Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Annahme des Flottengesetzes

in 28. März 1849 wählte die Nationalversammlung in Frank¬
furt kraft der Souveränität, die sie sich selbst zuschrieb, den
König Friedrich Wilhelm IV. zum "Kaiser der Deutschen." Er
lehnte die Krone ab und brachte damit die ganze so hoffnungs¬
reich begonnene Einheitsbewegung zum Scheitern. Fast fünfzig
Jahre später, am 28. März 1898, hat der verfassungsmäßige deutsche Reichstag
das ihm von der Negierung des Deutschen Kaisers vorgelegte Gesetz über die
Neugründuug der deutschen Kriegsflotte -- denn eine solche ist es so gut,
wie die preußische Heeresreorganisatiou Wilhelms I. eine Neugründung des
Heeres war -- in dritter Lesung endgiltig angenommen. Ein merkwürdiges
Zusammentreffen der Tage, und eine merkwürdige Parallele! Selbst der ver¬
härmtste Pessimist wird nicht leugnen können, daß das nationale Leben seit
1848 ungeheure Fortschritte gemacht hat. Vor fünfzig Jahren rang das
putsche Volk noch um die Grundlagen seiner nativnalstaatlichen Existenz, und
w dem Augenblicke, wo seiue Vertreter seit 57 Jahren zum erstenmale wieder
einen Kaiser kürten, waren sie thatsächlich weiter von der Erfüllung ihrer
Wünsche entfernt als am Anfange der ganzen Bewegung. Heikle ist nicht nur
der deutsche Nationalstaat unter dem Kaisertum der Hohenzollern fast seit drei
Jahrzehnten eine Thatsache, sondern das Reich ist auch in die Reihe der Welt-
Mächte eingetreten und schickt sich mit ruhiger Energie an, seinen Anteil an
der Weltherrschaft zu behaupten. Damals drohte England in frechem Hoch¬
mut, die schwarzrotgoldne Flagge der deutschen Kriegsschiffe als eine See-
räuberflagge zu behandeln; heilte begrüßen die rim"ZL Deutschland als eine
der Seegrvßmächte, und unsre Flagge, die in ihrem Schwarzweißrot die Farbe"


Grmzlwte" II I8W ?


Die Annahme des Flottengesetzes

in 28. März 1849 wählte die Nationalversammlung in Frank¬
furt kraft der Souveränität, die sie sich selbst zuschrieb, den
König Friedrich Wilhelm IV. zum „Kaiser der Deutschen." Er
lehnte die Krone ab und brachte damit die ganze so hoffnungs¬
reich begonnene Einheitsbewegung zum Scheitern. Fast fünfzig
Jahre später, am 28. März 1898, hat der verfassungsmäßige deutsche Reichstag
das ihm von der Negierung des Deutschen Kaisers vorgelegte Gesetz über die
Neugründuug der deutschen Kriegsflotte — denn eine solche ist es so gut,
wie die preußische Heeresreorganisatiou Wilhelms I. eine Neugründung des
Heeres war — in dritter Lesung endgiltig angenommen. Ein merkwürdiges
Zusammentreffen der Tage, und eine merkwürdige Parallele! Selbst der ver¬
härmtste Pessimist wird nicht leugnen können, daß das nationale Leben seit
1848 ungeheure Fortschritte gemacht hat. Vor fünfzig Jahren rang das
putsche Volk noch um die Grundlagen seiner nativnalstaatlichen Existenz, und
w dem Augenblicke, wo seiue Vertreter seit 57 Jahren zum erstenmale wieder
einen Kaiser kürten, waren sie thatsächlich weiter von der Erfüllung ihrer
Wünsche entfernt als am Anfange der ganzen Bewegung. Heikle ist nicht nur
der deutsche Nationalstaat unter dem Kaisertum der Hohenzollern fast seit drei
Jahrzehnten eine Thatsache, sondern das Reich ist auch in die Reihe der Welt-
Mächte eingetreten und schickt sich mit ruhiger Energie an, seinen Anteil an
der Weltherrschaft zu behaupten. Damals drohte England in frechem Hoch¬
mut, die schwarzrotgoldne Flagge der deutschen Kriegsschiffe als eine See-
räuberflagge zu behandeln; heilte begrüßen die rim«ZL Deutschland als eine
der Seegrvßmächte, und unsre Flagge, die in ihrem Schwarzweißrot die Farbe»


