ein Telegramm des Kommandanten von Josephstadt, das erst um einhalb zwölf Uhr mittags eintraf, also um die Zeit, wo der Kronprinz schon von der Höhe bei Choteborek aus die Feuerlinien der vor ihm tobenden Schlacht und die berühmten Linden von Horschenjowes erblickte und wenige Minuten, bevor elf Uhr vierzig Minuten der erste Kanonenschuß der Garden fiel. Nun war es allerdings nicht Benedeks Schuld, daß sein rechter, dem Kronprinzen zugewandter Flügel so schlecht gesichert war; das veranlaßte der Ungehorsam zweier Korpsgenerale, der Grafen Festetics und Thun. Statt nämlich nach Benedeks Weisung sich in der Teile zwischen Maslowjed und Nedjelischt ver¬ deckt aufzustellen, besetzten sie den nördlich vorliegenden Höhenzug von Horschen¬ jowes, um einen bessern Ausblick zu gewinnen, und ließen sich dann verleiten, auf eigne Faust ihre Bataillone in den furchtbaren Kampf um den Swiep- wald gegen die heldenmütige (achte) Division Fransecly zu werfen, wo sie sich nutzlos verbluteten. Als Benedek ihnen endlich gegen Mittag bestimmt befahl, zurückzugehen, thaten sie das nur zögernd und zu spät; ja Graf Thun führte sein übel zugerichtetes zweites Korps sofort nach der Elbe zurück, ohne sich weiter um die Schlacht zu kümmern. Dies Versäumnis hatte die weitere Folge, daß die Brigade Appiano, von Horschenjowes her heftig beschossen, das hochgelegne China, den Schlüssel der Stellung, fast ganz räumte. So wurde der Einbruch der Garden in das österreichische Zentrum möglich. Persönlich verantwortlich ist dagegen Benedek dafür, daß er von der gewal¬ tigen Reserve, die er im Zentrum bereit hielt, 47000 Mann Infanterie, 11400 Reiter und 320 Geschütze, nicht rechtzeitig Gebrauch machte, um sich entweder vor dem Eintreffen des Kronprinzen mit Übermacht ans die ermattete erste Armee zu werfen oder die Lücke im rechten Flügel auszufüllen. Von dem ersten mag ihn die Befürchtung, durch ein Vordringen nach Westen seine Rückzugsliuie zu gefährden, abgehalten haben, zum zweiten war es vermutlich zu spät. Auch als das Verderben über ihn hereinbrach, that Benedek zwar das Äußerste, um an einzelnen Punkten zu verzweifelten Gegenstößen zu treiben, aber darüber versäumte er es, Anordnungen für den Rückzug zu treffen. So trieben die Truppen, zwischen zwei feindliche Feuerlinien einge¬ preßt, in zunehmender Auflösung führerlos nach der Elbe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/619>, abgerufen am 27.12.2024.