Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Delagoabucht und Samoa

war, so kann man es Portugal nicht verdenken, wenn es in Mozambique dem
deutschen Beispiel folgt. Freilich Deutschland hat die Kraft, das englische
Kapital politisch in Schach zu halten, aber Portugal ist wehrlos, wenn Eng¬
land dem Kapital den politischen Einfluß und die politische Angliederung
folgen läßt. Die Thatsache steht fest, daß der portugiesische Gouverneur in
London über die Beteiligung englischen Kapitals verhandelt hat, während er
in Berlin nur einen Höflichkeitsbesuch abstattete. Das deutsche Kapital rührte
sich nicht, und in Südafrika geberdet es sich sogar englünderfreundlich und
antinational. Und die Reichsregierung blieb müßig, während die Begünstigung
der chinesischen Anleihe doch weniger wichtig war, als die Finanzirung der
wirtschaftlichen Ausbeutung des Küstenlandes der Delagoabucht. Die politische
Wirkung des Telegramms an Krüger muß sich bei dieser Unthätigkeit ver¬
flüchtige", da die unverschleierte englische Absicht gar nicht bezweifelt
werden kann.

Die Festsetzung englischer Monopolgesellschaften in Mozambique bedeutet
die Erdrosselung der Boerenstaciten, die ohne eignen oder befreundeten Hafen
von England in unabsehbarer Zeit einfach erdrückt werden müssen. Leider
findet die Voerenfrage an amtlicher Stelle in Berlin überhaupt nur wenig
Verständnis; am wenigsten aber in nationaler Hinsicht, während gerade, dieses
Interesse ausschlaggebend sein müßte. Bezeichnend ist die Behandlung des
großen Boerentrecks nach Nordwesten in unser dortiges Schutzgebiet. Der
niederdeutsche Zug war fünftausend Köpfe stark, ein hervorragender Zuwachs
an nationaler Bevölkerung für das menschenarme Land. Aber die kleinliche
Büreaukratie in Berlin und die militärische Beschränktheit im Schutzgebiet
fürchtete den Freiheitssinn der ungebundnen niederdeutschen Viehbauern und
verschloß ihnen das Schutzgebiet, sodaß sie sich mehr tropenwärts in die portu¬
giesische Kolonie Mossamedes wandten. Wir selbst werden des Schutzgebiets
nicht Herr, obgleich tausend deutsche Reiter dort stehen, und weisen doch
deutsche Bauern von den Grenzen, weil sie, während sie bereit gewesen wären,
die Oberhoheit des Reichs anzuerkennen, Selbstverwaltung sür sich fordern
und nicht wehrpflichtig werden wollen. Den entarteten Hottentotten lassen
wir ihre patriarchalische Stammesversassung und die Waffen zum Aufruhr
gegen die deutsche Herrschaft, die uns stammverwandten Boeren aber sollen
mit kleinlichen Polizeiverordnungen regiert werden und womöglich trotz fremder
Staatsangehörigkeit Kriegsdienste leisten. Warum haben wir dieses Ansinnen
nicht an die englischen Händler gestellt, die als Agenten des kaplündischen
Premierministers Cecil Rhodes Gewehre und Munition in das Land schmug¬
gelten? Warum wurden sie mit Sammethandschuhen angefaßt? Bei tausend
Mann Besatzung brauchen wir keine Kriegshilfe der Boeren, die aber im
Kriegsfalle freiwillig und mit Freuden gegen Farbige und Engländer ihre töt-
lichen Büchsen gebrauchen würden. Mit Recht klagen die deutschen Kaufleute


Die Delagoabucht und Samoa

war, so kann man es Portugal nicht verdenken, wenn es in Mozambique dem
deutschen Beispiel folgt. Freilich Deutschland hat die Kraft, das englische
Kapital politisch in Schach zu halten, aber Portugal ist wehrlos, wenn Eng¬
land dem Kapital den politischen Einfluß und die politische Angliederung
folgen läßt. Die Thatsache steht fest, daß der portugiesische Gouverneur in
London über die Beteiligung englischen Kapitals verhandelt hat, während er
in Berlin nur einen Höflichkeitsbesuch abstattete. Das deutsche Kapital rührte
sich nicht, und in Südafrika geberdet es sich sogar englünderfreundlich und
antinational. Und die Reichsregierung blieb müßig, während die Begünstigung
der chinesischen Anleihe doch weniger wichtig war, als die Finanzirung der
wirtschaftlichen Ausbeutung des Küstenlandes der Delagoabucht. Die politische
Wirkung des Telegramms an Krüger muß sich bei dieser Unthätigkeit ver¬
flüchtige», da die unverschleierte englische Absicht gar nicht bezweifelt
werden kann.

