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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Delagoabucht und Samoa

Staaten. Nun liegen die Verhältnisse dort so, daß die Neutralität Portugals
seinen Besitz nicht von fremden Einflüssen unabhängig macht, sondern viel¬
mehr eine stete Gefahr für seine Unabhängigkeit ist. Schon im portugiesischen
Mutterlande vermag der britische Einfluß alles, da der ganze Außenhandel
Portugals in englischen Händen liegt. Das verarmte und mißregierte Land
ist nicht in der Lage, seine Kolonien auf die Dauer zu halten. Deutschland
ist aber ebenso an der Ost- wie an der Westküste Afrikas der Grenzuachbar
Portugals. Nach der leider von Caprivi zu unsern Ungunsten geänderten
Bismarckischen Gebietsaufteilung Südafrikas trennte unsre oft- und südwest-
afrikanischen Besitzungen nur die portugiesische Kolonie Mozambique mit
der Delagoabucht. Ein breiter Gürtel deutschen Einflußgebiets schied die
Kapkolonie von Zentralafrika, und die Boerenstaaten bildeten das vorgelagerte
Mittelstück dieses Länderstreifens. Bis auf eine zwei Meilen breite Heerstraße
längs des Zambesi hat das Deutsche Reich im berüchtigten Zanzibarvertrage
diese ungemein günstige Stellung in unglaublicher Kurzsichtigkeit ohne Gegen¬
leistung Englands aufgegeben und somit seine eignen Schutzgebiete in bedenk¬
licher Weise isolirt. Nur das Dasein der beiden Boerenstaaten macht es vielleicht
möglich, den Verlornen Posten wiederzugewinnen; hier im Norden des Kaplandes
muß eine zielbewußte deutsche Politik einsetzen, und das Telegramm an Krüger
hat auch schon den festen Willen bekundet, das Gladstonische Iianclg ot? den
Engländern zurückzugeben. Die uns noch formell zustehende Zainbesiheerstraße
bedeutet völkerrechtlich keineswegs bloß einen freien Durchzug bis zur Strom-
mündnng, sondern einen territorialen Anspruch, da die Breite der deutschen
Heerstraße ausdrücklich auf zwei deutsche Meilen durch Vertrag festgestellt
worden ist. Der Verbindungsweg berührt den Norden Transvaals und endet
in der Delagoabucht.

Dieser natürliche Hafen ist eine Lebensbedingung für die niederdeutschen
Staatswesen in Südafrika. Er ist die nächste Verbindung mit dem Ozean
und nicht in englischer Hand. Ebenso wichtig ist er für uns, soweit bei
dem Verkehr unsrer afrikanischen Kolonien die Vermeidung englischen Bodens
erwünscht ist. Es war nur eine Schwäche unsrer Politik, daß sie im Zanzibar¬
vertrage die gefährliche Nachbarschaft Englands in Ostafrika zuließ, und es
wäre eine Schwäche unsrer Politik, wenn sie nicht eine weitere Ausdehnung
der englischen Macht verhindern wollte. Aber Englands Absicht geht offenbar
dahin, auch im Süden unser Nachbar zu werden und sich Mozambique wenigstens
teilweise zu sicher". Nach geschickter englischer Art, die wir nur nachahmen
sollten, versucht das englische Kapital einen Vorstoß in dieser Richtung, wie
ja schon Nhodesia zunächst nur eine Finanzoperation war, an deren politischer
Wirkung aber wohl selbst der thörichtste deutsche Philister nicht mehr zweifelt.
Wenn die Neichsregierung englisches Kapital zur wirtschaftlichen Erschließung
Südwestafrikas haben mußte, da schimpflicherweise deutsches nicht zu haben


Die Delagoabucht und Samoa

Staaten. Nun liegen die Verhältnisse dort so, daß die Neutralität Portugals
seinen Besitz nicht von fremden Einflüssen unabhängig macht, sondern viel¬
mehr eine stete Gefahr für seine Unabhängigkeit ist. Schon im portugiesischen
Mutterlande vermag der britische Einfluß alles, da der ganze Außenhandel
Portugals in englischen Händen liegt. Das verarmte und mißregierte Land
ist nicht in der Lage, seine Kolonien auf die Dauer zu halten. Deutschland
ist aber ebenso an der Ost- wie an der Westküste Afrikas der Grenzuachbar
Portugals. Nach der leider von Caprivi zu unsern Ungunsten geänderten
Bismarckischen Gebietsaufteilung Südafrikas trennte unsre oft- und südwest-
afrikanischen Besitzungen nur die portugiesische Kolonie Mozambique mit
der Delagoabucht. Ein breiter Gürtel deutschen Einflußgebiets schied die
Kapkolonie von Zentralafrika, und die Boerenstaaten bildeten das vorgelagerte
Mittelstück dieses Länderstreifens. Bis auf eine zwei Meilen breite Heerstraße
längs des Zambesi hat das Deutsche Reich im berüchtigten Zanzibarvertrage
diese ungemein günstige Stellung in unglaublicher Kurzsichtigkeit ohne Gegen¬
leistung Englands aufgegeben und somit seine eignen Schutzgebiete in bedenk¬
licher Weise isolirt. Nur das Dasein der beiden Boerenstaaten macht es vielleicht
möglich, den Verlornen Posten wiederzugewinnen; hier im Norden des Kaplandes
muß eine zielbewußte deutsche Politik einsetzen, und das Telegramm an Krüger
hat auch schon den festen Willen bekundet, das Gladstonische Iianclg ot? den
Engländern zurückzugeben. Die uns noch formell zustehende Zainbesiheerstraße
bedeutet völkerrechtlich keineswegs bloß einen freien Durchzug bis zur Strom-
mündnng, sondern einen territorialen Anspruch, da die Breite der deutschen
Heerstraße ausdrücklich auf zwei deutsche Meilen durch Vertrag festgestellt
worden ist. Der Verbindungsweg berührt den Norden Transvaals und endet
in der Delagoabucht.