Grmzlwte» II I8W ?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227693"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341867_227635/figures/grenzboten_341867_227635_227693_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Annahme des Flottengesetzes</head><lb/>
          <p xml:id="ID_133" next="#ID_134"> in 28. März 1849 wählte die Nationalversammlung in Frank¬<lb/>
furt kraft der Souveränität, die sie sich selbst zuschrieb, den<lb/>
König Friedrich Wilhelm IV. zum &#x201E;Kaiser der Deutschen." Er<lb/>
lehnte die Krone ab und brachte damit die ganze so hoffnungs¬<lb/>
reich begonnene Einheitsbewegung zum Scheitern. Fast fünfzig<lb/>
Jahre später, am 28. März 1898, hat der verfassungsmäßige deutsche Reichstag<lb/>
das ihm von der Negierung des Deutschen Kaisers vorgelegte Gesetz über die<lb/>
Neugründuug der deutschen Kriegsflotte &#x2014; denn eine solche ist es so gut,<lb/>
wie die preußische Heeresreorganisatiou Wilhelms I. eine Neugründung des<lb/>
Heeres war &#x2014; in dritter Lesung endgiltig angenommen. Ein merkwürdiges<lb/>
Zusammentreffen der Tage, und eine merkwürdige Parallele! Selbst der ver¬<lb/>
härmtste Pessimist wird nicht leugnen können, daß das nationale Leben seit<lb/>
1848 ungeheure Fortschritte gemacht hat. Vor fünfzig Jahren rang das<lb/>
putsche Volk noch um die Grundlagen seiner nativnalstaatlichen Existenz, und<lb/>
w dem Augenblicke, wo seiue Vertreter seit 57 Jahren zum erstenmale wieder<lb/>
einen Kaiser kürten, waren sie thatsächlich weiter von der Erfüllung ihrer<lb/>
Wünsche entfernt als am Anfange der ganzen Bewegung. Heikle ist nicht nur<lb/>
der deutsche Nationalstaat unter dem Kaisertum der Hohenzollern fast seit drei<lb/>
Jahrzehnten eine Thatsache, sondern das Reich ist auch in die Reihe der Welt-<lb/>
Mächte eingetreten und schickt sich mit ruhiger Energie an, seinen Anteil an<lb/>
der Weltherrschaft zu behaupten. Damals drohte England in frechem Hoch¬<lb/>
mut, die schwarzrotgoldne Flagge der deutschen Kriegsschiffe als eine See-<lb/>
räuberflagge zu behandeln; heilte begrüßen die rim«ZL Deutschland als eine<lb/>
der Seegrvßmächte, und unsre Flagge, die in ihrem Schwarzweißrot die Farbe»</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grmzlwte» II I8W ?</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0057] [Abbildung] Die Annahme des Flottengesetzes in 28. März 1849 wählte die Nationalversammlung in Frank¬ furt kraft der Souveränität, die sie sich selbst zuschrieb, den König Friedrich Wilhelm IV. zum „Kaiser der Deutschen." Er lehnte die Krone ab und brachte damit die ganze so hoffnungs¬ reich begonnene Einheitsbewegung zum Scheitern. Fast fünfzig Jahre später, am 28. März 1898, hat der verfassungsmäßige deutsche Reichstag das ihm von der Negierung des Deutschen Kaisers vorgelegte Gesetz über die Neugründuug der deutschen Kriegsflotte — denn eine solche ist es so gut, wie die preußische Heeresreorganisatiou Wilhelms I. eine Neugründung des Heeres war — in dritter Lesung endgiltig angenommen. Ein merkwürdiges Zusammentreffen der Tage, und eine merkwürdige Parallele! Selbst der ver¬ härmtste Pessimist wird nicht leugnen können, daß das nationale Leben seit 1848 ungeheure Fortschritte gemacht hat. Vor fünfzig Jahren rang das putsche Volk noch um die Grundlagen seiner nativnalstaatlichen Existenz, und w dem Augenblicke, wo seiue Vertreter seit 57 Jahren zum erstenmale wieder einen Kaiser kürten, waren sie thatsächlich weiter von der Erfüllung ihrer Wünsche entfernt als am Anfange der ganzen Bewegung. Heikle ist nicht nur der deutsche Nationalstaat unter dem Kaisertum der Hohenzollern fast seit drei Jahrzehnten eine Thatsache, sondern das Reich ist auch in die Reihe der Welt- Mächte eingetreten und schickt sich mit ruhiger Energie an, seinen Anteil an der Weltherrschaft zu behaupten. Damals drohte England in frechem Hoch¬ mut, die schwarzrotgoldne Flagge der deutschen Kriegsschiffe als eine See- räuberflagge zu behandeln; heilte begrüßen die rim«ZL Deutschland als eine der Seegrvßmächte, und unsre Flagge, die in ihrem Schwarzweißrot die Farbe» Grmzlwte» II I8W ?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/57
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/57>, abgerufen am 27.12.2024.