Die Festsetzung englischer Monopolgesellschaften in Mozambique bedeutet
die Erdrosselung der Boerenstaciten, die ohne eignen oder befreundeten Hafen
von England in unabsehbarer Zeit einfach erdrückt werden müssen. Leider
findet die Voerenfrage an amtlicher Stelle in Berlin überhaupt nur wenig
Verständnis; am wenigsten aber in nationaler Hinsicht, während gerade, dieses
Interesse ausschlaggebend sein müßte. Bezeichnend ist die Behandlung des
großen Boerentrecks nach Nordwesten in unser dortiges Schutzgebiet. Der
niederdeutsche Zug war fünftausend Köpfe stark, ein hervorragender Zuwachs
an nationaler Bevölkerung für das menschenarme Land. Aber die kleinliche
Büreaukratie in Berlin und die militärische Beschränktheit im Schutzgebiet
fürchtete den Freiheitssinn der ungebundnen niederdeutschen Viehbauern und
verschloß ihnen das Schutzgebiet, sodaß sie sich mehr tropenwärts in die portu¬
giesische Kolonie Mossamedes wandten. Wir selbst werden des Schutzgebiets
nicht Herr, obgleich tausend deutsche Reiter dort stehen, und weisen doch
deutsche Bauern von den Grenzen, weil sie, während sie bereit gewesen wären,
die Oberhoheit des Reichs anzuerkennen, Selbstverwaltung sür sich fordern
und nicht wehrpflichtig werden wollen. Den entarteten Hottentotten lassen
wir ihre patriarchalische Stammesversassung und die Waffen zum Aufruhr
gegen die deutsche Herrschaft, die uns stammverwandten Boeren aber sollen
mit kleinlichen Polizeiverordnungen regiert werden und womöglich trotz fremder
Staatsangehörigkeit Kriegsdienste leisten. Warum haben wir dieses Ansinnen
nicht an die englischen Händler gestellt, die als Agenten des kaplündischen
Premierministers Cecil Rhodes Gewehre und Munition in das Land schmug¬
gelten? Warum wurden sie mit Sammethandschuhen angefaßt? Bei tausend
Mann Besatzung brauchen wir keine Kriegshilfe der Boeren, die aber im
Kriegsfalle freiwillig und mit Freuden gegen Farbige und Engländer ihre töt-
lichen Büchsen gebrauchen würden. Mit Recht klagen die deutschen Kaufleute