Dieser natürliche Hafen ist eine Lebensbedingung für die niederdeutschen
Staatswesen in Südafrika. Er ist die nächste Verbindung mit dem Ozean
und nicht in englischer Hand. Ebenso wichtig ist er für uns, soweit bei
dem Verkehr unsrer afrikanischen Kolonien die Vermeidung englischen Bodens
erwünscht ist. Es war nur eine Schwäche unsrer Politik, daß sie im Zanzibar¬
vertrage die gefährliche Nachbarschaft Englands in Ostafrika zuließ, und es
wäre eine Schwäche unsrer Politik, wenn sie nicht eine weitere Ausdehnung
der englischen Macht verhindern wollte. Aber Englands Absicht geht offenbar
dahin, auch im Süden unser Nachbar zu werden und sich Mozambique wenigstens
teilweise zu sicher». Nach geschickter englischer Art, die wir nur nachahmen
sollten, versucht das englische Kapital einen Vorstoß in dieser Richtung, wie
ja schon Nhodesia zunächst nur eine Finanzoperation war, an deren politischer
Wirkung aber wohl selbst der thörichtste deutsche Philister nicht mehr zweifelt.
Wenn die Neichsregierung englisches Kapital zur wirtschaftlichen Erschließung
Südwestafrikas haben mußte, da schimpflicherweise deutsches nicht zu haben


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[0526] Die Delagoabucht und Samoa Staaten. Nun liegen die Verhältnisse dort so, daß die Neutralität Portugals seinen Besitz nicht von fremden Einflüssen unabhängig macht, sondern viel¬ mehr eine stete Gefahr für seine Unabhängigkeit ist. Schon im portugiesischen Mutterlande vermag der britische Einfluß alles, da der ganze Außenhandel Portugals in englischen Händen liegt. Das verarmte und mißregierte Land ist nicht in der Lage, seine Kolonien auf die Dauer zu halten. Deutschland ist aber ebenso an der Ost- wie an der Westküste Afrikas der Grenzuachbar Portugals. Nach der leider von Caprivi zu unsern Ungunsten geänderten Bismarckischen Gebietsaufteilung Südafrikas trennte unsre oft- und südwest- afrikanischen Besitzungen nur die portugiesische Kolonie Mozambique mit der Delagoabucht. Ein breiter Gürtel deutschen Einflußgebiets schied die Kapkolonie von Zentralafrika, und die Boerenstaaten bildeten das vorgelagerte Mittelstück dieses Länderstreifens. Bis auf eine zwei Meilen breite Heerstraße längs des Zambesi hat das Deutsche Reich im berüchtigten Zanzibarvertrage diese ungemein günstige Stellung in unglaublicher Kurzsichtigkeit ohne Gegen¬ leistung Englands aufgegeben und somit seine eignen Schutzgebiete in bedenk¬ licher Weise isolirt. Nur das Dasein der beiden Boerenstaaten macht es vielleicht möglich, den Verlornen Posten wiederzugewinnen; hier im Norden des Kaplandes muß eine zielbewußte deutsche Politik einsetzen, und das Telegramm an Krüger hat auch schon den festen Willen bekundet, das Gladstonische Iianclg ot? den Engländern zurückzugeben. Die uns noch formell zustehende Zainbesiheerstraße bedeutet völkerrechtlich keineswegs bloß einen freien Durchzug bis zur Strom- mündnng, sondern einen territorialen Anspruch, da die Breite der deutschen Heerstraße ausdrücklich auf zwei deutsche Meilen durch Vertrag festgestellt worden ist. Der Verbindungsweg berührt den Norden Transvaals und endet in der Delagoabucht. Dieser natürliche Hafen ist eine Lebensbedingung für die niederdeutschen Staatswesen in Südafrika. Er ist die nächste Verbindung mit dem Ozean und nicht in englischer Hand. Ebenso wichtig ist er für uns, soweit bei dem Verkehr unsrer afrikanischen Kolonien die Vermeidung englischen Bodens erwünscht ist. Es war nur eine Schwäche unsrer Politik, daß sie im Zanzibar¬ vertrage die gefährliche Nachbarschaft Englands in Ostafrika zuließ, und es wäre eine Schwäche unsrer Politik, wenn sie nicht eine weitere Ausdehnung der englischen Macht verhindern wollte. Aber Englands Absicht geht offenbar dahin, auch im Süden unser Nachbar zu werden und sich Mozambique wenigstens teilweise zu sicher». Nach geschickter englischer Art, die wir nur nachahmen sollten, versucht das englische Kapital einen Vorstoß in dieser Richtung, wie ja schon Nhodesia zunächst nur eine Finanzoperation war, an deren politischer Wirkung aber wohl selbst der thörichtste deutsche Philister nicht mehr zweifelt. Wenn die Neichsregierung englisches Kapital zur wirtschaftlichen Erschließung Südwestafrikas haben mußte, da schimpflicherweise deutsches nicht zu haben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/526>, abgerufen am 23.07.2024.