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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Offiziere des Beurlaubtenstandes

icht nur die maßgebenden militärischen Kreise, sondern auch die
Volksvertretung und die Presse beschäftigen sich immer wieder
mit der Frage, ob die Vorbildung der Offiziere des Veurlaubten-
standes genügend sei, und wie der vielfach auftretenden Unsicher¬
heit im Dienst abgeholfen werden könne. Es erscheint daher bei
der Erörterung dieser Frage ein kurzer geschichtlicher Rückblick erwünscht.

Als eine erste bindende Vorschrift über die Ergänzung der Offiziere darf
die von Friedrich Wilhelm III. unter dem 21. November 1815 erlassene Land¬
wehrordnung angesehen werden, die sich an die im Gesetz vom 3. September
1814 für die Landwehr gegebnen Bestimmungen anschließt. Nach Z 32 der
Landwehrordnung soll jeder abgehende Offizier in der Art ersetzt werden,
daß die Behörde und der Ausschuß eines Kreises, in dessen Bezirk der Offizier
abgegangen ist, drei Kandidaten vorschlagen, aus denen sich das Offizierkorps
des betreffenden Landwehrregiments einen auswählt. Nach 8 33 kommen hierfür
in Betracht: 1. die im Kreise angesessenen verabschiedeten Offiziere; 2. frei¬
willige Jäger, die bei ihrer Entlassung das Zeugnis der Befähigung zum
Offizier erhalten haben; 3. Unteroffiziere, sofern sie freie Grundeigentümer sind.
4. Eingesessene des Kreises mit einem Vermögen von zehntausend Thalern.
Eine Kabinettsordre vom 22. Mai 1818 bestimmt: "Es ist hauptsächlich daraus
zu achten, daß nur solche Individuen zur Würde eines Landwehrvffiziers ge¬
langen, die nicht allein die in der Landwehrordnung vorgeschriebnen militärischen
und staatsbürgerlichen Eigenschaften besitzen, sondern die auch durch ihr
moralisches Benehmen sich die Achtung ihrer Mitbürger erworben haben, da
es Mein ernster Wille ist, daß jedes Offizierkorps der Landwehr aus den ge-
achtetsten Männern seines Bezirks gebildet und fortdauernd erhalten werde."
Erst eine Kabinettsordre vom 10. März 1323 bestimmt die Militärbehörden
zur Mitwirkung, indem das Vorschlagsrecht auf die stündigen Mitglieder der
Kreisersatzkommission (Landwehrbataillonskommandeur und Landrat) übergehen
sollte. Endlich ordnete eine Verfügung des Kriegsministeriums vom 4. Mürz
1853 an, daß die Offizieraspiranten nicht eher zu Vizefeldwebeln ernannt werden
dürften, als bis sie bei einer Übung ihre dienstliche Qualifikation entschieden
nachgewiesen hätten. Mit dieser Verfügung wurde die Mitwirkung der Zivil-




Die Offiziere des Beurlaubtenstandes

icht nur die maßgebenden militärischen Kreise, sondern auch die
Volksvertretung und die Presse beschäftigen sich immer wieder
mit der Frage, ob die Vorbildung der Offiziere des Veurlaubten-
standes genügend sei, und wie der vielfach auftretenden Unsicher¬
heit im Dienst abgeholfen werden könne. Es erscheint daher bei
der Erörterung dieser Frage ein kurzer geschichtlicher Rückblick erwünscht.