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0527" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228163"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Delagoabucht und Samoa</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1434" prev="#ID_1433"> war, so kann man es Portugal nicht verdenken, wenn es in Mozambique dem<lb/>
deutschen Beispiel folgt. Freilich Deutschland hat die Kraft, das englische<lb/>
Kapital politisch in Schach zu halten, aber Portugal ist wehrlos, wenn Eng¬<lb/>
land dem Kapital den politischen Einfluß und die politische Angliederung<lb/>
folgen läßt. Die Thatsache steht fest, daß der portugiesische Gouverneur in<lb/>
London über die Beteiligung englischen Kapitals verhandelt hat, während er<lb/>
in Berlin nur einen Höflichkeitsbesuch abstattete. Das deutsche Kapital rührte<lb/>
sich nicht, und in Südafrika geberdet es sich sogar englünderfreundlich und<lb/>
antinational. Und die Reichsregierung blieb müßig, während die Begünstigung<lb/>
der chinesischen Anleihe doch weniger wichtig war, als die Finanzirung der<lb/>
wirtschaftlichen Ausbeutung des Küstenlandes der Delagoabucht. Die politische<lb/>
Wirkung des Telegramms an Krüger muß sich bei dieser Unthätigkeit ver¬<lb/>
flüchtige», da die unverschleierte englische Absicht gar nicht bezweifelt<lb/>
werden kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1435" next="#ID_1436"> Die Festsetzung englischer Monopolgesellschaften in Mozambique bedeutet<lb/>
die Erdrosselung der Boerenstaciten, die ohne eignen oder befreundeten Hafen<lb/>
von England in unabsehbarer Zeit einfach erdrückt werden müssen. Leider<lb/>
findet die Voerenfrage an amtlicher Stelle in Berlin überhaupt nur wenig<lb/>
Verständnis; am wenigsten aber in nationaler Hinsicht, während gerade, dieses<lb/>
Interesse ausschlaggebend sein müßte. Bezeichnend ist die Behandlung des<lb/>
großen Boerentrecks nach Nordwesten in unser dortiges Schutzgebiet. Der<lb/>
niederdeutsche Zug war fünftausend Köpfe stark, ein hervorragender Zuwachs<lb/>
an nationaler Bevölkerung für das menschenarme Land. Aber die kleinliche<lb/>
Büreaukratie in Berlin und die militärische Beschränktheit im Schutzgebiet<lb/>
fürchtete den Freiheitssinn der ungebundnen niederdeutschen Viehbauern und<lb/>
verschloß ihnen das Schutzgebiet, sodaß sie sich mehr tropenwärts in die portu¬<lb/>
giesische Kolonie Mossamedes wandten. Wir selbst werden des Schutzgebiets<lb/>
nicht Herr, obgleich tausend deutsche Reiter dort stehen, und weisen doch<lb/>
deutsche Bauern von den Grenzen, weil sie, während sie bereit gewesen wären,<lb/>
die Oberhoheit des Reichs anzuerkennen, Selbstverwaltung sür sich fordern<lb/>
und nicht wehrpflichtig werden wollen. Den entarteten Hottentotten lassen<lb/>
wir ihre patriarchalische Stammesversassung und die Waffen zum Aufruhr<lb/>
gegen die deutsche Herrschaft, die uns stammverwandten Boeren aber sollen<lb/>
mit kleinlichen Polizeiverordnungen regiert werden und womöglich trotz fremder<lb/>
Staatsangehörigkeit Kriegsdienste leisten. Warum haben wir dieses Ansinnen<lb/>
nicht an die englischen Händler gestellt, die als Agenten des kaplündischen<lb/>
Premierministers Cecil Rhodes Gewehre und Munition in das Land schmug¬<lb/>
gelten? Warum wurden sie mit Sammethandschuhen angefaßt? Bei tausend<lb/>
Mann Besatzung brauchen wir keine Kriegshilfe der Boeren, die aber im<lb/>
Kriegsfalle freiwillig und mit Freuden gegen Farbige und Engländer ihre töt-<lb/>
lichen Büchsen gebrauchen würden.  Mit Recht klagen die deutschen Kaufleute</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0527] Die Delagoabucht und Samoa war, so kann man es Portugal nicht verdenken, wenn es in Mozambique dem deutschen Beispiel folgt. Freilich Deutschland hat die Kraft, das englische Kapital politisch in Schach zu halten, aber Portugal ist wehrlos, wenn Eng¬ land dem Kapital den politischen Einfluß und die politische Angliederung folgen läßt. Die Thatsache steht fest, daß der portugiesische Gouverneur in London über die Beteiligung englischen Kapitals verhandelt hat, während er in Berlin nur einen Höflichkeitsbesuch abstattete. Das deutsche Kapital rührte sich nicht, und in Südafrika geberdet es sich sogar englünderfreundlich und antinational. Und die Reichsregierung blieb müßig, während die Begünstigung der chinesischen Anleihe doch weniger wichtig war, als die Finanzirung der wirtschaftlichen Ausbeutung des Küstenlandes der Delagoabucht. Die politische Wirkung des Telegramms an Krüger muß sich bei dieser Unthätigkeit ver¬ flüchtige», da die unverschleierte englische Absicht gar nicht bezweifelt werden kann. Die Festsetzung englischer Monopolgesellschaften in Mozambique bedeutet die Erdrosselung der Boerenstaciten, die ohne eignen oder befreundeten Hafen von England in unabsehbarer Zeit einfach erdrückt werden müssen. Leider findet die Voerenfrage an amtlicher Stelle in Berlin überhaupt nur wenig Verständnis; am wenigsten aber in nationaler Hinsicht, während gerade, dieses Interesse ausschlaggebend sein müßte. Bezeichnend ist die Behandlung des großen Boerentrecks nach Nordwesten in unser dortiges Schutzgebiet. Der niederdeutsche Zug war fünftausend Köpfe stark, ein hervorragender Zuwachs an nationaler Bevölkerung für das menschenarme Land. Aber die kleinliche Büreaukratie in Berlin und die militärische Beschränktheit im Schutzgebiet fürchtete den Freiheitssinn der ungebundnen niederdeutschen Viehbauern und verschloß ihnen das Schutzgebiet, sodaß sie sich mehr tropenwärts in die portu¬ giesische Kolonie Mossamedes wandten. Wir selbst werden des Schutzgebiets nicht Herr, obgleich tausend deutsche Reiter dort stehen, und weisen doch deutsche Bauern von den Grenzen, weil sie, während sie bereit gewesen wären, die Oberhoheit des Reichs anzuerkennen, Selbstverwaltung sür sich fordern und nicht wehrpflichtig werden wollen. Den entarteten Hottentotten lassen wir ihre patriarchalische Stammesversassung und die Waffen zum Aufruhr gegen die deutsche Herrschaft, die uns stammverwandten Boeren aber sollen mit kleinlichen Polizeiverordnungen regiert werden und womöglich trotz fremder Staatsangehörigkeit Kriegsdienste leisten. Warum haben wir dieses Ansinnen nicht an die englischen Händler gestellt, die als Agenten des kaplündischen Premierministers Cecil Rhodes Gewehre und Munition in das Land schmug¬ gelten? Warum wurden sie mit Sammethandschuhen angefaßt? Bei tausend Mann Besatzung brauchen wir keine Kriegshilfe der Boeren, die aber im Kriegsfalle freiwillig und mit Freuden gegen Farbige und Engländer ihre töt- lichen Büchsen gebrauchen würden. Mit Recht klagen die deutschen Kaufleute

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/527
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/527>, abgerufen am 28.12.2024.