Als eine erste bindende Vorschrift über die Ergänzung der Offiziere darf
die von Friedrich Wilhelm III. unter dem 21. November 1815 erlassene Land¬
wehrordnung angesehen werden, die sich an die im Gesetz vom 3. September
1814 für die Landwehr gegebnen Bestimmungen anschließt. Nach Z 32 der
Landwehrordnung soll jeder abgehende Offizier in der Art ersetzt werden,
daß die Behörde und der Ausschuß eines Kreises, in dessen Bezirk der Offizier
abgegangen ist, drei Kandidaten vorschlagen, aus denen sich das Offizierkorps
des betreffenden Landwehrregiments einen auswählt. Nach 8 33 kommen hierfür
in Betracht: 1. die im Kreise angesessenen verabschiedeten Offiziere; 2. frei¬
willige Jäger, die bei ihrer Entlassung das Zeugnis der Befähigung zum
Offizier erhalten haben; 3. Unteroffiziere, sofern sie freie Grundeigentümer sind.
4. Eingesessene des Kreises mit einem Vermögen von zehntausend Thalern.
Eine Kabinettsordre vom 22. Mai 1818 bestimmt: „Es ist hauptsächlich daraus
zu achten, daß nur solche Individuen zur Würde eines Landwehrvffiziers ge¬
langen, die nicht allein die in der Landwehrordnung vorgeschriebnen militärischen
und staatsbürgerlichen Eigenschaften besitzen, sondern die auch durch ihr
moralisches Benehmen sich die Achtung ihrer Mitbürger erworben haben, da
es Mein ernster Wille ist, daß jedes Offizierkorps der Landwehr aus den ge-
achtetsten Männern seines Bezirks gebildet und fortdauernd erhalten werde."
Erst eine Kabinettsordre vom 10. März 1323 bestimmt die Militärbehörden
zur Mitwirkung, indem das Vorschlagsrecht auf die stündigen Mitglieder der
Kreisersatzkommission (Landwehrbataillonskommandeur und Landrat) übergehen
sollte. Endlich ordnete eine Verfügung des Kriegsministeriums vom 4. Mürz
1853 an, daß die Offizieraspiranten nicht eher zu Vizefeldwebeln ernannt werden
dürften, als bis sie bei einer Übung ihre dienstliche Qualifikation entschieden
nachgewiesen hätten. Mit dieser Verfügung wurde die Mitwirkung der Zivil-


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[0572] [Abbildung] Die Offiziere des Beurlaubtenstandes icht nur die maßgebenden militärischen Kreise, sondern auch die Volksvertretung und die Presse beschäftigen sich immer wieder mit der Frage, ob die Vorbildung der Offiziere des Veurlaubten- standes genügend sei, und wie der vielfach auftretenden Unsicher¬ heit im Dienst abgeholfen werden könne. Es erscheint daher bei der Erörterung dieser Frage ein kurzer geschichtlicher Rückblick erwünscht. Als eine erste bindende Vorschrift über die Ergänzung der Offiziere darf die von Friedrich Wilhelm III. unter dem 21. November 1815 erlassene Land¬ wehrordnung angesehen werden, die sich an die im Gesetz vom 3. September 1814 für die Landwehr gegebnen Bestimmungen anschließt. Nach Z 32 der Landwehrordnung soll jeder abgehende Offizier in der Art ersetzt werden, daß die Behörde und der Ausschuß eines Kreises, in dessen Bezirk der Offizier abgegangen ist, drei Kandidaten vorschlagen, aus denen sich das Offizierkorps des betreffenden Landwehrregiments einen auswählt. Nach 8 33 kommen hierfür in Betracht: 1. die im Kreise angesessenen verabschiedeten Offiziere; 2. frei¬ willige Jäger, die bei ihrer Entlassung das Zeugnis der Befähigung zum Offizier erhalten haben; 3. Unteroffiziere, sofern sie freie Grundeigentümer sind. 4. Eingesessene des Kreises mit einem Vermögen von zehntausend Thalern. Eine Kabinettsordre vom 22. Mai 1818 bestimmt: „Es ist hauptsächlich daraus zu achten, daß nur solche Individuen zur Würde eines Landwehrvffiziers ge¬ langen, die nicht allein die in der Landwehrordnung vorgeschriebnen militärischen und staatsbürgerlichen Eigenschaften besitzen, sondern die auch durch ihr moralisches Benehmen sich die Achtung ihrer Mitbürger erworben haben, da es Mein ernster Wille ist, daß jedes Offizierkorps der Landwehr aus den ge- achtetsten Männern seines Bezirks gebildet und fortdauernd erhalten werde." Erst eine Kabinettsordre vom 10. März 1323 bestimmt die Militärbehörden zur Mitwirkung, indem das Vorschlagsrecht auf die stündigen Mitglieder der Kreisersatzkommission (Landwehrbataillonskommandeur und Landrat) übergehen sollte. Endlich ordnete eine Verfügung des Kriegsministeriums vom 4. Mürz 1853 an, daß die Offizieraspiranten nicht eher zu Vizefeldwebeln ernannt werden dürften, als bis sie bei einer Übung ihre dienstliche Qualifikation entschieden nachgewiesen hätten. Mit dieser Verfügung wurde die Mitwirkung der Zivil-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/572>, abgerufen am 23.07.2024.